[840] Miller, 1) Johann Martin, Dichter, geb. 3. Dez. 1750 in Ulm, gest. daselbst 21. Juni 1814, studierte seit 1770 in Göttingen Theologie und schloß sich hier dem Göttinger Dichterbund an, wurde 1775 Vikar am Gymnasium seiner Vaterstadt, 1780 Pfarrer in Jungingen, 1781 Professor in Ulm, 1783 Münsterprediger, 1810 Dekan und Geistlicher Rat. M. ward hauptsächlich durch seinen zum Teil auf eignen Herzenserlebnissen beruhenden Roman »Siegwart, eine Klostergeschichte« (Leipz. 1776, 2 Bde.) ein viel gelesener Schriftsteller. Er gab darin der Sentimentalität der Zeit, der kurz vorher Goethes »Werther« entsprungen war, Ausdruck und Nahrung; doch blieb das Werk in seiner schwächlichen Unnatur weit hinter Goethes Werk zurück. Dabei verfolgte »Siegwart« eine moralisierende Tendenz, die auf die unmännlichste Fügsamkeit gegen jede Brutalität der Außenwelt hinauslief. Ähnliche Tendenzen vertreten auch die Romane: »Beitrag zur Geschichte der Zärtlichkeit; aus den Briefen zweier Liebenden« (Leipz. 1776), »Briefwechsel dreier akademischer Freunde« (Ulm 177677) und »Geschichte Karls von Burgheim und Emiliens von Rosenau« (Leipz. 177879). Das Beste, was M. hervorgebracht hat, sind einzelne seiner ehedem vielgesungenen Lieder (z. B. »Was frag' ich viel nach Geld und Gut«), denen zuweilen ein aus echte Volkslied anklingender Charakter nachzurühmen ist. Seine Selbstbiographie findet sich in Bock und Mosers »Sammlung von Bildnissen Gelehrter und Künstler« (Nürnb. 1803). Vgl. Prutz, Der Göttinger Dichterbund (Leipz. 1841); E. Schmidt, Charakteristiken, erste Reihe (2. Aufl., Berl. 1902); Kraeger, Joh. Martin M. (Brem. 1893).
2) Ferdinand von, Erzgießer, geb. 18. Okt. 1813 in Fürstenfeldbruck, gest. 11. Febr. 1887 in München, trat als Lehrling bei einem Silberarbeiter in München ein, besuchte seit 1826 die Akademie und modellierte und ziselierte nebenbei. Sein Oheim, der Erzgießer Stiglmaier, schickte ihn 1833 nach Paris, damit er sich dort in der Technik des Erzgusses vervollkommte. In Paris trat er in die Werkstätte Soyers[840] ein, arbeitete auch in einer Vergolderwerkstätte und kehrte dann heim, um später die 3 m hohen bayrischen Fürstenstatuen Schwanthalers für den Thronsaal des Saalbaues in München in Feuer zu vergolden, was man in Paris für eine Unmöglichkeit erklärt hatte. 1844, wo er als Nachfolger seines Oheims zum Inspektor der königlichen Erzgießerei ernannt wurde, begann er den Guß der 17 m hohen Schwanthalerschen Bavaria und vollendete ihn 1850. Infolge der Londoner Ausstellung (1851) eroberte er sich durch einen der Löwen vom Münchener Siegestor den amerikanischen Markt. Von da an lieferte er, wie vorher für Deutschland und Österreich, nun auch eine Reihe von Kolossalgüssen für die Neue Welt, mehr als 80 an der Zahl, darunter das Tor des Kapitols in Washington. M. war längere Zeit bayrischer Landtags- und Reichstagsabgeordneter, als welcher er der Zentrumspartei angehörte. Das letzte größere Werk seiner Gießerei, die jetzt von seinen Söhnen Ferdinand (s. Miller 5) und Ludwig (geb. 23. Juni 1850) geleitet wird, war die Figur der Germania (s. d.) für das Niederwalddenkmal.
3) Orest Fjodorowitsch, russ. Literarhistoriker, geb. 16. (4.) Aug. 1834 in Reval, gest. 13. (1.) Juni 1889 in Petersburg, war bis 1888 Professor der russischen (speziell ältern) Literatur an der Petersburger Universität. Seine erste wissenschaftliche Arbeit war »Über das sittliche Element in der Poesie« (1858), sein Hauptwerk ist: »Ilja Murometz und das Paladinentum von Kiew. Vergleichende kritische Untersuchungen über die Bestandteile des russischen Volksepos« (Petersb. 1870), worin für das russische Volksepos ein selbständiger, rein russischer Ursprung angenommen wird. Von seinen übrigen Schriften ist besonders hervorzuheben: »Die russischen Schriftsteller nach Gogol« (Petersb. 1874, 4. Aufl. 1888). M. gehörte der slawophilen Partei an, ohne jedoch deren extreme Anschauungen zu teilen.
4) Joaquin, eigentlich Cincinnatus Heine M., amerikan. Dichter, geb. 10. Nov. 1841 im Wabash District (Indian a), siedelte 1851 nach Oregon über und führte dort und in Kalifornien ein abenteuerliches Wanderleben. Dann studierte er die Rechte, war bald als Advokat, bald als Redakteur tätig und wurde 1870 in England, wo er für seine, die wildromantische Pracht und glutvolle Färbung des Südwestens wundervoll spiegelnden »Songs of the Sierras« (1371) einen Verleger gefunden, begeistert gefeiert. Seine folgenden Werke waren »Songs of the Sunlands« (1873), »The ship of the desert« (1875) und »Songs of the desert« (1875), der Roman »The baroness of New York« (1877), »Songs of Italy« (1878), »Shadows of Shasta« (1881), ein zweiter Roman »The Danites in the Sierras« (1881, u. d. T.: »The Danites« dramatisiert); »Memorie and rime« (1884); »Songs oi' the Mexican seas« (1887), »Songs of the soul« (1896) und »As it was in the beginning« (1903). Seit 1887 war er abwechselnd in Washington und in Oakland journalistisch tätig und ging 1898 als Korrespondent eines New Yorker Blattes nach der Klondikeregion. Eine Gesamtausgabe seiner poetischen Werke erschien zuletzt 1902 in San Francisco.
5) Ferdinand von, der Jüngere, Bildhauer und Erzgießer, Sohn von M. 2), geb. 8. Juni 1842 in München, lernte das Gießen bei seinem Vater, dann in den Gießereien zu Berlin, Paris und London, das Modellieren bei Kiß in Berlin, bei Widnmann in München und bei Hähnel in Dresden, bildete sich 1867 in Italien weiter, machte die Feldzüge von 1866 und 1870/71 als Kavallerieoffizier in der bayrischen Armee mit, ging 1871 nach Nordamerika und Kalifornien und leitete später den Guß zahlreicher Monumente. An eignen Werken schuf M. mehrere Figuren für den großen Brunnen in Cincinnati, einen Indianer mit Pfeil und Bogen, Statuen von Shakespeare, Humboldt und Kolumbus für den Park von St. Louis, die Statue eines Soldaten für das Kriegerdenkmal in Charleston, die Statue des Generals Mosquera für Columbia, die Statue des Albertus Magnus für Lauingen in Schwaben, den Maximiliansbrunnen in Bamberg, das Armeedenkmal in der Feldherrenhalle zu München (1892), die Bronzestatue des Geigenmachers Matthias Klotz in Mittenwald, das in Bronze gegossene Reiterstandbild Kaiser Wilhelms I. für Metz (1892), eine Statue König Ludwigs I., das Standbild des Prinz-Regenten Luitpold in Berchtesgaden (1893), einen Monumentalbrunnen für Würzburg (1894), die Bronzestatue des Königs Ludwig I. in Brückenau (1897), die Bronzestatue des Prinzen Friedrich Karl in Metz (1898), das Reiterstandbild des Prinz-Regenten Luitpold in Bamberg (1900) und das Reiterstandbild König Ludwigs I. in Regensburg (1902). 1900 wurde er zum Direktor der Kunstakademie ernannt. Sein Bruder Fritz (geb. 1840), Lehrer für Metallarbeiten an der königlichen Kunstgewerbeschule in München, hat eine Anzahl von Statuetten, Tafelaufsätzen u. dgl. in Bronze und Edelmetall geschaffen. Ein zweiter Bruder, Ludwig (geb. 1850), ist technischer Leiter der Millerschen Erzgießerei.
6) Konrad, Altertumsforscher, geb. 21. Nov. 1844 in Oppeltshofen, wurde 1868 zum Priester geweiht und wirkt als Professor am Realgymnasium in Stuttgart. Er hat sich besonders durch Herausgabe älterer Kartenwerke verdient gemacht und veröffentlichte: »Weltkarte des Castorius, genannt die Peutingersche Tafel«, in den Farben des Originals herausgegeben und eingeleitet (5 Blatt, Ravensb. 1888); »Die römischen Kastelle in Württemberg« (Stuttg. 1892); »Mappae mundi. Die ältesten Weltkarten« (das. 189598, 6 Tle.); »Die Ebstorfkarte«, Text (3. Aufl., das. 1900); »Die Herefordkarte« (2. Aufl. 1903) u. a.
7) Wilhelm von, Chemiker, Bruder von M. 5), geb. 9. Dez. 1848 in München, gest. daselbst 1. März 1899, studierte in München die Rechte, dann Chemie, habilitierte sich 1876 an der dortigen Technischen Hochschule und erhielt 1883 die ordentliche Professur für allgemeine Chemie. Er arbeitete über Rouge français, ermittelte die Konstitution des Biebricher Scharlachs und des Aldehydgrüns und lieferte interessante Untersuchungen über die Schiffschen Basen, die zur Erkenntnis der Stereoisomerie des Stickstoffes wesentlich beitrugen. Mit Döbner arbeitete er über die Synthese von Chinaldinbasen, mit Rohde über die Konstitution des Chinins und der Karminsäure. Auch untersuchte er die Einwirkung des Anilins auf Aldehydgemische aus der Fettreihe bei Gegenwart konzentrierter Salzsäure. Eingehende Untersuchungen lieferte er über den Storax. Es gelang ihm auch, mit Harz die verloren gegangene Technik der alten kyprischen Goldfäden wieder aufzufinden und gleichfalls mit Harz im Orthonitrokresolkalium (Antinonnin) ein Mittel gegen die Nonne zu finden, das auch als allgemeines Antiseptikum Wert besitzt. Das von ihm an der Technischen Hochschule gegründete Elektrochemische Laboratorium entwickelte sich zu einer Musteranstalt. Er schrieb: »Kurzes Lehrbuch der analytischen Chemie« (mit Kiliani, 5. Aufl., Münch. 1903).
8) William, s. Adventisten.[841]
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