[940] Steppenflora (hierzu Tafel »Steppenpflanzen«), die in unzusammenhängenden Beständen auftretende Pflanzenwelt der Steppe. Als Steppe in pflanzengeographischem Sinn ist eine durch völliges Fehlen oder große Spärlichkeit des Baumwuchses gekennzeichnete Formation von sehr verschiedenartigem Habitus und systematischer Zugehörigkeit zu verstehen, deren wesentliches Merkmal in der lückenhaften Besiedelung des Substrats mit Pflanzenwuchs infolge von Regenarmut liegt. Je nachdem der Untergrund felsiger, sandiger, lehmiger oder salzhaltiger Natur ist, nimmt auch die Steppe einen verschiedenen Charakter an, den man nach der vorherrschenden Gewächsform als Gras-, Kraut- oder Strauchsteppe zu bezeichnen pflegt; als Waldsteppe wird eine Mischung von spärlichen Waldbeständen mit Steppenvegetation, z. B. im südlichen Ural, unterschieden. Steppe und Wüste gehen oft mit unmerklichen Abstufungen ineinander über; nur pflegt in der Steppe eine wenn auch kurze Regenperiode einzutreten, die ein schnell vorschreitendes Wachsen und Blühen der Vegetation hervorruft, während in der noch pflanzenärmern Wüste nur der nächtliche Tau und die in tiefen Bodenschichten vorhandene Feuchtigkeit die Hauptwasserquelle darstellen. Die biologischen Merkmale der S. bestehen vorzugsweise in Trockenschutzeinrichtungen. Häufig ziehen sie ihre vegetativen Teile während der dürren Jahreszeit in unterirdische Zwiebeln und Knollen ein oder überdauern sie als einjährige Gewächse in der Form von Samen; andre reduzieren ihre Blattflächen, wie die Rutengewächse (s. Textbeilage zur Tafel »Schutzeinrichtungen«), oder überziehen sich mit Filz- oder Wollbekleidung. Viele entwickeln sich als niedrige Halbsträucher oder Sträucher und besitzen dann eine mit der notwendigen Herabsetzung der Transpiration eng zusammenhängende Neigung zur Stachel- und Dornbildung, die zugleich Schutz gegen die Angriffe der in Steppengebieten verbreiteten Weidetiere gewährt. Im Gegensatz zu diesen wasserarmen Stachelpflanzen und Dornsträuchern tritt bei der Gruppe der steppen- und wüstenbewohnenden Fettpflanzen (s. Sukkulenten) unter dem Schutz einer die Transpiration stark hindernden Oberfläche eine mächtige Entfaltung von wasseraufspeicherndem Gewebe ein, die teils zur Ausbildung fleischiger Blätter, teils mit Unterdrückung der Blätter zu flachen, säulenartigen oder kugelförmigen Stammbildungen führt; auch die für Salzsteppen charakteristischen Salzpflanzen (s. d.) zeichnen sich durch Sukkulenz ihrer vegetativen Organe aus. Von systematischen Gruppen beteiligen sich an der Zusammensetzung der S. in hervorragender Weise die Kakteen mit etwa 1200 Arten, die fast ganz auf Amerika beschränkt sind und am formenreichsten von Texas bis New Mexico auftreten, aber auch an der südamerikanischen Westküste und in den dürren Hochflächen der Anden das Landschaftsbild beeinflussen. In Afrika und dem dürren Westasien werden sie durch ähnliche Formen von Euphorbia- (etwa 100 Arten), in Südafrika[940] auch durch Stapelia-Arten mit aasduftenden Blüten vertreten. Von Liliifloren gehören die in Amerika heimischen Schopfbäume von Agave, Fourcroya, Yucca, Dasylirion, in Südafrika die stacheligen Aloë-Arten, in Australien die starrblätterigen, mit einer dicken Harzschicht am Stamm bedeckten Grasbäume (Xanthorrhoea) zu den auffallendsten Xerophyten. Unter den Krassulazeen bildet die Gattung Mesembryanthemum eine aus etwa 300 Arten bestehende Gruppe von Blattsukkulenten, die ihre Heimat in den regenarmen Gebieten Südafrikas hat; hier treten auch einige fleischige Kompositen (Kleinia) auf. Eine merkwürdige, dem dürren Klima angepaßte Vegetationsform bildet im Kaplande die Dioskoreazee Testudinaria elephantipes und in der Kalahariwüste Welwitschia. Unter den Steppenbewohnern der subtropischen und gemäßigten Zone nehmen die oft mit Dornen bewehrten Tragantsträucher aus der Leguminosengattung Astragalus (Fig. 2) eine hervorragende Stelle ein; sie bewohnen mit etwa 1200 Arten vorzugsweise die Salzsteppen Asiens, Nordamerikas und Chiles sowie die alpinen Regionen Afrikas, dringen aber auch zahlreich in andre Vegetationsgebiete ein. Mehrere andre Leguminosengattungen, wie Alhagi camelorum (Kameldorn, Fig. 3), Retama, Hedysarum, Halimodendron, Ammodendron, Schotia, Acacia u. a., beteiligen sich ebenfalls an der Ausprägung von Steppenformen. Ihnen treten in Sand- und Salzsteppen an die Seite die Salsoleen (mit etwa 550 Arten) aus der Familie der Chenopodiazeen, von denen z. B. der baumartige, in der Wüste Gobi einheimische Saksaul (s. Haloxylon) und der Sulkhir (Agriophyllum gobicum), eine bis 1 m hohe Stachelpflanze der ostasiatischen Steppen, häufig in geographischen Schilderungen erwähnt werden, Arten von Anabasis (Fig. 5), Arthrocnemum (Fig. 10), ferner Polygonazeen (Caillgounin, Fig. 1, in Zentralasien und der Sahara, Muehlenbeckia in Australien), Zygophyllazeen, wie z. B. der Kreosotstrauch (Larrea mexicana) der Mohave- und Gilawüste, Plumbaginazeen, wie das in den Steppen Irans Stachelpolster bildende Acantholimon (Fig. 9), filzige Wermutsträucher (Artemisia-Arten) in den Steppen Südosteuropas, des Orients und Nordamerikas, Myrtazeen und Myoporazeen vorzugsweise in Australien, Kukurbitazeen (Acanthosicyos in Südafrika), Kruziferen (Pugionium in der Mongolei), Rosazeen (Potaninia in Zentralasien) u. a. Wichtigen Anteil an der Zusammensetzung der S. nehmen auch zwiebel- und knollenerzeugende Liliazeen, Amaryllidazeen, Iridazeen, Oxalidazeen sowie starrblätterige Gramineen (Stipa, Fig. 6, Vilfa, Aristida, Spinifex u. a.), Geraniazeen (Sarcocaulon, Fig. 7), Umbelliferen (Euryangium, Fig. 8), Tamarikazeen (Tamarix, Fig. 4), Passiflorazeen, wie der merkwürdige Echinothamnus Pechuelii (Fig. 11), dessen Büsche als riesige wulstige Klumpen auf den Felsen in Damaraland sitzen.