Kakodyl

[227] Kakodyl, das Radical der Kakodylverbindungen, hat die Formel C4H6As u. wird als ein gepaartes Radical betrachtet, bestehend aus 2 Äquiv. Methyl C2H3, gepaart mit Arsenik. Dieser Ansicht zufolge würde das K. sein Methylarsenür. Die Isolirung des Radicales geschieht am besten durch Behandeln des Chlorkakodyls mit metallischem Zink (C4H6AsCl + Zn = ClZn + C4H6As). Es erscheint im reinen Zustande als wasserhelles, dünnflüssiges, stark lichtbrechendes Liquidum, welches sich an der Luft momentan entzündet u. zu Kohlensäure, Wasser u. arseniger Säure verbrennt. Es siedet bei + 170° u. erstarrt bei –6° zu einer eisähnlichen Masse. Das specifische Gewicht seines Dampfes = 7, 101. Es verbindet sich gleich dem Kalium, u. anderen stark elektropositiven Metallen direct mit Sauerstoff u. den übrigen negativen Elementen. Schwefel löst sich darin zu Kakodylsulfuret auf. Mit Chlorwasser vermischt bildet sich Chlorkakodyl. Salpetersäure löst es unter Bildung von salpetersaurem Kakodyloxyd. Eine Lösung von Quecksilberchlorid wird augenblicklich zu Chlorür reducirt, worauf Kakodylquecksilberchlorid anschießt. Durch Behandlung mit Salzsäure u. Zinn entsteht neben anderen [227] Producten Erythrarsin. Wird das K. einer Temperatur von 400 bis 500° ausgesetzt, so zerlegt es sich in metallisches Arsenik u. ein Gemenge von 2 Volumen Grubengas mit 1 Volumen ölbildendem Gas (C4H6As = As + C2H4 + C2H2). Kakodylverbindungen: Verbindungen des K-s A) mit Sauerstoff. a) Kakodyloxyd (Alkarsin, Cadetsrauchende Flüssigkeit), C4H6AsO od. 2 C2H3 + As + O, ist der Hauptbestandtheil der bekannten rauchenden stinkenden Flüssigkeit, welche man bei der Destillation von arseniger Säure mit essigsaurem Kali erhält. Es entwickeln sich dabei Gasarten in reichlicher Menge, welche durch ein Ableitungsrohr ins Freie geführt werden. In der Vorlage befinden sich 3 Schichten, von denen die mittlere aus Kakodyloxyd besteht. Sie wird mittelst eines Hebers von den beiden andern Flüssigkeiten getrennt u. durch Auflösen in Alkohol, Abscheiden aus dieser Lösung durch Wasser, Entwässern durch Chlorcalcium u. Destilliren in einer sauerstofffreien Atmosphäre gereinigt. An der Luft entzündet sich das Kakodyloxyd von selbst u. verbrennt unter Verbreitung weißer, dicker Dämpfe. Es ist bei gewöhnlicher Temperatur in Wasser unlöslich, löslich in Alkohol u. Äther, erstarrt bei –25° u. bildet dann seidenglänzende Krystallschuppen, siedet bei ungefähr + 150° u. hat ein specifisches Gewicht von 1, 462. Es entzündet sich auch in Chlorgas u. verbrennt mit gelber rußender Flamme unter Bildung von Arsenchlorid u. Salzsäure. Jod löst sich darin zu einer farblosen Flüssigkeit, woraus sich ein weißer krystallinischer Körper absetzt. Schwefel u. Phosphor lösen sich darin in großer Menge auf. Wasserstoffsäuren veranlassen die Bildung von Kakodylhaloïden; mit Salpetersäure, Schwefelsäure u. Posphorsäure verbindet es sich direct zu salzähnlichen Verbindungen. Wässerige Kalilauge löst es zu einer braunen Flüssigkeit auf. Es geht Verbindungen ein mit salpetersaurem Silberoxyd u. Quecksilberchlorid. Bei der Destillation von kakodylsaurem Kakodyloxyd geht bei 120° ein ölartiger, schwerer Körper über, der dieselbe Zusammensetzung wie das Kakodyloxyd hat, sich aber in seinen Eigenschaften nur darin von jenem unterscheidet, daß es sich an der Luft nicht von selbst entzündet; der Entdecker Bunsen nennt es Parakakodyloxyd, C4H6AsO. b) Kakodylsäure (Alkargen), C4H6AsO3 od. 2 C2H3 + As + O3, ist die höchste Oxydationsstufe des K-s; man erhält sie am leichtesten, indem man Kakodyloxyd unter Wasser mit Quecksilberoxyd zusammenbringt; es bildet sich metallisches Quecksilber u. kakodylsaures Quecksilberoxyd, welches mit Kakodyloxyd zersetzt wird. Durch Auflösen u. Umkrystallisiren erhält man die Säure rein; sie erscheint als farblose, hygroskopische Krystallmasse, die ohne Geruch ist, sauer reagirt, bei 200° ohne Zersetzung schmilzt, bei höherer Temperatur aber sich zersetzt. Sie löst sich in Wasser u. wasserhaltigem Alkohol in allen Verhältnissen, sehr wenig in Alkohol, nicht in Äther. Sie ist eine der beständigsten organischen Verbindungen. Ungeachtet des großen Arsengehaltes, der gegen 54 Procent beträgt, ist sie durchaus ohne giftige Wirkungen auf den thierischen Organismus. Sie verbindet sich mit den Basen zu eigenthümlichen Salzen, die sich sämmtlich in Wasser leicht lösen u. zum Theil aus Alkohol krystallisirt erhalten werden können. Das kakodylsaure Kakodyloxyd (Hydrarsin) entsteht durch langsame Oxydation des Kakodyloxydes an der Luft; eine zähe syrupdicke Flüssigkeit, welche sich leicht in Wasser löst u. beim Verdünnen mit Wasser u. beim Erhitzen bis auf 120° in Parakakodyloxyd übergeht. B) Mit Brom: Kakodylbromür (Bromarsin), C4H6AsBr, entsteht bei der Destillation von Quecksilberchlorid-Kakodyloxyd mit Bromwasserstoffsäure, eine gelbgefärbte Flüssigkeit, die beim Erhitzen mit Wasser sich in Bromwasserstoffsäure u. in an der Luft rauchendes basisches Kakodylbromür, C4H6AsO + 3 C4H6AsBr, verwandelt, eine gelbliche, in Wasser unlösliche Flüssigkeit, welche die Eigenthümlichkeit besitzt, beim Erwärmen farblos zu werden, aber beim Erkalten seine ursprüngliche gelbe Farbe wiederanzunehmen. C) Mit Chlor: Kakodylchlorür (Chlorarsin), C4H6AsCl, bildet sich bei der Destillation von Kakodyloxyd mit concentrirter Chlorwasserstoffsäure, ein wasserhelles, ätherartiges Liquidum, das schwerer als Wasser ist, sich nicht in Äther, leicht in Alkohol löst u. in Bezug auf seinen Geruch das Oxyd an Stärke weit übertrifft. Es bleibt bei – 45° noch flüssig, siedet einige Grade unter + 100° u. raucht nicht an der Luft. Wasserhaltiges Kakodylchlorür, C4H6AsCl + HO. Reines Kakodyloxyd absorbirt bei Abschluß der Luft trockenes Salzsäuregas mit großer Begierde u. unter starker Wärmeentwickelung. Es scheidet sich eine kleine Menge ziegelrothes Pulver (Erythrarsin) aus, u. es bilden sich zwei Flüssigkeitsschichten, deren untere die erwähnte Verbindung ist. Man betrachtet diesen Körper als wasserhaltiges Kakodylchlorür, weil geschmolzenes Chlorcalcium darin zerfließt u. fast reines Kakodylchlorür zurückläßt. Basisches Kakodylchlorür entsteht durch Behandeln des Chlorürs mit Wasser od. durch Destillation des Kakodyloxydes mit verdünnter Chlorwasserstoffsäure, eine dem Chlorkakodyl sehr ähnliche Flüssigkeit, welche aber minder stark riecht, an der Luft weiße Dämpfe ausstößt u. bei 109° siedet; es vereinigt sich mit dem Kupferchlorür u. Platinchlorür zu Doppelchlorüren. Kakodylsaures Kakodylchlorid, 3 C4H6AsCl2 + 2C4H6AsO3, ein Destillationsproduct des Kakodylsuperchlorids, eine farblose, in Wasser unlösliche, in Alkohol lösliche Flüssigkeit, welche durch ihre heftige specifische Wirkung auf die Geruchsnerven ausgezeichnet ist. D) Mit Cyan: Kakodylcyanür (Cyanarsin), C4H6AsCy, entsteht bei der Destillation von Kakodyloxyd mit concentrirter Cyanwasserstoffsäure, od. durch Vermischen einer concentrirten Lösung von Quecksilbercyanid mit Kakodyloxyd. Über + 33° ist es ein ätherartiges, farbloses, das Licht stark brechendes Liquidum, das bei + 32, 5° zu einem Haufwerke großer diamantglänzender Krystalle erstarrt, sich in Wasser wenig, leicht in Alkohol u. Äther löst, bei 140° siedet, sich entzünden läßt u. mit röthlich blauer Flamme brennt. Es ist die giftigste aller Kakodylverbindungen, einige Grane davon in der Luft eines Zimmers verbreitet, verursachen beim Einathmen ein plötzliches Einschlafen der Hände u. Füße, Schwindel, Betäubung, Bewußtlosigkeit. E) Mit Selen: Kakodylselenür, C4H6AsSe, durch mehrmalige Destillation reines Chlorkakodyls mit einer wässerigen Auflösung von Selennatrium dargestellt, bildet eine gelbliche, durchsichtige, widrige, doch etwas ätherartig riechende, in Äther u. Alkohol, nicht in Wasser lösliche, an der Luft nicht rauchende, aber nach einiger Zeit unter Aufnahme von Sauerstoff farblose Krystalle absetzende, mit schöner, blauer Flamme unter Verbreitung eines durchdringenden [228] Geruchs verbrennende Flüssigkeit. F) Mit Schwefel: Kakodylsulphür, C4H6AsS, wasserhelle, ätherartige, an der Luft nicht rauchende Flüssigkeit; in Alkohol u. Äther löslich, nicht in Wasser. Schwefel, Phosphor, Jod etc. gehen mit ihm Verbindungen ein; Säuren zerlegen es; wird durch Destillation des Kakodylchlorürs mit Schwefelbaryum erhalten G) Mit Jod: Neutrales Kakodyljodür, C4H6AsI2, das, bei der Destillation des Kakodyloxyds mit concentrirter Jodwasserstoffsäure in der Vorlage sich findende, dünnflüssige, gelbliche Liquidum. Quecksilberchlorid-Kakodyloxyd, C4H6AsO + 2HgCl, beim Vermischen einer alkoholischen Lösung von Sublimat, mit einer gleichen von Kakodyloxyd als ein weißer Niederschlag erhalten, der durch Umkrystallisirung aus heißer, wässeriger Lösung, von dem beigemischten Quecksilberchlorür zu trennen ist u. in großen, zarten Krystallschuppen erhalten werden kann. Auf gleiche Weise bildet sich das diesem sehr ähnliche Quecksilberbromid-Kakodyloxyd.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 9. Altenburg 1860, S. 227-229.
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