[544] Słowacki (spr. -átzki), Juliusz, berühmter poln. Dichter, geb. 23. Aug. 1809 in Kremenez (Wolynien), gest. 3. April 1849 in Paris, erhielt seine Schulbildung in Wilna, wo sein Vater Eusebiusz S. (gest. 1814) seit 1811 und sein Stiefvater A. Becu (gest. 1824) Professoren an der Universität waren, und trat, nachdem er selbst die Universität absolviert hatte (1828), als Konzipist in das Warschauer Finanzministerium, ohne sich jedoch in den Bureaudienst finden zu können. In den folgenden Jahren entstanden seine Erstlingswerke: die poetische Erzählung »Hugo«, das Trauerspiel »Mindowe« (1829), die Dichtungen: »Mnich« (»Der Mönch«), »Jan Bielecki«, »Arab« (»Der Araber«) und das Trauerspiel »Marya Stuart« (1830; deutsch von German, Leipz. 1879), die ersten Gesänge von »Żmija«, in denen allen der Einfluß Byrons vorherrscht, dann (1831) die »Ode an die Freiheit«, die »Hymne an die Mutter Gottes«, das »Lied der Litauer Legion« etc., die seinen Namen in weitern Kreisen bekannt machten. Im März 1831 begab er sich über Dresden nach London und im September darauf nach Paris, wo er die obenerwähnten Dichtungen (1832, 2 Bde.) herausgab, die indessen nur eine kühle Aufnahme fanden, weil sie außerhalb der streng nationalen und optimistischen Richtung standen, die bis dahin die polnische Poesie beherrschte. Auch der dritte Band seiner Dichtungen (die poetischen Erzählungen: »Lambro« und »Duma o Wacławie Rzewuskim« sowie die lyrischen Gedichte: »Paryż« und »Godzina myśli« [»Die Stunde des Gedankens«]), den er von Genf aus, wo er sich im Dezember 1832 niedergelassen, veröffentlichte, fand keinen größern Anklang. Jetzt griff er kühn in die nationalen Verhältnisse und führte in dem dramatischen Gedicht »Kordyan« (Par. 1834) seinen Helden, der in den beiden ersten Akten noch auf Werther und Manfred hinweist, im dritten nach Warschau in die Mitte einer Verschwörung zur Beseitigung des Zaren Nikolaus bei Gelegenheit des Krönungsreichstags. Die patriotische Tendenz des Dichters äußert sich im glühenden Haß gegen das Zarentum; seine pessimistische Richtung verleugnet sich aber auch hier nicht, indem er den Helden im entscheidenden Augenblick erlahmen und, ohne seinen Vorsatz ausgeführt zu haben, untergehen läßt. Die bedeutendsten Schöpfungen während des Genfer Aufenthalts sind: das Trauerspiel »Mazepa« (deutsch von A. Drake im »Bühnenrepertoire des Auslandes«, Bd. 14, Berl. 1847), das dem vorigen an poetischem Schwung nachsteht, dafür aber mehr der Bühnentechnik entspricht, so daß es Repertoirestück wurde; das Trauerspiel »Balladyna« (deutsch von German, Krakau 1882), eine seiner gewaltigsten und originellsten Schöpfungen, und das lyrische Gedicht »W Szwajcaryi« (»In der Schweiz«; deutsch von Kurtzmann, Wien 1880), worin er dem kurzen Liebestraum mit einem polnischen Mädchen (Maria Wodzińska) ein unvergängliches Denkmal gesetzt hat. Im Februar 1836 begab sich S. nach Rom, wo er mit dem Grafen Sigismund Krasiński (s. d.) in freundschaftlichen Verkehr trat, unternahm dann im Spätherbst d. J. eine Orientreise, die eine Reihe neuer vortrefflicher Dichtungen veranlaßte (darunter die poetische Erzählung »Der Vater der Pestkranken in El Arisch«, deutsch von Stahlberger, Krakau 1872), und ließ sich nach seiner Rückkehr 1837 in Florenz nieder, wo er seinen Freund Krasiński wieder antraf und die im biblischen Stil gehaltene Allegorie »Anhelli« dichtete. Im Dezember 1838 nach Paris zurückgekehrt, ließ er alle seine seit »Kordyan« entstandenen Dichtungen rasch nacheinander erscheinen, darunter auch das Trauerspiel »Lilla Weneda« (deutsch von Rischka, Jaroslaw 1881), das auf dem Hintergrund der polnischen Urgeschichte den Kampf zweier Völker schildert, in dem das edlere, der pessimistischen Stimmung des Dichters entsprechend, der rohen Gewalt unterliegt. Diese letzte Periode seines Lebens wurde verbittert durch den scharfen Gegensatz zu Mickiewicz, mit dem es öffentlich zu heftigen Erklärungen kam; dazu brachte der Beitritt zu der mystischen Sekte Towiańskis, der fast alle polnischen Dichter der Emigration in seinen Kreis zu ziehen wußte, ihn auch um die Freundschaft Krasińskis. Noch sind zu nennen: das lyrisch-epische Gedicht »Beniowski« (1841), die ziemlich planlosen Dramen: »Ksiądz Marek« (»Der Priester Marek«, 1841) und »Sen srebrny Salomei« (1884) sowie als seine letzte großartige, aber unvollendet gebliebene Schöpfung »Król Duch« (»König Geist«), die eine »Legende der Jahrhunderte« der polnischen Geschichte werden sollte. Słowackis bedeutende Vorzüge beruhen auf der unvergleichlich poetischen Sprache sowie auf einem überaus kühnen Gedankenflug, worin ihm kein polnischer Dichter gleichkam; sie werden beeinträchtigt durch den Mangel an künstlerischer Ruhe in der Komposition, ja er scheint sich zuweilen absichtlich über die Kunstregeln hinwegzusetzen. Seine pessimistische, für Fehler und Gebrechen seines Volkes nicht blinde Stimmung ist die notwendige Antithese zu der optimistischen Weltanschauung der andern polnischen Dichter. Słowackis gesammelte Schriften erschienen in Leipzig (186162, 4 Bde.) sowie in Lemberg (1880, 4 Bde.; letzte Ausg., Lemb. 7894); sein Nachlaß in 3 Bänden (das. 1866, 2. Aufl. 1885) und »Briefe an seine Mutter« (das. 187576, 2 Bde.). Vgl. seine Biographie von Małecki (poln., 2. Aufl., Lemb. 1881, 3 Bde.) und von Hoesick (Warsch. 1897, 3 Bde.); Sarrazin, Les grands poètes romantiques dela Pologne. Mickiewicz, S., Krasinski (Par. 1906).