[401] Massage (franz., spr. -āsch', lat. massare, griech. massein, »kneten«, Knetkur), ein in Form von Streichungen oder Reibungen geübter, in neuerer Zeit wissenschaftlich begründeter und systematisch ausgebildeter Zweig der Heilkunde. Die M. bedient sich verschiedener Handgriffe, um auf die Körpergewebe einzuwirken: Streichung (Effleurage), Reibung (Friction), Knetung (Pétrissage) und Klopfung (Tapotement). Die Effleurage besteht in zentripetalen Streichungen mit der flachen Hand, die, also nach dem Herzen hin gerichtet, der Bahn des Venen- und Lymphstromes folgen; sie wirken in erster Linie zirkulationsbefördernd. Die Friktionen sind kleine, meist kreisförmige Reibungen mit dem Daumen oder den drei mittlern Fingerspitzen; sie sollen Anschwellungen und Ergüsse zur Verteilung bringen. Die Pétrissage ist der am schwierigsten auszuführende Handgriff, wobei der betreffende Körperteil (Muskeln) von beiden Händen gleichzeitig bearbeitet wird; der Muskel wird dabei von der Knochenunterlage abgehoben und in allen seinen Teilen ähnlich wie ein auszupressender Schwamm durchgearbeitet. Das Tapotement (Klopfkur) endlich besteht aus Klopfungen, Hackungen, Schlägen mit der flachen Hand oder mit dem Kleinfingerrande der Hand oder, wenn man tiefer einwirken will, mit der Faust. Hierdurch übt man einen starken mechanischen Reiz auf Haut und Muskeln aus, welch letztere sich hierbei zusammenziehen. Oberflächlich gelegene Nervenstämme, z. B. bei Gesichtsneuralgien, beklopft man mit dem Perkussionshammer oder mit den Fingerspitzen. Die Kombination der verschiedenen eben aufgezählten Massagehandgriffe sowie die Stärke, mit der sie zur Ausführung kommen, hängt im einzelnen Falle von dem Allgemeinzustande des Patienten, von der Beschaffenheit des zu massierenden Gliedes und von der beabsichtigten Wirkung ab; die gleichen Momente bedingen auch die Länge der Massagesitzungen. Meist wird die M. eines einzelnen Gelenkes 10, die eines Armes oder Beines 15 Minuten, die Bauchmassage 1015 Minuten und die allgemeine M. des ganzen Körpers 1/2-1 Stunde in Anspruch nehmen. Die M. wird am besten auf dem entblößten Körper ausgeführt, dessen Haut zu diesem Zweck eingefettet wird. Ausgeschlossen ist die M. bei einer Reihe von Hautaffektionen, wie Furunkel und Karbunkel, bei gewissen Krankheiten der Gefäße (Verkalkung der Arterien, stark entwickelte Venenerweiterungen, Venenentzündungen, Skorbut, Bluterkrankheit u. a.), bei allen eiterigen und infektiösen Prozessen sowie bei bösartigen Geschwülsten und schweren Allgemeinkrankheiten. Daß man die Bauchmassage nicht in der Zeit der Schwangerschaft, ferner nicht bei Unterleibsgeschwülsten, bei Blasen-, Nieren- oder Gallensteinen sowie nicht bei Magengeschwüren u. a. ausführt, ist selbstverständlich. Die M., die häufig gleichzeitig mit Heilgymnastik, orthopädischen Maßnahmen und mit Bädern zur Ausführung kommt, ist bei folgenden Krankheiten besonders wirksam: in erster Linie nach Verletzungen verschiedener Art, Kontusionen, Blutungen aus kleinern Gefäßen, Dehnung und Zerreißung von Muskeln, Knochenbrüchen, Verstauchungen und Verrenkungen der Gelenke; hier hat die M. die Gewebe wieder in den normalen Zustand zurückzuführen, die Stauung zu beseitigen und der Ausbildung gröberer, durch lange Ruhigstellung und Untätigkeit begünstigter Funktionsstörungen soweit wie möglich vorzubeugen. Von Muskelerkrankungen sind besonders die Muskelatrophie, die rheumatische Entzündung (z. B. der Hexenschuß, Lumbago), Sehnenscheidenergüsse ein dankbares Feld für die M. Von Nervenleiden kommen hauptsächlich die Neuralgien und die Nervenentzündungen (Ischias) in Betracht, von Gelenkerkrankungen besonders die serösen, die chronisch-rheumatischen Entzündungen und die Gelenkneuralgien. Bei einigen zentralen Nervenleiden, z. B. bei beginnender Rückenmarksschwindsucht oder bei der sogen. Kinderlähmung, sind die Erfolge der M. weniger günstig; bei der Nervenschwäche (Neurasthenie) wird durch die allgemeine Körpermassage häufig Heilung und wesentliche Besserung erreicht; unterstützend treten hier Diät- und Ruhekuren hinzu. Vortreffliches leistet die M. bei Trägheit der Verdauung, Stuhlverstopfung sowie bei Magenerweiterung. Eine Reihe von Ohrenkrankheiten, von Augenkrankheiten sowie in neuerer Zeit verschiedene Frauenkrankheiten werden durch die M. mehr als durch andre Mittel gehoben und gebessert. Neuerdings hat man die M. wegen ihrer den menschlichen Organismus belebenden Wirkungen nicht ohne Erfolg in den Dienst der Kosmetik gestellt. Eine besondere Technik ist als innere oder Schleimhautmassage bei Krankheiten der Nase, des Rachens und des Kehlkopfes ausgebildet worden. Am berufensten zur Ausführung der M. ist unzweifelhaft der Arzt vermöge seiner anatomischen und physiologischen Kenntnisse sowie seiner Erfahrungen auf allen Gebieten der Krankheitslehre. Die Ausübung der M. durch Laien läßt sich aus verschiedenen Gründen nicht umgehen, doch sollen diese Laienmasseure (wie dies in Schweden schon geschieht) gut ausgebildet, dabei intelligent und gewissenhaft sein und sich stets unter die Leitung und Kontrolle eines Arztes stellen. Als Erschütterungs- oder Vibrationsmassage wird ein Verfahren vielfach angewendet, bei dem verschieden geformte, dem zu behandelnden Körperteil angepaßte Ansätze (Platten etc.) durch kleine Motoren in rasche, zitternde Bewegung versetzt werden, die sich auf den Körperteil übertragen.[401]
Die M. gehört zu den ältesten physikalischen Heilmitteln und wurde bereits im Altertum in China, Indien etc. von den meist heilkundigen Priestern, Knetweibern etc. unter Einhaltung empirischer Regeln ausgeübt. Auch die Griechen und Römer benutzten die M. im Anschluß an das Bad zur hygienischen Körperpflege. Zu diesen methodischen Reibungen bediente man sich z. B. in Pergamon außer der manuellen (Hand-) Behandlung besonderer striegelartiger Instrumente (Xystra), während schon Hippokrates die M. zur Behandlung von Verstauchungen, Quetschungen etc. praktisch anwenden ließ. Erst in unserm Zeitalter wurde deren wissenschaftliche Begründung durch die Fortschritte der Anatomie und Physiologie ermöglicht. Nachdem sich Schweden besonders um die Ausbildung der Mechanotherapie verdient gemacht hatte (s. Heilgymnastik), begründete während der 1870er Jahre der holländische Arzt Mezger die M. physiologisch, und es gelang ihm, ein später erweitertes, von namhaften deutschen Klinikern angenommenes therapeutisches System aufzustellen. Mezgers vorzügliche Heilerfolge sowie dessen mehrjähriger Aufenthalt in Wiesbaden brachten die M. besonders auch in Deutschland schnell in Ausnahme. Vgl. Gussenbauer, Erfahrungen über M. (Prag 1881); Hünerfauth, Geschichte der M. (Berl. 1886) und Handbuch der M. (Leipz. 1887); Preller, Die M. (2. Aufl. von Wichmann, das. 1903); Prochownik, M. in der Frauenheilkunde (Hamb. 1890); Reibmayr, Technik der M. (6. Aufl., Wien 1898) und Die M. und ihre Verwertung (5. Aufl., das. 1893); Hoffa, Technik der M. (4. Aufl., Stuttg. 1903); Landerer, Mechanotherapie (Leipz. 1894); Kleen, Handbuch der M. (a. d. Schwed., 2. Aufl., das. 1895); Bum, Handbuch der M. und Heilgymnastik (3. Aufl., Wien 1902); Zabludowski, Technik der M. (2. Aufl., Leipz. 1903); Witthauer, Lehrbuch der Vibrationsmassage mit besonderer Berücksichtigung der Gynäkologie (das. 1905); Granier, Lehrbuch für Heilgehilfen und Masseure (4. Aufl., Berl. 1904).