Formosa [1]

[769] Formosa (chines. Taiwan), seit 1895 zu Japan gehörige Insel an der Ostküste Chinas (s. Karte »China und Japan«), von dieser durch die Fukiënstraße geschieden, zwischen 21°54'–25°19' nördl. Br. und 120°7'–122° östl. L., 380 km lang, 120 km breit, 34,753 qkm (mit den kleinen Nebeninseln, ausschließlich der Pescadores) groß. F. wird der Länge nach (etwa meridional) von drei Gebirgsketten durchzogen. Die Zentralkette (höchste Erhebung Mount Morrison [s.d.] 4370 m) besteht aus gefalteten alten Gesteinen (Archaicum und Palaeozoicum), die westliche Kalikette (bis 2830 m) aus tertiären Schichtgesteinen; in der östlichen Taitokette treten zu letztern noch vulkanische Gesteine hinzu. Von der ehemaligen vulkanischen Tätigkeit sind heute nur noch geringe Reste vorhanden (Solfatare des Schichiseitosan [1109 m] an der Nordspitze, heiße Quellen, Erdbeben). Für Flachland bleibt nur wenig Raum längs der Küste. Das feuchtwarme Klima ist höchst ungesund. Mitteltemperatur an der Küste: Januar 10,9°, Juli 21,25°. Der Nordostmonsun weht vom November bis April, sonst Südwestmonsun. Der Regenfall ist sehr stark (Kelung 3000 mm). In der Pflanzenwelt mischen sich hier japanische mit malaiischen Formen. Bis 500 m Höhe herrscht neben Grasland tropische Vegetation[769] (Palmen, Farnbäume, Lianen, Bambus, Banyanen, Anan as, Brotfruchtbaum, Gewürzpflanzen, riesige Kampferbäume); bis 1800 m erstreckt sich üppiger subtropischer, immergrüner Laubwald, jenseits der Nadelwald. Die Tierwelt zeigt noch geringere Verwandtschaft zu der des benachbarten China; die Zahl der eigentümlichen Formen ist ziemlich groß. Bekannt sind 35 Arten Säugetiere, 128 Vögel. Von erstern sind zu nennen: der schwarze (malaiische) Bär, der große orangutanähnliche Macacus cyclopis, Leopard, Nebelparder, Zwergkatze, die eigenartige Baumzibetkatze (Helictis), Geisantilopen, Hirsche, Ameisenfresser, Flughörnchen; Rinder (nicht Bos chinensis) und Büffel werden als Zugtiere benutzt. Unter den Vögeln fehlen die Papageien. Die Insektenformen weisen gleichfalls mehr nach Malaisien als nach China. Die Bevölkerung (Ende 1897: 2,729,503) besteht in Nordformosa zu sieben Achteln aus eingewanderten Chinesen (Hoklo und Hakka). Die malaiischen Urbewohner im Innern und an der Ostküste werden in vier Gruppen (Pepohoan, Lamsihoan, Lekhoan, Chihoan) unterschieden; die Pepohoan haben chinesische Sprache und Lebensweise angenommen, sind jedoch wie die andern Stämme z. T. noch Menschenfresser und Kopfjäger geblieben. Sie gehen fast nackt und brauchen als Waffen Bogen, kurze Säbel und Lanzen, auch bereits Flinten. Völlig selbständig sollen noch etwa 300,000 sein. Die christliche Mission (2 katholische, eine prot. Anstalt) hat in F. bisher sehr wenig Erfolg gehabt. Die Urbevölkerung im Innern treibt hauptsächlich Ackerbau (Kartoffeln, Hirse, Tabak, Erbsen). Im Flachland wird sehr viel Zuckerrohr, Reis und Tee gebaut, ferner Batate, Yams, Taro, Indigo, Erdnuß, Weizen. Die Industrie (Zucker, Tee, Grastuch, Reispapier, Öl, Indigo, Kampfer) liegt ausschließlich in chinesischen Händen. Viehzucht ist unbedeutend, erheblich der Fisch- und Austernfang. Auch die reichen Mineralschätze (Gold, Silber, Kupfer, Blei, Eisen, Schwefel, weitverbreitete Braun- und Steinkohle, Petroleum) werden bisher nur sehr wenig ausgenutzt (Kohlenbergwerk bei Kelung). Von den Häfen sind dem Fremdhandel geöffnet: Tamsui (Hobe) und Kelung im N., Takao und Anping (Taiwanhu) im S.; am letzten Ort ein deutsches Berufskonsulat. Der Schiffsverkehr der Freihäfen betrug 1901: 779 Schiffe mit 1,011,812 Ton. (ohne japanische und chinesische Dschunken). Die Einfuhr belief sich 1901 auf 21,592,052, die Ausfuhr auf 16,651,530 Yen; der Handel mit Japan ist seit 1897 stetig gestiegen auf Kosten des Auslandes. Von Eisenbahnen bestehen die Linien Taipefu-Kelung und ein Teil der Linie Taipefu-Taiwanhu-Takao, von Fernsprechleitungen die Linien Anping-Takao und Taipefu-Tamfui.

Geschichte. Die Chinesen faßten ursprünglich F. mit der langen, von dort nach Japan hinüberreichenden Inselkette unter dem Namen Liukiu (s.d.) zusammen. Die Verbindung, die zur Zeit der Handynastie (25–263) mit China bestand, war später verloren gegangen, so daß im Anfang des 7. Jahrh. Entdeckungs- und Eroberungsexpeditionen wie nach einem fernen, unbekannten Land entsendet wurden. Inzwischen hatten nämlich die von S. kommenden Malaien von der ganzen Ebene der Insel Besitz genommen, vor denen die zivilisiertern ältern Bewohner in die Berge geflohen waren. F. blieb sich selbst überlassen; auch das Landen einer 1291 von Fukien nach den Riukiuinseln entsandten Expedition auf den Pescadoren und Westformosa änderte an der politischen Isolierung der Insel nichts. Die Bedrückung der besonders als herumziehende Schmiede nützlichen Hakka wurde in Südchina seit der Auflehnung gegen die Mongolenkaiser so schlimm, daß im Laufe des 14. und 15. Jahrh. allmählich ein Drittel dieses Volks stammes nach F. übersiedelte. Da aber inzwischen mit den Riukiuinseln enge Beziehungen angeknüpft waren, so nannten die Chinesen die von Wilden bewohnte große Insel von etwa 1400 an »Klein Liukiu«. Infolgedessen erscheint F. auf den portugiesischen Karten des 16. Jahrh. und noch bei Linschotten als »Lequeo pequeno«. Dieser unpassende Name machte erst allmählich dem von den Portugiesen eingeführten F. Platz. Versuche der Japaner, mit den Stämmen an der Nordküste Verkehr anzuknüpfen und die Insel zu erobern (1609–15), schlugen fehl. Dagegen bemächtigten sich die Holländer 1624 einer kleinen Insel gegenüber der Handelsstadt Taiwan an der Westküste, wo sie das Fort Zelandia bauten. Ebenso gründeten die Spanier 1626 an der Nordküste das Fort San Salvador. Von 1624–61 war ein großer Teil der Ebene und benachbarten Berge (im ganzen 290 Dörfer) von den Holländern beherrscht, die sich auch der Einführung des Christentums und des Schulunterrichts eifrig annahmen. Aber 1661 griff der Seeräuberhäuptling Koxinga von Amoy aus mit 25,000 Mann die holländischen Besatzungen an; die Holländer übergaben auch die Festung Zelandia gegen freien Abzug. So war F. 1662–83 unter Koringa, seinem Sohn und Enkel ein selbständiger Staat. Der letztere wurde nach Peking entboten und die Insel mit der chinesischen Provinz Fukien verbunden. Auch während der 212jährigen chinesischen Herrschaft blieb der gebirgige Teil den wilden Stämmen überlassen. 1854 landete die nach Japan bestimmte amerikanische Expedition unter Perry auf F.; aber der Vorschlag, sie wegen ihres Kohlenreichtums zu annektieren, fand in Washington keinen Anklang. 1858 wurde Taiwan und 1860 Tamsui zum Vertragshafen erklärt. Für die Ausfuhr von Zucker, Tee, Rotang und Kampfer wurde F. für den Welthandel bald wichtig; eine neue Gespinstpflanze (Boehmeria nivea) lernte man von den Eingebornen benutzen. Die Weigerung Chinas, für Gewalttaten der wilden Stämme gegen gestrandete Schiffe Genugtuung zu verschaffen, führte 1874 zur japanischen Expedition gegen die Konföderation der Butangstämme im S. der Insel. Im französisch-chinesischen Krieg eroberte Admiral Courbet 1884–1885 Kelung im N. und die Pescadoren; doch gab Frankreich die Insel an China zurück. Nach dem japanisch-chinesischen Kriege trat China 17. April 1895 F. an Japan ab. Doch bedurfte es erst eines langen Kampfes, ehe die von den Insulanern errichtete Republik erobert und F. unter dem Namen Taiwan eine Dependenz des japanischen Kaiserreichs wurde (Herbst 1901 Neuorganisation durch Vicomte Kodama); noch im Frühjahr 1902 mußte ein Aufstand niedergeworfen werden. Das 1900 eingeführte Kampfermonopol hatte den Rückgang in der Zahl der auf F. etablierten Firmen zur Folge. Vgl. Rieß, Geschichte der Insel F. (in den »Mitteilungen der Deutschen Gesellschaft für Natur- und Völkerkunde Ostasiens«, Bd. 6, Tokio 1897); Imbault-Huart, L'île Formose: histoire et description (Par. 1893, mit einer Literaturübersicht von Cordier); Wirth, Geschichte Formosas bis Anfang 1898 (Bonn 1898); Campbell, F. under the Dutch (Lond. 1903); Mac Kay, From far F. The island, its people and missions (2. Aufl., Edinb. 1896); I. D. Clark, Formosa (Schanghai 1896); Pickering, Pioneering in F.[770] (Lond. 1898); A. Fischer, Streifzüge durch F. (Berl. 1900); Okamatsu, Provisional report on investigations of laws and customs in the island of F. (Kyoto 1902); I. W. Davidson, The island of F. past and present (Lond. 1903). – Karte von Villard (Schanghai 1895).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 6. Leipzig 1906, S. 769-771.
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