[169] Civilehe, die Ehe, welche nach der bürgerlichen Gesetzgebung des Staates mittelst eines bürgerlichen Rechtsactes, in der Regel durch eine Verhandlung vor einem Beamten des Civilstandes, vollzogen u. nur nach bürgerlichen Gesetzen in ihrer Fortdauer, ihren Wirkungen u. ihrer Aufhebung beurtheilt wird Im Gegensatz zu der Kirchlichen Ehe, deren Eingehungsform, Rechtsgültigkeit u. Trennung nach kirchenrechtlichen Grundsätzen u. durch geistliche Behörde beurtheilt wird, sind bei der C. alle diese Fragen, wie ein jedes andere bürgerliche Verhältniß, Gegenstand der Staatsgesetzgebung, u. nur die weltlichen Behörden sind über entstandene Ehestreitigkeiten zur Cognition berufen. Während in den Staaten, welche die C. nicht kennen, die bürgerliche Gültigkeit u. die bürgerliche Auflöslichkeit der Ehe nach den Gesetzen der Kirche od. doch nach den von einer jeden einzelnen Glaubenspartei gebilligten Religionsgrundsätzen beurtheilt wird, u. so eine jede Glaubenspartei in diesen Staaten ihr eigenes Eherecht hat, ist das Civileherecht seinen Principien nach auf alle Unterthanen jedweden Glaubensbekenntnisses berechnet, so daß einem jeden Staatsbürger nur das Recht verbleibt, nicht aber die Verbindlichkeit obliegt, in Beziehung auf die Abschließung od. Trennung einer Ehe die Grundsätze seiner Kirche zu befolgen, diese Grundsätze aber in keinem Falle für od. wider die bürgerliche Gültigkeit einer Ehe angeführt werden können. So geschieht bei der C. z.B. die Abschließung der Ehe (die Bürgerliche Trauung) vor den Beamten des Civilstandes. Es steht nun zwar den Betheiligten frei, die so abgeschlossene Ehe von einem Geistlichen einsegnen zu lassen, aber diese kirchliche Einsegnung ist weder vom Gesetz geboten, noch für sich hinreichend, einer Verbindung die Eigenschaft einer bürgerlich gültigen Ehe zu geben. So können z.B. auch Eheleute, welche Mitglieder der Katholischen Kirche sind, in den Fällen, in welchen die bürgerliche Gesetzgebung die Ehescheidung überhaupt zuläßt, geschieden werden, aber kein Gesetz verpflichtet die Katholische Kirche, die von dem Staate ausgesprochene Ehescheidung auch in kirchlicher Hinsicht anzuerkennen. In der Gestalt, wie die C. jetzt in den Gesetzen der modernen Staaten als Rechtsinstitut auftritt, ist dieselbe erst eine Schöpfung der französischen Revolutionszeit, indem bis dahin, durch das ganze Mittelalter hindurch, sowohl in Frankreich, als in allen anderen Ländern, das Eherecht ganz in den Händen der Geistlichkeit sich befand. In den Staaten des Alterthums wurde die Ehe zwar auch zum Theil nur als bürgerliches Rechtsinstitut betrachtet, doch kann man von einer C. bei denselben im eigentlichen, jetzt gebräuchlichen Sinne nicht sprechen, indem das Alterthum die Scheidung zwischen Staat u. Kirche, wie diese Begriffe im heutigen Leben genommen werden, nicht kannte. Einen Schritt zur Annäherung an das System der C. machte allerdings die Reformation, indem der Protestantismus von dem sacramentalen Begriff der Ehe, auf welchen die Katholische Kirche bes. die Beherrschung des Eherechtes stützt, abging, u. manche protestantische Kirchenrechtslehrer haben deshalb auch die Meinung aufgestellt, daß die Protestantische Kirche in der That ein eigentlich kirchliches Eherecht nicht kenne, indem das, was man in der Regel protestantisches Eherecht nenne, in der That nur ein bürgerliches Eherecht sei, das blos zufällig auf der[169] von den Protestanten gebilligten Auslegung der Heiligen Schrift beruhe. Dessenungeachtet wurde auch in den meisten protestantischen Ländern, selbst wo man anerkannte, daß die ehelichen Verhältnisse zunächst nur Gegenstand der Staatsgesetzgebung seien, die geistliche Obrigkeit als Richterin in Ehesachen beibehalten, obwohl der ursprüngliche rein politische Grund dieser Einrichtung, daß die Protestanten nämlich dadurch die Gerichtsbarkeit der Reichsgerichte ausschließen u. sich vor der Cognition katholischer Regenten in ihren Ehesachen sicher stellen wollten, jetzt fast ganz vergessen ist. Ganz andere Principien stellte dagegen die französische Gesetzgebung auf, als schon in der ersten Zeit der Revolution die Ordnung des bürgerlichen Rechtes überhaupt zur Sprache kam. Man wollte den Staat u. die Staatsgesetzgebung überhaupt u. mithin auch in dem Eherechte von der Kirche unabhängig machen. Deshalb enthielt schon die Constitution von 1791 den Grundsatz, daß das Gesetz die Ehe nur als einen bürgerlichen Vertrag (Gesellschaftsvertrag) betrachte. Dieser Grundsatz wurde hierauf durch mehrere Specialgesetze vom 20. Septbr. 1792, vom 8. Nivose u. 4. Floreal des Jahres II., vom 24. Vendemière u. 15. Thermidor des Jahres III. noch näher festgesetzt u. dabei freilich bes. die Aufl ösbarkeit der Ehe in einer Weise hingestellt, durch welche die Würde u. Heiligkeit der Ehe auf das Empfindlichste blosgestellt wurde. Die spätere Gesetzgebung mußte daher nothwendig wieder einlenken; dies that der Code civil, dessen Recht noch heutzutage im Wesentlichen das gültige Eherecht für Frankreich enthält. Man blieb dabei zwar dem Grundsatz getreu, daß die Ehe unabhängig von den religiösen Ansichten der Bürger, allein den Gesetzen des Staates zu unterfallen habe; andererseits suchte man derselben doch die Heiligkeit u. Würde wiederzugeben, indem man namentlich bezüglich der bei der Abschließung derselben zu beobachtenden Förmlichkeiten, der Ehehindernisse u. der Gewalt des Mannes über die Frau sich wieder an das ältere Recht anschloß. a) Für den Abschluß sind hiernach folgende Förmlichkeiten vorgeschrieben: Vorausgehen müssen zwei Aufgebote, welche an zwei auf einander folgenden Sonntagen vor dem Eingange des Gemeindehauses statt zu finden haben. Diese Aufgebote müssen an den Orten vorgenommen werden, an welchen ein jedes der beiden Contrahenten domicitirt ist, od. sich seit 6 Monaten aufhält, welchenfalls die Proclamirung auch am früheren Wohnorte vorzunehmen ist, sowie in der Gemeinde, in welcher diejenigen sich aufhalten, unter deren Gewalt die Brautleute etwa noch stehen. In jener ganzen Zwischenzeit von 8 Tagen muß die betreffende Acte an dem Gemeindehause angeschlagen sein. Die Vermählung darf frühestens 3 Tage nach dem zweiten Aufgebote u. zwar nur an dem gewöhnlichen Wohnorte eines der beiden Betheiligten stattfinden. Der Civilstandsbeamte (weltliche Ortsvorstand) hat, falls kein Einspruch erfolgt ist, den Brautleuten in Gegenwart von 4 Zeugen die Bestimmungen des Gesetzes über die gegenseitigen Rechte u. Pflichten der Eheleute vorzulesen u. sodann sich von jedem der Brautleute einzeln die Erklärung geben zu lassen, daß sie sich zum Manne u. zur Fraunehmen wollen, worauf er sie Namens des Gesetzes durch das Band der Ehe verbunden erklärt u. hierüber eine, den ganzen Vorgang darstellende öffentliche Urkunde ausfertigt. Die Ehe ist hierdurch rechtsgültig geschlossen. b) Die Trennung der Ehe erfolgt in gleicher Weise durch eine Erklärung des Civilstandsbeamten, welche derselbe indessen nur Kraft eines über die Auflösung der Ehe vorher ergangenen rechtskräftigen Erkenntnisses abgeben kann. Alle Anträge auf Scheidung müssen daher vorher in Klageform zunächst vor die weltlichen Gerichte gebracht u. von diesen rechtlich entschieden werden. Nach dem ursprünglichen Rechte des Code civil konnte die Scheidung entweder völlig (quoad vinculum), od. nur von Tisch u. Bett (a toro et mensa) erfolgen; als Scheidungsursachen waren theils bestimmte Gründe (pour cause déterminée), wie Ehebruch grobe Mißhandlungen, entehrende Strafen, od. Übereinstimmung beider Ehegatten (Consentement mutuel) anerkannt. Ein neues Gesetz vom 8. März 1816 hat hieran insofern wesentlich geändert, als es die völlige Ehescheidung durchweg aufgehoben hat u. nur noch Ehescheidungen von Tisch u. Bett gestattet; daher auch alle Gründe, welche sonst zu einer völligen Ehescheidung berechtigten, nur noch als Gründe für eine Scheidung von Tisch u. Bett gelten läßt; die Scheidung auf den Grund gegenseitiger Übereinkunft aber ganz verboten hat. In England wurde zwar schon durch ein Statut vom 24. Aug. 1653 vorübergehend die Ehe als ein rein weltliches Rechtsverhältniß aufgefaßt. Ihre Schließung sollte vor dem Friedensrichter u. ihre Einrichtung durch den Beamten für Beurkundung der Personenstandsregister erfolgen. Allein diese Einrichtung kam unter der Restauration wieder außer Anwendung, u. es trat das früher bestandene Verhältniß wieder ein, nach welchem die Ehe vor den Geistlichen abgeschlossen wurde, u. König Wilhelm III. führte mit Bezug hierauf sogar für die Geburten, Trauungen u. Beerdigungen eine Steuer ein, welche die Geistlichen zu erheben hatten. Durch Gesetze vom 17. Aug. 1836 u. 30. Juni 1837 erfolgte eine durchgreifende Regelung der hier einschlagenden Verhältnisse. Ein bei Berathung dieser Gesetze von Peel eingebrachter Vorschlag, die Ehe ganz als bürgerliches Verhältniß nach Vorgang der französischen Gesetzgebung zu behandeln u. die Erfüllung der religiösen Erfordernisse lediglich dem Gewissen des Einzelnen zu überlassen, fand keinen Eingang. Indem man vielmehr auf der einen Seite die Rechte der Bischöflichen Kirche zu wahren u. die religiöse Bedeutung der Ehe auch für diejenigen zu erhalten bemüht war, welchen der Segen der Kirche als die Grundlage u. der nothwendige Anfang eines sittlich würdigen ehelichen Verhältnisses gilt, auf der anderen Seite aber ebensowenig denjenigen Zwang auflegen wollte, welche nach ihren Religionsgrundsätzen die Schließung der Ehe nicht mit Cultushandlungen verknüpfen, erstrebte man eine Vermittelung der Gegensätze in den religiösen Auffassungen über Heiligkeit der Ehe durch das Nebeneinanderstellen verschiedener Formen für dieselbe, zwischen welchen den Brautleuten freie Wahl gelassen wird. Die verschiedenen Schließungsformen sind: a) Schließung mit Dispensation des Erzbischofs von Canterbury unter Entbindung von dem Aufgebot u. der Trauung in der Pfarrkirche; b) Schließung in der Pfarrkirche nach dem Ritus der Bischöflichen Kirche; c) Eheschließungen der Quäker unter sich u. der Juden unter sich auf Grund des von dem Aufseher der[170] Civilstandsregister zu ertheilenden Meldescheins; d) religiöse Vollziehung in einem Gotteshause auf Grund der von dem Aufseher der Register ertheilten Erlaubniß; e) Reine C. Sie wird auf Grund des von dem Aufseher der Register ertheilten Scheins in dem Geschäftslocal u. in Gegenwart desselben ohne Beachtung religiöser Gebräuche geschlossen. Die von den Brautleuten in den Fällen sub d)) u. e) abzugebende Erklärung, durch welche die Absicht der Eheschließung ausgesprochen wird, ist bestimmt vorgeschrieben. Über den Act wird eine Urkunde aufgenommen. Über die sonstige Schließung der C. in Schottland s. u. Graithuey Green. Belgien hat, nachdem im Jahre 1814 ein Gesetz über die Nothwendigkeit kirchlicher Trauung gegeben war, die C. im Jahre 1817 wieder eingeführt. In Deutschland hat die C., abgesehen von denjenigen Ländern, welche auch nach Aufhören der französischen Occupation Französisches Recht beibehielten, nur wenig Fuß gefaßt. In umfassenderer Weise wurde dieselbe hier zuerst in Preußen durch die Verordnung vom 30. März 1847 für diejenigen Unterthanen eingeführt, welche aus den gesetzlich anerkannten Religionsgemeinschaften ausgetreten sind. Als Beamte des Civilstandes ist die bürgerliche Obrigkeit erster Instanz bestimmt. Allgemeinere Verbreitung schien das Institut der C. in Folge der Bewegungen des Jahres 1848 finden zu sollen, doch ist es bis jetzt in keinem Staate ernstlich dazu gekommen. Für Preußen enthält die revidirte Verfassungsurkunde vom 31. Jan. 1850, Art. 19, nur die Bestimmung, daß die Einführung der C. nach Maßgabe eines besonderen Gesetzes erfolgen solle, ohne daß jedoch das Gesetz selbst bis jetzt erschienen ist. In ähnlicher Weise wurde im Großherzogthum Oldenburg das Versprechen, daß für jede zulässige Ehe das Gesetz eine gültige Form der bürgerlichen Eingehung zu gewähren habe, durch das revidirte Staatsgrundgesetz vom 22. Novbr. 1852 ertheilt, ohne daß indessen auch hier dem Versprechen bisher eine Gewährung gefolgt wäre. In Kurhessen war die C. durch ein Gesetz des Märzministeriums eingeführt, aber nach der Restauration 1851 wurde die kirchliche Trauung nachträglich noch von Allen verlangt, welche in der Zwischenzeit eine C. ohne kirchliche Trauung eingegangen hatten. In Österreich sollte sie auch eingeführt werden, allein schon die 1849 octroyirte Reichsverfassung enthielt davon Nichts weiter. Die Ansichten über den Werth der C. sind sehr getheilt. Die Gegner derselben behaupten, daß durch das Bestehen der C. die Sittlichkeit leide, u. weisen darauf hin, daß der Ehevertrag nicht blos ein bürgerlicher Act sei u. daß derselbe, der so großen Einfluß auf das Schicksal der Ehegatten habe, am würdigsten durch eine kirchliche Weihhandlung geschlossen werde. Von der anderen Seite wird dagegen eingehalten, daß in dem Augenblicke, wo der Staat die Gleichstellung aller Confessionen unter Aufhebung einer Staatskirche u. einer herrschenden Religion ausspricht, er auch auf eine Form bedacht sein müsse, welche ausspricht: der Staat betrachtet die Ehe als ein höchst heiliges Verhältniß, aber er muß es auch dem Bürger möglich machen, die Ehe einzugehen, unabhängig von einer anderen Gewalt; daß der Staat, wenn er die C. nicht einführt, sich einer fremden Gewalt, der Kirche, unterwirft, u. dann entweder das gelten lassen muß, was die Kirche ausspricht, od. in Collisionen mit der Kirche geräth; daß es für den Staat welcher die C. eingeführt hat, keine gemischten Ehen u. hiermit nicht die von solchen unzertrennlichen Mißverhältnisse gibt; daß bei der C. der Staat keine nur nach den Ansichten einer einzelnen Religionspartei vorhandenen (kirchlichen) Ehehindernisse anzuerkennen braucht; daß den Geistlichen eine Menge unangenehmer Erörterungen u. Geschäfte durch Einführung der C. abgenommen werden. So viel steht in letzterer Beziehung fest, daß, wo auch die C. besteht, regelmäßig neben der bürgerlichen auch die kirchliche Trauung vorkommt, bes. besteht in Frankreich die Sitte, daß regelmäßig am Samstag die Gatten vor dem Bürgermeisteramt bürgerlich getraut werden, an diesem Tage die Braut in das Haus ihrer Eltern zurückkehrt u. dann am Sonntage nach beendetem Gottesdienst die kirchliche Trauung vollzogen wird, worauf erst die Frau dem Manne folgt.
Buchempfehlung
Nachdem im Reich die Aufklärung eingeführt wurde ist die Poesie verboten und die Feen sind des Landes verwiesen. Darum versteckt sich die Fee Rosabelverde in einem Damenstift. Als sie dem häßlichen, mißgestalteten Bauernkind Zaches über das Haar streicht verleiht sie ihm damit die Eigenschaft, stets für einen hübschen und klugen Menschen gehalten zu werden, dem die Taten, die seine Zeitgenossen in seiner Gegenwart vollbringen, als seine eigenen angerechnet werden.
88 Seiten, 4.20 Euro
Buchempfehlung
Zwischen 1765 und 1785 geht ein Ruck durch die deutsche Literatur. Sehr junge Autoren lehnen sich auf gegen den belehrenden Charakter der - die damalige Geisteskultur beherrschenden - Aufklärung. Mit Fantasie und Gemütskraft stürmen und drängen sie gegen die Moralvorstellungen des Feudalsystems, setzen Gefühl vor Verstand und fordern die Selbstständigkeit des Originalgenies. Michael Holzinger hat sechs eindrucksvolle Erzählungen von wütenden, jungen Männern des 18. Jahrhunderts ausgewählt.
468 Seiten, 19.80 Euro