[157] Malaiisch-polynesische Sprachen. Sie bilden einen weitverbreiteten Sprachstamm, der über die ganze Inselwelt des Stillen Ozeans verbreitet ist und von der Osterinsel im Stillen Ozean bis zur Insel Madagaskar reicht (s. die »Sprachenkarte« mit Textbeilage). Er zerfällt nach Fr. Müller in die drei Gruppen der malaiischen, melanesischen und polynesischen Sprachen. Die malaiischen Sprachen (s. Malaien) herrschen auf der Halbinsel Malakka, auf Java, Borneo, Celebes, Sumatra, den Philippinen, Molukken, Marianen, Formosa und andern Inseln des Malaiischen Archipels und der Südsee und auf Madagaskar. An sie schließen sich im Osten die melanesischen Sprachen, die nach Fr. Müller von den Palau-Inseln (Westkarolinen) und dem Marshall-Archipel im Nordwesten bis zu den Neuen Hebriden und Viti (Fidschi) im Südosten reichen. Noch weiter östlich dehnen sich die polynesischen Sprachen in südnördlicher Richtung von Neuseeland bis nach Hawaï aus. Ihre Verwandtschaftsverhältnisse veranschaulicht Whitmee, der beste lebende Kenner der polynesischen Sprachen, durch den S. 158 abgedruckten Stammbaum. Ihre morphologischen Kennzeichen sind, daß die Stammwörter in der Regel zweisilbig sind und als Nomina, Verba etc. fungieren können. Nach Grammatik und Lautsystem betrachtet, bieten nach Fr. Müller die drei Gruppen dieses Sprachstammes das Bild einer[157] aufsteigenden Entwickelung dar: die polynesischen »Partikelsprachen« haben die Laute g, d, h nicht, lassen alle Wörter auf einen Vokal auslauten und drücken alle grammatischen Beziehungen nur durch lose Partikeln aus; die melanesischen Sprachen, mit etwas reicherm Lautsystem, kennen auch konsonantischen Auslaut und haben bereits possessive Pronominalsuffixe ausgebildet; die malaiischen Sprachen endlich stellen durch einen reichen Konsonantismus und die Ausbildung jener Partikeln zu einem Präfix-, Infix- und Suffixsystem die oberste Stufe dar. Doch ist die umgekehrte Annahme einer stufenweisen Entartung aus dem reichen malaiischen Sprachtypus nicht ausgeschlossen. Jedenfalls sind die Sprachen gerade wie der unverkennbar gemischte Rassentypus der Melanesier durch die Papua stark beeinflußt und verändert worden. Einige der malaiischen Sprachen, namentlich das Malaiische im engern Sinn und das Javanische, haben einen starken Prozentsatz von Sanskritwörtern aufgenommen. Alte Schriftsprachen, die entweder mit dem arabischen oder mit Ableitungen aus den alten indischen Alphabeten geschrieben werden, finden sich nur bei der malaiischen Gruppe Volksmärchen und Nationalgesänge der Polynesier sind neuerdings von Gill (»Myths and songs from the Pacific«, Lond. 1876) gesammelt worden.
Whitmee ist mit der Herausgabe eines vergleichenden Wörterbuches der polynesischen Sprachen beschäftigt, auch besorgte er eine neue Ausgabe von Pratts »Samoan grammar« (Lond. 1878). Vgl. W. v. Humboldt, Über die Kawisprache auf der Insel Java, Bd. 3 (Berl. 1838); H. C. v. d. Gabelentz, Die melanesischen Sprachen (in den »Abhandlungen der Königlich sächsischen Gesellschaft der Wissenschaften«, 186073); Fr. Müller, Grundriß der Sprachwissenschaft, Bd. 2 (Wien 1879 ff.); Cust, A sketch of the modern languages of Oceania (Lond. 1888); Codrington, The Melanesian language (das. 1895); R. Brandstetter, Malaio-polynesische Forschungen (Luzern 189298,6 Hefte).
Brockhaus-1837: Romanische Sprachen
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