Friesisches Recht

[747] Friesisches Recht, das alte, in verschiedenen Aufzeichnungen enthaltene Recht der freien Friesen. Die älteste Aufzeichnung ist die Lex Frisionum, wahrscheinlich im J. 802 gesammelt, ein altes Volksrecht, nach Art der übrigen sogenannten Leges Barbarorum, fast nur Bestimmungen über Vergehen u. Bußen enthaltend, mit Additionen von Vulemar u. Saxmund, neuerdings einzeln heraus bgegeben von Gaupp, Lex Frisionum, Bresl. 1832 Nächst ihr entstanden seit dem 13. Jahrh. auf dem Grund der in den Frieslanden erhaltenen freien Volksverfassung eine Anzahl theils von Willküren[747] u. Satzungen, welche auf den allgemeinen friesischen Landtagen aufgezeichnet od. doch bestätigt sind, theils auch von Gesetzen, welche sich aber die einzelnen friesischen Gemeinden selbst gaben. Man hat dabei zu unterscheiden: A) Allgemeine Rechte. Zu diesen gehören: a) die um das Jahr 1200 noch in altfriesischer Sprache verfaßten 17 Volksküren (Liodkeste), u. b) die in der ersten Hälfte des 13. Jahrh. ebenfalls noch in altfriesischer Sprache geschriebenen 24 Landrechte (Condriuchta); c) die allgemeinen Bußtaxen (Bota); d) die Wenden, d.i. Gesetze über Beschränkung des Reinigungseides; e) die Overtüren (neue Küren), jedenfalls auch noch vor dem I. 1252 verfaßt; f) die sogenannten Leges Upstalbomicae, im J. 1323 in einer großen friesischen Landsgemeinde zu Upstalsboom (unweit Aurich) verfaßt. B) Besondere Gesetze, welche nur für einzelne friesische Gaue Geltung hatten; die meisten derselben stammen aus dem 13 u. 14. Jahrh. Als die bedeutendsten derselben sind hervorzuheben: a) das sogenannte Altfriesische Landrecht, die Rechte u. Willküren des heutigen Frieslands; zu demselben gehört namentlich auch das Scheltenarecht (Schulzenrecht), die Bestimmungen über das Verhältniß des vom Grafen von Holland u. Bischof in Utrecht bestellten Grafen u. dessen Stellvertreters, des Schelta, u. des von der Volksgemeinde bestellten Richters, des Asega, enthaltend, wahrscheinlich aus dem 14. Jahrh.; b) das Landrecht der Rüstringer, mit den allgemeinen friesischen Gesetzen im 14. Jahrh. zu einembesondern Rechtsbuch unter dem Namen des Asegabuchs (s.d.) verbunden; c) die Willküren der Brokmänner, der Bewohner des Brokmerlandes, herausgegeben von Wiarda, Bresl. 1820; d) das Hunligoer Landrecht vom I. 1252; e) das Emsiger Landrecht mit den im J. 1312 für die nördlich von der Stadt Emden belegenen Landschaft verfaßten sogenannten Emsiger Domen (d.i. Weisthümer). Das letztere Landrecht bildet wieder die Quelle des Ostfriesischen Landrechts aus dem Anfang des 16. Jahrh., herausgegeben von Wicht, Aurich 1746. Anschließend ist endlich auch f) das Dithmarser Landrecht von 1447, in welchem sich ebenfalls eine Autonomie auf gleicher Grundlage kundgibt (herausgegeben von Michelsen, Sammlung Dithmarser Rechtsquellen, Alt. 1842). Sämmtliche Friesische Gesetze zeichnen sich durch die Festhaltung der reingermanischen Rechtselemente aus; sie bilden deshalb auch die beste Quelle zur Erkenntniß der alten Volksrechte. Die beste Sammlung hat neuerdings K. von Richthofen, Friesische Rechtsquellen, Berl. 1840, geliefert; ein wesentliches Hülfsmittel zum Verständniß derselben bietet desselben Altfriesisches Wörterbuch, Gött. 1840.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 6. Altenburg 1858, S. 747-748.
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