Cherbourg

[911] Cherbourg (spr. Schärbuhr), 1) Arrondissement im französischen Departement la Manche; 171/2 QM. u. 82,000 Ew. in 5 Cantonen; 2) Hauptstadt des Arrondissements, am äußersten Ende der Halbinsel Contentin u. der Mündung des Küstenflüßchens Divette in den Kanal (la Manche), einer der wichtigsten Häfen Frankreichs. Der Hafen theilt sich in den, in den Felsen Galet gesprengten Kriegshafen, der 50 Linienschiffe fassen kann u. eine bastionirte Umfassung mit Graben hat, u. in den davon getrennten Handelshafen. Die Rhede ist durch einen 10,300 Fuß langen, oben 90 Fuß, unten 235 Fuß breiten, im Halbkreis in das Meer gebauten Damm geschlossen; 500,000 Cubikfuß Steine u. Felsblöcke sind dazu in das Meer versenkt. Die Rhede wird durch das Fort royal (auf der Insel Pelée), durch das Fort d'Artois, das den Kriegshafen schützt, durch das von Querceville, durch noch 2 Forts u. durch die Rhedebatterie in Norden gedeckt u. bietet einen sichern Ankerplatz Außerdem ist die Stadt mit einer gut bastionirten Umwallung umgeben. Der Hafen hat den Fehler, daß er sehr verschlämmt, daher stets von einem Dampfbagger gebaggert werden muß u. daß er, da er keine Thore hat, den Stürmen ausgesetzt ist. Die Stadt ist unregelmäßig gebaut, hat aber schöne Promenaden, Seehospital, Schauspielhaus, königlich akademische Gesellschaft, Gemäldegallerie, Tribunal erster Instanz, Antiquitätencabinet, College, Schifffahrtsschule, öffentliche Bäder, Börse, Freischule, Schifffahrt, Arsenal, Werfte, Magazine, Fabriken in Tuch, Chemikalien, Spiegel, Glas, Soda (aus Tang), Lohgerbereien, Zuckerraffinerien, Salzschlämmereien, große Bleiche, Zirkelsägemaschine für Fournuren, großen Holzhof, treibt Handel mit Eiern nach England, Getreide, Wein, Branntwein, Räucherwaaren, Granit, Schiefer etc.; 24,000 Ew.; Eisenbahn projectirt nach Caen zum Anschluß nach Paris. – Ch. wurde nach der merowingischen Zeit angelegt u. hieß Anfangs Carusburg u. war ein festes Schloß. 1298 wurde das zur Stadt gewordene Ch. von den Franzosen eingenommen; 1418 nahmen es die Engländer, mußten es aber 1450 an die Franzosen übergeben. Im August 1758 eroberten es die Engländer durch General Bligh u. zerstörten die Hafenbauten Belidors. 1787 begann Ludwig XVI. nach Cessarts Plan die Schutzarbeiten am Hafen u. der Rhede herzustellen. Dies sollte durch die Cherbourger Kegel, gigantische, kegelsömige, mit Steinen gefüllte Kästen von Holz, die in das Wasser versenkt, die Strömung u. den Wellenschlag hindern sollten, geschehn; da indeß das französische Ingenieurcorps gegen diese Kegel war, so wurden sie nur unvollkommen ausgeführt, u. von 18 widerstanden den Wellenschlag nur 8, die andern wurden 1789 durch den Steindamm der Rhede ersetzt. 1807 u. 1808 riß der Sturm einen Theil der Hafendämme ein u. Napoleon gab die bisherigen Wasserarbeiten 1808 auf, um bis 1812 das Bassin des Kriegshafens von 1000 Fuß Länge, 770 Fuß Breite u. 50 Fuß Tiefe in den Felsen zu sprengen. 1813 ließ er eben so große Docks zu Trockenlegung der Schiffe anfangen. Seit 1823 wurde fortwährend an Vergrößerung des Hafendammes von der andern Seite, um auch einen Handelshafen zu gewinnen, gearbeitet. 1830 schiffte Karl X. sich hier nach England ein.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 3. Altenburg 1857, S. 911.
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