Brougham

[343] Brougham (spr. Bruhm), Henry B. and Vaux, Lord Edinburgh, geb. 1779 in der Grafschaft Westmoreland auf seinem väterlichen Gute, wurde in Edinburgh bei seinem Oheim, dem Historiker Robertson, erzogen; trat 1803 als Sachwalter in den schottischen Gerichten auf u. war Mitbegründer des kritischen Journals Edinburgh Review, welches wegen seiner scharfen Beurtheilung der bestehenden politischen u. socialen Mißbräuche u. veralteter Einrichtungen bald großes Aufsehen erregte u. seitdem eine der bedeutendsten u. einflußreichsten Zeitschriften Großbritanniens wurde. 1808, nachdem er wegen einiger Schriften über Optik u. Geometrie von der Royal Society zu ihrem Mitgliede erwählt worden war, siedelte B. nach London über u. betrieb dort die Advocatur. Berufen, die Interessen der Handelstreibenden von London u. Liverpool, welche auf Aufhebung der gegen Napoleons Continentalsperre gerichteten Orders in council drangen, vor dem Unterhause zu vertreten, erweckte er durch sein ungewöhnliches Rednertalent allgemeine Aufmerksamkeit u. bewirkte, daß er 1810 für den Flecken Camelford ins Parlament gewählt wurde, wo sein Antrag, den Sklavenhandel für ein Capitalverbrechen zu erklären, 1811 von beiden Häusern angenommen u. zum Gesetz erhoben wurde. Seitdem nahm er an allen wichtigen Verhandlungen Theil u. bekundete ein eben so umfangreiches Wissen, wie einen seltenen politischen Scharfblick. Was er als Advocat gegen die den Handel der Neutralen vernichtenden Restrictionsmaßregeln der Regierung nicht erreichen konnte, errang er 1812 durch die überzeugende Kraft seiner Rede im Unterhause, die das Zurückziehen jener Orders in council zur Folge hatte. Im Jahre 1816 wirkte er bes. auf eine bessere Organisation des Unterrichtswesens hin u. setzte die Errichtung des Committee on education durch, wodurch die Stiftungsschulen unter Staatscontrole kamen. In demselben Jahre besuchte er in Como die Prinzessin von Wales, die ihn hier zu ihrem Sachwalter gegen die vom Ministerium gegen sie beantragte Scheidung wegen Ehebruchs wählte. Als dieselbe 1820 nach England zurückkehrte, vertheidigte B. im Oberhause ihre Ansprüche auf die Rechte einer britischen Königin u. setzte ihre Freisprechung durch. Dieser Triumph der Beredtsamkeit B-s erhöhte seinen Ruf u. sein Ansehen in der öffentlichen Meinung, zumal die Volksstimme für die Königin war. 1819 gründete er eine Kleinkinderschule in Westminster, wurde einer der eifrigsten Beförderer einer Bildungsanstalt für Handwerker u. befördete die Stiftung einer Gesellschaft zur Verbreitung gemeinnütziger Kenntnisse, so wie die Gründung der Londoner Universität. 1825 wurde er Lord-Rector der Universität Glasgow u. unterstützte als Gegner des Ministeriums Wellington-Peel 1828_–29 kräftig die Emancipation der Katholiken u. die Verbesserung der Rechtspflege u. 1830 die Abschaffung der Sklaveren in WIndien. In demselben Jahre hatte sein Antrag auf Verbesserung des Repräsentationssystems den Rücktritt des Ministeriums Wellington zur Folge, u. B. trat in das Whigministerium Grey als Lordkanzler ein. An den großen Reformen, welche dieses Ministerium vornahm, hatte B. den meisten Antheil, so an der Reform der Parlamentswahlverfassung, der Municipalverfassung, des Armenwesens, der Emancipation der Sklaven etc. Eine Collision, die er 1834 mit dem Premierminister hatte, bestimmte diesen zurückzutreten, während B. in das Ministerium Melbourne überging, aber im November desselben Jahres erhielt er in Folge eines Conflicts mit Lord Durham, bei einem zu Ehren des Grafen Grey in Edinburgh veranstalteten Festessen, seine Dimission. Von da an trat B. immer entschiedener dem Ministerium entgegen, obgleich er derselben Partei angehörte, u. bei Gelegenheit der Rebellion von Canada kam es zwischen ihm u. der liberalen Partei zum völligen Bruch, als er die Maßregeln Lord Durhams, der als Regierungscommissär nach der aufrührerischen Colonie gesandt war, mit der Bitterkeit eines persönlichen Gegners angriff. Das 1841 aus Ruder kommende Ministerium Peel unterstützte er in der Beförderung des Freihandels u.[343] der Rechtsreformen, eben so das 1846 folgende Whigministerium. In dieser Zeit gründete er die Law amendement Society, eine Gesellschaft, die sich die Verbesserung der Rechtspflege zur Aufgabe machte, u. steht derselben noch jetzt als Präsident vor. Auch die National association for the promotion of social science trat auf seinen Betrieb ins Leben. Er schr.: Inquiry into the colonial policy of the europ. powers, Lond. 1803, 2 Bde.; Practical observations upon the education of the people, 1825; A discourse on the objects etc. of science, 1827; Political philosophy, Lond. 1844, 3 Bde.; Historical and political dissertations, Lond. 1857. Seine bedeutendsten Reden erschienen gesammelt Edinb. 1838, 4 Bde.; Sketches of statesmen in the time of George III., ebd. 1839; British constitution, 1844; Lives of men of letters who flourished in the time of George III., 1846 f., 2 Reden; Dialogues on instinct, 1847.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 3. Altenburg 1857, S. 343-344.
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