[827] Yünnan (Jünnan), die südwestlichste Provinz des chines. Reiches, grenzt im N. an Tibet und Sz'tschwan, im O. an Kweitschou, im S. an Tongking und die Schanstaaten, im W. an Birma und umfaßt 396,700 qkm mit 12 Mill. Einw. Der Westen wird von parallelen, von N. nach S. streichenden Gebirgsketten des Hinterindischen Systems (s. China, S. 35) mit Höhen von 45000 m eingenommen und von den Oberläufen des Salwen und Mekong in gleicher Richtung durchzogen. Der Osten ist ein hügeliges Hochplateau, vorzugsweise aus Kalkstein gebildet, der nach SO. durch den Songkoi (nach Tongking), nach O. durch die beiden Quellflüsse des Sikiang (s. d.) entwässert wird. Der Oberlauf des Yangtsekiang (Kinschakiang) bildet zum Teil die Nordgrenze. Unter den zahlreichen Seen sind die bedeutendsten der Örrhai, Tiënschi und Fuhienhu; des letztern Abfluß ist der Pataho, der Oberlauf der Hungkiang, des Hauptquellflusses des Sikiang. Die Wälder bestehen in den höchsten Lagen aus Tannen, im S. aus Hartholz, das dem Lande eigentümlich ist; hier und in den Bambus- und Rohrgebüschen hausen Elefanten, Nashörner, Tapire, Tiger, Wildschweine, zahllose schöngefiederte Vögel etc. Y. ist die metallreichste Provinz Chinas. Der Bezirk von Kütsing, nordöstlich von der Stadt Y., ist reich an Kupfer, Blei, Zink und Silber. Im SW. bestehen sieben Kupfergruben, zwischen Mekong und Salwen Silbergruben, nordöstlich vom Songkoi auf 1600 m hoher Ebene bei Kukin wichtige Kupfer-, Zinn-, Silber- und Eisenwerke; bei Mongtse Zinn-, Silber- und Bleilager; bei Tsuhsiung vier Kupfer- und mehrere Silbergruben. Auch an Rubinen, Topasen, Saphiren, Nephrit, Marmor ist das Land reich, nicht minder an Kohle und Salz. An Fruchtbarkeit des Bodens steht Y. indes hinter den meisten andern Provinzen Chinas zurück. Die Bewohner sind zum größten Teile Chinesen; etliche Hunderttausende sind Mohammedaner, von den Birmanen und Europäern Panthai (s. d.), von den Chinesen Choitsu etc. genannt. Die Panthai sind schlank, kräftig und heller als die Chinesen. Sprache und Schrift sind sehr altertümlich und dem Arabischen verwandt; Religion ist der sunnitische Islam. Obschon das öffentliche Leben chinesischen Typus trägt, herrschen im Privatleben noch indische Sitten. Die Frauen genießen weit größere Freiheit als im übrigen China; ein Teil der Bevölkerung verbrennt die Toten. Viele der einheimischen Stämme (Lolo im NO., Lissu im W.) stehen nur nominell unter chinesischer Herrschaft. Auf die Erschließung von Y. arbeiten hauptsächlich die Franzosen von Tongking aus hin, wo eine Eisenbahn bis zur Grenze bei Laokai am Songkoi bereits fertig ist und nach der Hauptstadt Y. verlängert werden soll. Die Pläne der Briten, von Indien oder Birma aus mit einer Bahn vorzudringen, sind infolge der schwierigen Bodenverhältnisse (ungeheure Cañons der Ströme) bisher unausführbar gewesen. Die Stadt Möngtse (s. d.), nahe der Grenze von Tongking, ist seit 1889 dem Fremdhandel geöffnet. Y., ehemals das Reich Tschin, der westlichen Barbaren, wurde erst 109 v. Chr. mit China vereinigt. Doch war es später wiederholt ganz oder teilweise unabhängig, bis die Mongolenkaiser das Land 1254 dauernd unterwarfen; die mongolische Dynastie hat sich in Y. und Sz'tschwan am längsten (bis 1371) gehalten. Doch war die Unterwerfung unter China zum großen Teil nur scheinbar (z. B. 1673/74 Aufstand Wu Sankueis, der für seinen Übergang von den Mingkaisern zu den Mandschu erblicher Fürst von Y. und Sz'tschwan geworden war); die Miaotse haben sich stets nur vorübergehend in den Reichsverband einordnen lassen. Und als Bedrückungen 1853 die mohammedanischen Bewohner zum Aufstand reizten, ging das Land den Chinesen verloren. Es bildeten sich zwei Reiche, die 1869 durch Sulaiman ibn-i Abd ur-Rahman, den Herrscher des Westens, zu einem vereinigt wurden. Aber 1872 eroberten die Chinesen den Hauptort Talifu und stellten ihre Herrschaft wieder her. Erforscht wurde das Land 186768 durch Garnier, der es quer durchzog, während die Engländer unter Sladen 1867 nur bis zur Grenze gelangen konnten; Margary wurde 1875 sogar getötet. Später wurde Y. durchreist von Kapitän Gill, C. Baber und der Expedition des Grafen Bela Széchényi. Neuerdings ist Y. das Ziel für ein wissenschaftliches Wettrennen zwischen Frankreich (von Tongking aus) und England (von Oberbirma aus). Vgl. Kreitner, Im fernen Osten (Wien 1881); Rocher, La province chinoise de [827] Yün-Nan (Par. 1880, 2 Bde.); Colquhoun, Quer durch Chryse (deutsch, Leipz. 1884, 2 Bde.); Pichon, Un voyage an Yunnan (Par. 1893); Courtellemont, Voyage an Y. (das. 1904).