[456] Bundesstaat, 1) (Föderativstaat), die Vereinigung mehrerer Staaten zu einem Staatsganzen, welches Souveränetätsrechte ausübt, d.h. das Recht, Krieg zu erklären u. Frieden zu schließen, Gesandte bei fremden Staatsregierungen zu halten u. von diesen zu empfangen, Anleihen zu contrahiren, Steuern aufzulegen u. ein Heer aufzubieten; aber in die innere Verwaltung seiner Staatsglieder nur insofern eingreift, als es das allgemeine Interesse des ganzen Staates erheischt, so beim Münz-, Maß- u. Gewichtswesen, beim Post-, Telegraphen- u. Handelsverkehr. Der B. hält sonach unter den verschiedenen Staatsformen die Mitte zwischen dem einheitlichen Staate, dessen Provinzen unmittelbar von der Staatsgewalt abhängen u. keine Organe mit legislatorischer Befugniß besitzen, u. dem Staatenbunde, einer Vereinigung mehrerer souveräner Staaten zur Verwirklichung gemeinsamer Zwecke, welche ein dauerndes Bundesverhältniß u. einen engeren Anschluß als bei einem Bündniß (s.d.) bedingen. Bundesstaat u. Staatenbund stimmen gegenüber dem Bündniß darin überein, daß beide nur von wütisch aneinandergrenzenden od. durch Wasserstraßen in ungehindertem Verkehr stehenden Staaten gebildet werden können, daß beide durch Centralbehörden repräsentirt sind u. in dieser nach Außen hin als eigenes Rechtssubject eine Vertretung finden Wesentlich unterschieden ist der B. vom Staatenbunde dadurch, daß die Beschlüsse seiner Centralregierung unmittelbar bindende Kraft für alle Staatsangehörige haben, während im Staatenbunde solche Beschlüsse, nur wenn sie von den Einzelstaaten publicirt werden, für die Angehörigen derselben, da diese nicht als Unterthanen der Centralregierung zu betrachten sind, Gesetzeskraft erhalten; ferner dadurch, daß im B. die Vertreter der einzelnen Staaten bei der Centralregierung nicht nach besonderen Instructionen der Territorialregierung, sondern nach freiem Ermessen an Verhandlungen u. Beschlüssen Theil nehmen; endlich daß das Gesandtschaftsrecht ein unbeschränktes ist, während der Staatenbund dasselbe nur in Bezug auf die vertragsmäßig festgestellten Bundeszwecke ausübt, wogegen es jedem seiner Mitglieder freisteht, sich durch besondere Gesandten auswärts vertreten zu lassen. Da der Staatenbund keine Unterthanen, sondern nur Mitglieder kennt, so kann er auch keine gemeinsame Armee aufstellen u. zur Deckung seiner Ausgaben keine Steuern ausschreiben. Erheischt die Durchführung eines Bundeszweckes die Waffengewalt, so treten die Bundescontingente aus den Armeen der Einzelstaaten zusammen, während die Kosten der Verwaltung od. einer gemeinsamen Unternehmung als Matricularbeiträge repartirt werden. Unter den Bundesstaaten der Neuzeit sind die bemerkenswerthesten die Schweizer Eidgenossenschaft u. die Nordamerikanische Union, beide hervorgegangen aus einem, von einer kleinen Zahl souveräner Staaten gebildeten Staatenbunde, dort aus den 3 Urcantonen, hier aus den 13 Colonieen, welche 1776 die Unabhängigkeitserklärung unterzeichneten. Die Amerikanische Union ging schon 1787 vom Staatenbunde zum Bundesstaate über u. hat seitdem einen Zuwachs von 18 Staaten erhalten. Bei der Schweiz trat diese staatliche Umbildung erst im Jahre 1848 ein, wo der Zweck des Bundes dahin erweitert wurde, daß auch der Schutz der Freiheit u. der Rechte der Eidgenossen u. Beförderung ihrer gemeinsamen Wohlfahrt zur Aufgabe der Bundesbehörde zählt. Die oberste Gewalt wurde der Bundesversammlung, die Executive dem Bundesrath u. die Rechtspflege, insofern einzelne Cantone od. der Bundesstaat selbst als Partei auftritt, dem Bundesgericht übertragen. Der, bedeutendste Staatenbund der Neuzeit ist der Deutsche B., hervorgegangen aus den durch die Machtschwächung der Kaiser zur Souveränetät gelangten deutschen Reichsfürsten u. freien Städte u. am 8. Juni 1815 gestiftet. Der Versuch, ihn in einen Bundesstaat umzuwandeln, schlug im Jahre 1848 fehl, s. Deutscher Bund; 2) zwei od. mehrere selbständige Staaten, die einen gemeinsamen Herrscher haben (Dynastischer Staatenbund, Personalunion). Ein solches Verhältniß bestand ehemals zwischen England u. Irland u. zwischen Österreich, Ungarn u. der Lombardei. In beiden Fällen hat die. Personal der Realunion Platz gemacht, wenn auch noch keine völlige Verschmelzung der verschiedenen Bestandtheile zu einem gleichmäßig organisirten Staatsganzen erfolgt ist. Gegenwärtig sind noch Schweden u. Norwegen, Dänemark u. Holstein durch Personalunion verbunden. Ein ähnliches Verhältniß findet bei Rußland u. Polen statt.