Goldene Bulle

[449] Goldene Bulle, 1) jede wichtige, mit einem angehängten goldnen Siegel (Bulla) versehene kaiserliche Urkunde. Der Name stammt wahrscheinlich vom griechischen Kaiserhofe, kam von diesem zu den Franken u. Ungarn, u. als Otto II. sich mit der griechischen Kaisertochter Theophania vermählte, zu den Deutschen. Die älteste ist von 083. Die G-n B-n wurden Anfangs massiv münzartig, aber zum Anhängen an die Urkunden geeignet, geprägt, wo die Größe od. Schwere von der größern od. mindern Prunksucht des Ausstellers[449] od. der höhern Würde des Empfängers abhing. Die ältesten überstiegen selten die Größe eines doppelten Ducatens; unter Kaiser Karl IV. gewannen sie an Umfang, oft mehr als ein Speciesthaler, u. die seiner Nachfolger 6–7 Zoll im Durchmesser. Doch schon in dieser Zeit wurden die G-n B-n nicht mehr massiv gemacht, sondern aus zwei dünnen goldnen Platten zusammengesetzt, zwischen welchen sich Wachs befand. Mit diesen G-n B-n sind die in metallene, gewöhnlich nur stark vergoldete Kapseln eingegossenen kaiserlichen Siegel von rothem Wachs nicht zu verwechseln, welche zu minder wichtigen Sachen od. zur Ersparung der höheren Taxe einer Bulle angewendet wurden. 2) Bes. das Reichsgrundgesetz, von Karl IV. 1356 auf den Reichstagen zu Nürnberg u. Metz gegeben, welches in, in 30 Hauptstücke getheilten Verordnungen die Formalitäten bei den Wahltagen, die Bestimmung der weltlichen Kurfürsten, das Recht ihrer Erbfolge, die Gültigkeit mehrerer Stimmen bei den Wahlen selbst, die Rechte u. Verbindlichkeiten während eines Reichsvicariats festsetzte u. dadurch Streitigkeiten bei den Kaiserwahlen vorbeugen u. die langen Reichsverwesungen vermeiden sollte, zugleich das Faustrecht beschränkte u. für das Fehdewesen Regeln vorschrieb. Sie war eins der wichtigsten Grundgesetze des Deutschen Reichs, s. Deutschland (Gesch.) X. Das bekannteste der vorhandenen Originalien der G-n B-n ist das zu Frankfurt a.M. Über sie schrieben: Dacheröder, Frankf. 1786; Treiber, Hildburgh. 1792; von Ludwig, Frankf. 1716–19 u. 1752, 2 Thle., u. von Olenschlager, ebd. 1766. 3) G. Bulle von Brabant, 1349 vom Kaiser Karl IV. gegeben, nach welcher sich ein brabantischer Unterthan vor keinem Gerichtshof anßerhalb Brabant zu stellen braucht, s.u. Brabant (Gesch.). 4) G. Bulle Ungarns, der Freiheitsbrief des ungarischen Volkes, 1222 von Andreas II. ausgestellt, welcher die alljährliche Zusammenberufung des ungarischen Reichstages bestimmte, s.u. Ungarn (Gesch.).

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 7. Altenburg 1859, S. 449-450.
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