Aufgebot

[930] Aufgebot, 1) (Proclamatio, Kirchenr.), die an 3 einander folgenden Sonntagen von dem Prediger im Hauptgottesdienst erfolgte Verkündigung einer einzugehenden Ehe, um die etwa entgegenstehenden Hindernisse zu entdecken, od. dritte Personen od. Corporationen, die etwa gegen das Eheverlöbniß mit Grund etwas einzuwenden haben, davon in Kenntniß zu setzen. Es erfolgt vor od. nach der Predigt in den, in der Diöcesankirchenordnung vorgeschriebenen Orten (überall in den Gemeinden des Brautpaars) u. der daselbst bestimmten Form. Die Wirkung des A-s ist die Erlaubniß zur Trauung, u. soll diese in einer andern Parochie geschehen, so wird über das ohne Einwand erfolgte A. ein Ledigkeils- od. Integritätszeugniß ertheilt. Wird ein Einspruch, meist in Form einer Protestation, vor dem A. gethan, so darf dies, je nach dem Grund des Einspruchs, gar nicht erfolgen; wenn während desselben, so wird mit ihm fortgefahren, aber die Trauung bis nach Austrag der Sache ausgesetzt. Von dem A. überhaupt od. dessen Zusammenfassung (so daß es nur einmaliges A. wird) kann von der geistlichen obersten Behörde, in der katholischen Kirche vom Bischof od. Generalvicar, in der protestantischen Kirche von den Consistorien, od. auch von Staatsbehörden, z.B. in Österreich u. Preußen, Dispens ertheilt werden. Wo dieser nicht als Privilegium, z.B. sonst dem alten Adel im Königreich Sachsen, auch in manchen Ländern den Militärs, zusteht, erfolgt er nur nach sorgfältiger Untersuchung des Wegfalls aller Hindernisse, namentlich durch den Integritäts- od. Ledigkeitseid der Brautleute. Die Unterlassung des A-s ohne Dispens wird an dem, das A. Vollziehenden nach der Praxis mit Verweis, Gefängniß, Geldbuße, Suspension vom Amte, in England selbst mit Deportation bestraft; die Ehe selbst bleibt aus diesem Grunde aber gültig, außer in Österreich u. England. Bei Trauungen auf dem Todtenbette erfolgt das A. nicht, u. bei höheren Ständen geschah es sonst oft in Form einer Ehrenverlesung. Stets üblich in der Christlichen Kirche ward das A. vom Papst Innocenz III. auf dem 4. Lateranischen Concil 1215 angeordnet, auf dem Tridentinischen näher bestimmt. In Frankreich erfolgt das A. nach dem Code civil durch den Civilbeamten an 2 Sonntagen innerhalb 8 Tagen vor dem Gemeindehause. In ähnlicher Weise da, wo die Civilehe (s.d.) eingeführt ist. 2) (Kriegsw.), Aufruf des Landesherrn zum gesetzlichen Ergreifen der Waffen. Die Einrichtung ist die von jeher, bei halbgebildeten Völkern stets, bei gebildeten im Nothfall Statt findende. Schon die Juden boten bei wichtigen Kriegen (so z.B. Saul) das ganze Volk auf, hatten aber viele Ausnahmen, wie z.B. die, welche ein neugebautes Haus noch nicht eingeweiht, od. die Früchte eines neugepflanzten Weinbergs noch nicht genossen hatten, die Neuvermählten etc. befreit waren. Bei den Germanen war jeder Wehrhafte zum Kampfe verpflichtet. In den von Germanen gegründeten Verfassungen erhielt sich die Einrichtung als Heerbann, Reichs- u. Landfolge. In neueren Zeiten hat sie sich als Landwehr u. Landsturm (A. in Masse), s. b., wieder gezeigt. 3) Die aufgebotene Mannschaft selbst; bei Landwehren gibt es, z.B. in Preußen, gewöhnlich 2 A-e, das 1. aus Leuten von 20–35, das 2. von 36–45 Jahren bestehend.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 1. Altenburg 1857, S. 930.
Lizenz:
Faksimiles:
Kategorien: