Bundesschiedsgericht

[455] Bundesschiedsgericht, eine eigenthümliche Instanz des deutschen Bundesrechts, welche durch einen Bundesbeschluß vom 30. Oct. 1834 geschaffen wurde. Die Idee zur Errichtung des B-s wurde zuerst auf den Wiener Ministerialconferenzen gefaßt, u. dasselbe dazu bestimmt, um für Streitigkeiten zwischen Regierung u. Ständen über Auslegung u. Anwendung der bestehenden Verfassung, namentlich bezüglich der Grenzen, der den Ständen bei der Ausübung einzelner Regierungsrechte eingeräumten Mitwirkung u. der Größe der Steuerbewilligung für die Dauer einer Steuerperiode, eine entscheidende Behörde zu gewinnen. Das B. entscheidet daher der Regel nach nur zwischen Regierung u. Ständen eines u. desselben Bundesstaats (in den Freien Städten zwischen Rath u. Bürgerschaft) u. ist sonach von dem austrägalgerichtlichen Verfahren (s.u. Austrägalgericht) wohl zu unterscheiden. Die Berufung auf die Entscheidung des B-s steht nur der betreffenden Regierung nach Erschöpfung aller durch die Landesverfassung gebotenen Mittel zur Erledigung des Streites, nicht aber auch den Landständen zu. Wollen Letztere daher den Weg schiedsrichterlicher Entscheidung durch das B. betreten, so haben sie sich zuvörderst hierüber mit ihrer Regierung zu vereinbaren. Ausnahmsweise ist es aber auch den Bundesgliedern gestattet, bei Streitigkeiten zweier verschiedener Staaten unter einander von dem B. Gebrauch zu machen u. die Entscheidung durch dasselbe anstatt des Austrägalverfahrens zu wählen. Um das Schiedsgericht zu bilden, ernennt jede der 17 Stimmen des engern Rathes der Bundesversammlung aus den von ihr repräsentirten Staaten von 3 zu 3 Jahren zwei Spruchmänner, von denen der eine im juristischen, der andere im administrativen Fache erprobte Kenntnisse haben muß. Wird von einer Regierung der Weg einer bundesschiedsrichterlichen Entscheidung betreten, so sind dann auf erstattete Anzeige derselben an die Bundesversammlung aus der bekanntgemachten Liste der 34 Spruchmänner 6 Schiedsrichter, 3 von der Regierung u. 3 von den Ständen zu erwählen, welche hierauf noch einen Obmann aus der Zahl der übrigen Spruchmänner zu wählen u. alsdann mit diesem die schiedsrichterliche Entscheidung für den einzelnen Fall abzugeben haben. Dem Übereinkommen bleibt es indessen überlassen, sich auch[455] auf eine Zahl von 2,4 od. 8 Schiedsrichtern zu vereinigen. Die von der betheiligten Regierung ernannten Spruchmänner bleiben aber jedenfalls von der Wahl ausgeschlossen. Ist die Wahl der Schiedsrichter binnen 4 Wochen nach der Mittheilung der Liste der Spruchmänner nicht erfolgt, so ernennt statt des säumigen Theils die Bundesversammlung die letzteren. Die Schiedsrichter versammeln sich an dem von beiden Theilen zu bestimmenden od., in Ermangelung einer Übereinkunst, von der Bundesversammlung zu bezeichnenden Orte u. haben den Fall lediglich nach ihrem Gewissen u. eigener Einsicht, spätestens binnen 4 Monaten, von Ernennung des Obmannes an gerechnet, zu entscheiden. Der schiedsrichterliche Ausspruch hat sodann ganz die Kraft eines austrägalgerichttichen Erkenntnisses u. unterliegt daher, wie dieses, der Bundesexecutionsordnung. Bei Streitigkeiten über die Ansätze eines Budgets erstreckt sich die Kraft des Schiedsspruches auf die Dauer der Steuerbewilligungsperiode; die Kosten des Verfahrens hat der Staat zu tragen. – Obwohl das B. sehr wohlthätig hätte wirken können, so ist dasselbe doch wegen der vielen Vorbedingungen, an welche die Anrufung desselben geknüpft ist, noch in keinem einzigen Falle in Wirksamkeit getreten. Eine erweiterte Wirksamkeit sollte das B. erhalten, welches nach dem sogenannten Drei königsbündniß vom 26. Mai 1849 unter dem 2. Juli desselben Jahres zu Erfurt installirt wurde (s.u. Teutschland), aber den Bestand dieses Bündnisses selbst nicht überdauerte.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 3. Altenburg 1857, S. 455-456.
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