[811] Selēn (Selenĭum, von σελήνη der Mond, weil es in Begleitung des Tellurs [von Tellus die Erde] vorkommt, wie der Mond die Erde begleitet), chemisches Zeichen Se, Atomgewicht: 491 (O = 100) od. 39,3 (H = 1), nach Gmelin 40, das Mittel aus den Atomgewichten des Schwefels (16) u. Tellurs (64). Ein dem Schwefel u. Tellur verwandtes Metalloid, wurde 1817 von Berzelius im Schlamm der Bleikammern einer Schwefelsäurefabrik entdeckt; ist bei gewöhnlicher Temperatur fest, schmilzt beim Erhitzen, siedet in höherer Temperatur u. läßt sich destilliren. Es erscheint in zwei allotropischen Zuständen; das geschmolzene S. erkaltet regelmäßig, wird immer consistenter u. erstarrt bei raschem Erkalten zu einer bleigrauen, metallglänzenden, im Bruche glasigen Masse von amorphen S. (Beta-S., β Se); aus einer Lösung von seleniger Säure scheidet schweflige Säure amorphes S. in scharlachrothen Flocken aus, während sich die Gefäßwand mit einem goldglänzenden Überzug bedeckt; beim Trocknen gibt der rothe Niederschlag ein dunkelrothes Pulver, erhitzt man ihn noch feucht auf etwa 80°, so geht er in eine dunkelbleigraue Masse über; erhitzt man den Niederschlag in der Flüssigkeit, so geht er in ein schweres schwarzes Pulver über; bei 217° schmilzt das amorphe S. Läßt man geschmolzenes S. langsam erkalten, so zeigt die erstarrte Masse krystallinisch körnige Structur (krystallinisches S., Alpha-S., α Se). Aus Auflösungen von Selenkalium u. Selenammonium scheiden sich beim Stehen an der Luft rothe durchsichtige Krystalle von S. ab. Ebenso erhält man Krystalle aus einer Auflösung von S. in Schwefelkohlenstoff, ihre Form ist ein schiefes rhombisches Prisma. Das krystallinische S. schmilzt schwieriger als das amorphe; bei ungefähr 700° siedet das S.u. bildet einen gelben Dampf, welcher sich in weiten Gefäßen als rothes Pulver (Selenblumen), in engen zu metallglänzenden Tropfen condensirt. Das specifische Gewicht des amorphen S-s ist 4,282, des krystallinischen 4,796, das der Krystalle 4,808. Vor dem Löthrohr erhitzt, verbrennt das S. mit schön blauer Flamme zu seleniger Säure unter Entwickelung eines Geruchs nach fauligem Rettig. Salpetersäure u. Königswasser oxydiren das S. zu seleniger Säure; beim Schmelzen mit Salpeter bildet sich selensaures Salz. Aus den Lösungen von seleniger Säure scheidet schweflige Säure S. ab, wobei ein Zusatz von concentrirter Schwefelsäure sehr fördernd wirkt. Kalilauge löst das S. auf unter Bildung von Selenkalium u. selenigsaurem Kali; an der Luft scheiden sich aus der Lösung Krystalle von S. ab. Concentrirte Schwefelsäure löst das S., beim Verdünnen mit Wasser scheidet es sich als rothes Pulver aus. Das S. gehört zu den seltenern Elementen; es findet sich gediegen zu Culebras in Mexico, in Verbindung mit Schwefel als Volcanit auf den Inseln Volcano u. Hawai, mit Blei als Selenblei (Clausthalit), mit Blei u. Kupfer als Selenbleikupfer (Zorgit), mit Quecksilber als Selenquecksilber (Tiemannit), mit Quecksilber u. Blei als Selenquecksilberblei (Lerbachit), mit Silber als Selensilber (Naumannit) auf Bleierzgängen bei Lerbach, Tilkerode, Zorge u. Clausthal am Harz, mit Kupfer als Selenkupfer (Berzelin) in Schweden, überall in sehr geringer Menge. Manche Eisen- u. Kupferkiese enthalten auch kleine Mengen S.; werden diese zur Fabrikation der Schwefelsäure angewendet, so setzt sich in den Bleikammern ein Schlamm ab, welcher das S. der Erze enthält u. aus welchen dasselbe dargestellt werden kann. Beim Rösten solcher Erze zum Zweck der Gewinnung von Blei u. Silber setzt sich in den Schornsteinen ein selenreicher Ruß ab, aus welchem ebenfalls S. gewonnen werden kann. Um das S. aus den selenhaltigen Mineralien zu gewinnen, werden dieselben gepulvert, mit dem gleichen Gewicht verkohlten Weinstein gemengt u. geglüht; die erkaltete Masse wird schnell gerieben, mit kochendem Wasser ausgelaugt u. die erhaltene Lösung von Selenkalium in flachen Schalen der Luft ausgesetzt; das S. scheidet sich dann auf der Oberfläche der Flüssigkeit als eine Rinde ab. Kocht man den Selenschlamm der Bleikammern mit Kalilauge, so erhält man ebenfalls eine Lösung von Selenkalium, aus welcher sich an der Luft das S. abscheidet. Nach einem andern Verfahren wird der Selenschlamm ausgewaschen, getrocknet u. mit Salpeter u. kohlensaurem Kali geschmolzen; man zieht die Masse mit Wasser aus u. erhält eine Lösung von selensaurem Kali; dieselbe wird mit Salzsäure versetzt, eingedampft, mit Schwefligsäuregas gesättigt u. zum Sieden erhitzt, wobei sich das S. ausscheidet.
Verbindungen des S-s: A) Mit Sauerstoff verbindet sich das S. in drei Verhältnissen, zu Selenoxyd, seleniger Säure u. Selensäure. a) Selenoxyd, soll sich bilden, wenn man S. an der Luft erhitzt; es ist gasförmig u. theilt dem Wasser seinen Rettiggeruch mit; läßt sich mit Säuren u. Alkalien nicht verbinden. b) Selenige Säure, SeO2, S. verbrennt in Sauerstoffgas mit blauer Flamme zu seleniger Säure; erfolgt die Verbrennung in einem Rohre, durch welches Sauerstoffgas geleitet wird, so verdichtet sich die selenige Säure an den kälteren Stellen des Rohrs in langen vierseitigen Nadeln. Am einfachsten läßt sich die selenige Säure darstellen, indem man S. mit Salpetersäure erwärmt u. die erhaltene Lösung verdampft. Die selenige Säure bleibt als weiße Masse zurück, welche bei starker Hitze, ohne vorher zu schmelzen, sublimirt werden kann. Läßt man die heiß bereitete Lösung erkalten, so krystallisirt wasserhaltige schweflige Säure in großen, säulenförmigen, längs gestreiften Krystallen, welche beim Erhitzen das Wasser verlieren u. ein Sublimat von wasserfreier Säure geben. Die selenige Säure löst sich leicht in Wasser u. Alkohol, eine heiße wässerige Lösung gibt beim Erkalten Krystalle von wasserhaltiger Säure. Manche Metalle, wie Eisen, Zink u. Kupfer, scheiden aus der wässerigen Lösung der Säure S. ab, ebenso wirken schweflige Säure u. schwefligsaures Ammoniak bei Zusatz einer Säure. Die selenige Säure ist eine der stärkeren Säuren,[811] sie treibt Salpetersäure u. Salzsäure aus ihren Verbindungen aus; mit Basen bildet sie die Selenigsauren Salze (s.d. c) Selensäure, SeO3; wird S. mit Salpeter geschmolzen, so entsteht selensaures Kali; die Auflösung dieses Salzes gibt mit salpetersaurem Bleioxyd einen Niederschlag von selensaurem Bleioxyd, welches durch Schwefelwasserstoff in Schwefelblei u. freie Selensäure zerlegt wird. Aus seleniger Säure läßt sich auch die Selensäure gewinnen, wenn man zu der Lösung derselben eine hinreichende Menge kohlensaures Kupferoxyd fügt u. bis zur völligen Lösung des Salzes Chlor einleitet; man verdampft das überschüssige Chlor bei niederer Temperatur, neutralisirt die Flüssigkeit mit kohlensaurem Kupferoxyd u. trennt das selensaure Kupferoxyd durch Krystallisation von dem Kupferchlorid; durch Schwefelwasserstoff wird alsdann die Selensäure abgeschieden. Die Selensäure läßt sich durch Eindampfen concentriren bis ihr specifisches Gewicht, 60 u. ihr Siedepunkt 280° ist; weiter concentrirt steigt der Siedepunkt immer höher, die Säure wird aber dabei in selenige Säure u. Sauerstoff zerlegt. Die concentrirte Säure erhitzt sich mit Wasser wie concentrirte Schwefelsäure u. zieht begierig Wasser an; verdünnte Selensäure löst Eisen u. Zink unter Wasserstoffentwickelung auf; andere Metalle, wie Kupfer u. selbst Gold, lösen sich in der Wärme, wobei die Selensäure zum Theil in selenige Säure übergeht. Salzsäure verwandelt sie in selenige Säure unter Entwickelung von Chlor (SeO3 + HCl = SeO2 + HO + Cl). Mit Basen verbindet sie sich zu Selensauren Salzen (s.d.) B) Mit Wasserstoff: Selenwasserstoff, SeH, aus Seleneisen u. Salzsäure od. durch Erhitzen von S. in einem Strom trockenen Wasserstoffs erhalten (FeSe + HCl = FeCl + SeH), ein farbloses, dem Schwefelwasserstoff ähnlich riechendes Gas; wirkt eingeathmet giftig, selbst in verdünntem Zustand; wird von Wasser aufgelöst, die Lösung, sowie das Gas selbst, zersetzen sich leicht. Alle neutrale Metalllösungen geben mit Selenwasserstoff Niederschläge von Selenmetall. C) Mit Chlor; S. absorbirt Chlorgas, schmilzt dabei erst zu braunem Selenchlorür u. erstarrt dann zu weißem Selenchlorid, SeCl2, welches sich in der Hitze in ein gelbes Gas verwandelt u. in kleinen Krystallen sublimirt. Wasser zerlegt es in selenige Säure u. Salzsäure; bei längerer Einwirkung von Chlor entsteht daraus eine gelbe Flüssigkeit. D) Mit Brom gibt S. eine orangefarbene, feste, in Wasser lösliche Verbindung. E) Mit Schwefel; selenhaltiger Schwefel findet sich als Selenschwefel (s.d.) in der Natur. S.u. Schwefel lassen sich in jedem Verhältniß zusammenschmelzen, die Verbindung SeS2 wird als gelber Niederschlag erhalten durch Fällen einer Auflösung von seleniger Säure mit Schwefelwasserstoffgas; der Niederschlag wird allmälig orangefarben u. beim Eintrocknen roth; schmilzt zu einer gelblichrothen, durchsichtigen, in Königswasser leicht löslichen Masse, ist destillirbar u. brennbar. F) Mit Metallen; die Selenmetalle (Metallselenurete) sind den analogen Schwefelmetallen ähnlich; Verbindungen von S. mit Blei, Kupfer, Quecksilber u. Silber finden sich als seltene Mineralien bes. am Harz; am häufigsten ist Selenblei. Die durch Fällen der neutralen Metalllösungen mit Selenwasserstoff erhaltenen Selenmetalle sind meist schwarz od. dunkelbraun, das Zink-, Mangan- u. Cer-Selenuret sind fleischfarben. Manche lassen sich durch Reduction des schwefelsauren Salzes mit Wasserstoff darstellen, z.B. das Selenbarium.
Buchempfehlung
Die vorliegende Übersetzung gibt den wesentlichen Inhalt zweier chinesischer Sammelwerke aus dem ersten vorchristlichen Jahrhundert wieder, die Aufzeichnungen über die Sitten der beiden Vettern Dai De und Dai Schen. In diesen Sammlungen ist der Niederschlag der konfuzianischen Lehre in den Jahrhunderten nach des Meisters Tod enthalten.
278 Seiten, 13.80 Euro
Buchempfehlung
Biedermeier - das klingt in heutigen Ohren nach langweiligem Spießertum, nach geschmacklosen rosa Teetässchen in Wohnzimmern, die aussehen wie Puppenstuben und in denen es irgendwie nach »Omma« riecht. Zu Recht. Aber nicht nur. Biedermeier ist auch die Zeit einer zarten Literatur der Flucht ins Idyll, des Rückzuges ins private Glück und der Tugenden. Die Menschen im Europa nach Napoleon hatten die Nase voll von großen neuen Ideen, das aufstrebende Bürgertum forderte und entwickelte eine eigene Kunst und Kultur für sich, die unabhängig von feudaler Großmannssucht bestehen sollte. Für den dritten Band hat Michael Holzinger neun weitere Meistererzählungen aus dem Biedermeier zusammengefasst.
444 Seiten, 19.80 Euro