[825] Trigonometrie, ist derjenige Theil der Mathematik, welcher aus gegebenen Stücken eines Dreiecks die übrigen durch Rechnung finden lehrt. Wenn drei in einer Ebene liegende Gerade sich gegenseitig schneiden, ohne durch einen gemeinschaftlichen Punkt zu gehen, so begrenzen sie ein ebenes Dreieck, u. wenn drei Linien im Raume durch einen gemeinschaftlichen Punkt gehen, ohne in einer Ebene zu liegen, so bestimmen sie eine körperliche Ecke. Dies sind die beiden einfachsten Raumgebilde, aus denen alle übrigen sich als zusammengesetzt darstellen lassen, deren Kenntniß also auch für alles übrige geometrische Wissen die Grundlage bildet. Nach der Lehre der Elementargeometrie hat man, um irgend ein Dreieck zu kennen, nicht nöthig alle an demselben vorkommenden Stücke zu messen, sondern aus einigen unter ihnen ergeben sich die übrigen; auch ist von Alters her bekannt, wie man durch Construction (Zeichnung) zu ihrer Kenntniß gelangen kann. Allein wo es entweder darauf ankommt, höchst genau ausgeführte Messungen auf das Papier zu bringen, od. wo man auf die Größe der zu findenden Stücke im wissenschaftlichen Zusammenhang Schlüsse zu bauen beabsichtigt, zeigt sich die Unzulänglichkeit jener Methode u. macht sich die Forderung geltend aus den durch Zahlen gegebenen Größen die davon abhängigen mittelst arithmetischer Operationen zu finden, weil man auf dem Wege der Construction allen Fehlern der Sinne u. Werkzeuge ausgesetzt ist, das Rechnen dagegen vollkommen irrthumslos ist. Am ebenen Dreieck sind die unmittelbar meßbaren Größen die drei Seiten u. die drei Winkel, an der Ecke die drei ebenen Winkel zwischen je zwei Geraden u. die drei Flächenwinkel zwischen den, durch je zwei Gerade bestimmten Ebenen. Beschreibt man aus dem Scheitel der Ecke eine Kugel mit beliebigem Halbmesser, so schneiden diese Ebenen die Kugeloberfläche in größten Kreisen u. die drei sich einander begrenzenden Bogen derselben bilden ein sphärisches Dreieck, dessen Winkel den Flächenwinkeln der Ecke gleich u. dessen Seiten den ebenen Winkeln der Ecke proportional sind. Beschreibt man aus dem Scheitel der Ecke irgend ein Sphäroid, so schneiden jene drei Ebenen die Oberfläche desselben in Ellipsen, u. es entsteht ein sphäroidisches Dreieck. Hiernach theilt sich die T. in ebene T., sphärische T. u. sphäroidische T., welche die Berechnung der fehlenden Stücke aus gegebenen lehren, bezüglich bei ebenen, sphärischen u. sphäroidischen Dreiecken. Die sphäroidische T. findet fast nur Anwendung in der Berechnung der betreffenden Größen an Theilen der Erdoberfläche, welche ein von der Kugel einigermaßen abweichendes Sphäroid darstellt. Die allgemeinen Lehren derselben sind so schwierig u. complicirt, daß hier von ihrer Darstellung abgesehen werden muß. Weil Linien u. Winkel als ungleichartige Größen sich nicht unmittelbar arithmetisch mit einander verknüpfen lassen, so muß man an Stelle der Winkel gewisse, von den Winkeln unveränderlich abhängende reine Zahlen, d.h. Functionen derselben, einführen, welche dann neben den linearen Größen als Factoren u. Divisoren auftreten können. Die erste Aufgabe der T. ist daher die Eigenschaften dieser Winkelfunctionen (trigonometrischen od. goniometrischen Functionen) zu studiren, u. es theilt sich hiernach die T. in Goniometrie, ebene T. u. sphärische T.
I. Goniometrie. Bei jeder Anwendung der Rechnung auf goniometrische Größen hat man nicht allein die absolute Größe der letztern, sondern auch ihre Lage zu berücksichtigen, insbesondere wird, wo zwei Größen von einem Punkte aus nach gerade entgegengesetzten Seiten sich ausdehnen, die eine als positiv von der andern als negativen unterschieden. Dies gilt ebensowohl von geraden Linien, denen entgegengesetzte, positive u. negative Richtung, als auch von Winkeln, denen entgegengesetzter Drehungssinn zukommt. Man vergegenwärtige sich nun eine kleine geometrische Figur mit Buchstaben an bestimmten Punkten; man denke sich nämlich mit beliebigem Halbmesser einen Kreis um O, in ihm einen Halbmesser OA, z.B. horizontal nach rechts, u. senkrecht darauf nach oben einen zweiten OB. Alle Linien, welche von OB aus nach rechts liegen, sollen künftig als positiv in horizontaler Rich tung, alle nach links liegenden als negativ, u. alle Linien, welche von OA aus nach oben liegen, sollen als positiv in verticaler Richtung, die nach unten gerichteten als negativ angesehen werden. Durch Verlängerung von OA über O, bis der Kreis nochmals in C geschnitten wird, u. von BO über O nach D wird der Kreis in vier Quadranten getheilt, wovon AOB der erste, BOC der zweite, COD der dritte u. DOA der vierte heiße. OA soll als erster, fester Schenkel für alle Winkel angesehen werden, u. zwar sollen diejenigen Winkel als positiv gerechnet werden, welche durch Drehung des zweiten, beweglichen Schenkels, von OA aus zunächst in den ersten Quadranten entstehen, als negativ die durch Drehung zunächst in den vierten Quadranten gebildeten. Habe sich nun der zweite Schenkel von OA bis OM gedreht, so bildet er mit OA den Winkel AOM, welcher kurz υ heiße. Fällt man von M aus das Perpendikel MP auf OA, so ist das Verhältniß dieses Perpendikels zum Halbmesser, PM: OA, allein von der Größe des Winkels υ abhängig u. ändert sich mit der willkürlich zu wählenden Länge des Halbmessers nicht; dies Verhältniß heißt der Sinus des Winkels υ (geschrieben sin. υ). Da PM nach oben hin liegt, so lange OM im ersten u. zweiten Quadranten liegt, d.h. so lange der Winkel kleiner als 180° ist, so ist der Sinus für alle solche Winkel positiv; u. zwar ist er zuerst, wo υ noch sehr klein ist, gleichfalls sehr klein u. für υ = 0 selbst = 0. Mit wachsendem Winkel wächst aber der Sinus, bis er für υ = 90° (welches auch 1/2 π genannt wird) ein Maximum erreicht; in diesem Falle ist nämlich PM gleich dem Halbmesser, also der Quotient PM: OA = 1. Von da an nimmt mit wachsendem Winkel der Sinus wieder ab, bis er für υ = 180° = π verschwindet. Geht nun der bewegliche Schenkel in den dritten u. vierten Quadranten über, d.h. ist der Winkel zwischen 180° u. 360°, so liegt PM nach unten, mithin ist der Sinus negativ, absolut genommen aber wächst er zuerst u. erreicht bei υ = 270° = 3/2 π ein Maximum, indem hier sin. υ = 1 ist; bei weiterem Wachsthum des Winkels nimmt der absolute Werth des negativen Sinus wieder ab u. wird = 0 für υ = 360° = 2 π. Von hier an kehren dieselben Werthe der Sinus periodisch wieder, so daß sin. (2 π + υ) = sin. (4 π + υ) =.= sin. υ. Auch sieht man, daß bei negativen Drehungen des beweglichen Schenkels von OA aus zuerst in den vierten Quadranten die Sinus der Winkel gleich, aber entgegengesetzt denen für positive Drehungen, ausfallen; es ist also sin[825] ( υ) = sin. υ. Durch das Perpendikel MP ist auf OA von O aus gerechnet ein Abschnitt OP begrenzt worden, dessen Verhältniß zum Halbmesser gleichfalls ausschließlich von der Größe des Winkels abhängt u. der Cosinus desselben genannt wird (geschrieben cos. υ), also OP: OA = cos. υ. Die Bezeichnung ist abgekürzt aus complementi sinus, weil, wenn man noch von M aus ein Perpendikel auf OB fällen wollte, der hierdurch bestimmte Sinus des Complémentswinkels MOB mit jenem Quotienten OP: OA gleich sein würde. OP liegt nach rechts, also der Cosinus ist positiv, so lange der Winkel kleiner als 90° ist, u. später wieder, wenn der bewegliche Schenkel in den vierten Quadranten eintritt; dagegen ist der Cosinus negativ, so lange der Winkel zwischen 90° u. 270° beträgt. Für υ = 0 fällt OP mit OA zusammen, ist also cos. υ = 1; für υ = 180° fällt OP mit OC zusammen, ist also der Cosinus 1; dagegen ist cos. 90° u. cos. 270°_ 0; überdies sieht man, daß für negative Drehungen der Cosinus derselbe ist, als für positive, daß also cos. ( υ) = cos. υ. Legt man ferner in A eine Tangente an den Kreis u. verlängert den beweglichen Schenkel QM., bis er die Tangente in Q schneidet, so nennt man das Verhältniß der hierdurch begrenzten Tangente zum Halbmesser, also AQ: OA, die trigonometrische Tangente des Winkels AOM (geschrieben tang. υ od. tg. υ); u. legt man endlich in B eine Tangente an den Kreis, welche den verlängerten Halbmesser OM in R schneidet, so ist das Verhältniß BR: OA die Cotangente des Winkels AOM, geschrieben cotg. υ. Die Tangente u. Cotangente sind positiv, wenn der bewegliche Schenkel im ersten od. dritten Quadranten liegt, weil dann die Schneidungspunkte Q u. R nach oben u. rechts liegen; dagegen sind beide negativ, wenn der Winkel im zweiten od. vierten Quadranten liegt. Beträgt der Winkel 90° od. 270°, fällt also OM mit OB od. OD zusammen, so ist der bewegliche Schenkel mit der Tangente in A parallel, od. die Tangente AQMuß unendlich gemacht werden, ehe sie mit OM zum Durchschnitt kommt; daher ist tg. 90° u. tg. 270° = ∞ (d.h. unendlich); dasselbe gilt von cotg. 0 u. cotg. 180°, dagegen ist tg. 0 u. tg. 180°, sowie cotg. 90° u. cotg. 270° = 0. Für alle die genannten goniometrischen Functionen gilt, daß bei gleichmäßigem Wachsen des Winkels υ die absoluten Werthe jeder Function im zweiten Quadranten in umgekehrter Ordnung so auf einander folgen, wie sie im ersten Quadranten waren, im dritten u. vierten dagegen in derselben Ordnung, wie im ersten u. zweiten; endlich von Anfang des fünften Quadranten an kehren die Werthe nicht blos absolut, sondern auch mit Rücksicht auf das Zeichen periodisch wieder. Die folgende Tabelle stellt nochmals kurz zusammen, was über die Vorzeichen u. die ausgezeichneten Werthe von Sinus, Cosinus, Tangente u. Cotangente gesagt wurde.
Außer diesen vier Functionen hat man noch vier andere eingeführt, die Secante, Cosecante, Sinus versus u. Cosinus versus. Es ist nämlich der Quotient des bis zur Tangente verlängerten beweglichen Halbmessers, dividirt durch den Halbmesser des Kreises die Secante des Winkels, also OQ: OA = sec. υ, ferner OR: OA = cosec. υ; endlich nennt man den Abschnitt des festen Halbmessers, welcher vom Fußpunkte des Perpendikels MP bis zum Ende reicht, dividirt durch den Halbmesser, also PA: OA den sin. vers. υ u. den entsprechenden Quotienten für den Complementswinkel den cos. vers. Allein die vier erstgenannten Functionen, wovon Sinus u. Tangente bisweilen die Hauptfunctionen, Cosinus u. Cotangente die Cofunctionen genannt werden, reichen zu allen trigonometrischen Untersuchungen aus, weshalb von den übrigen nicht weiter die Rede sein soll. Alle trigonometrischen Functionen haben übrigens das Gemeinschaftliche, daß sie reine Zahlen sind, nämlich Brüche, in deren Nenner der Halbmesser des Kreises steht; die Zähler dieser Brüche sind Linien, welche mit Veränderung des Winkels veränderliche Länge haben. Man nennt dieselben oft die trigonometrischen Linien (sie dürfen aber nicht mit den trigonometrischen Functionen verwechselt werden).
Die nächste Aufgabe der Goniometrie ist es nun, die gegenseitigen Beziehungen der goniometrischen Functionen für denselben Winkel, sowie für verschiedene Winkel aufzusuchen. Was das Erstere anlangt, so ergibt sich aus der Betrachtung, daß die Summe der Quadrate des Perpendikels MP u. des durch ihn begrenzten Abschnittes OP nach dem Pythagoreischen Lehrsatze gleich dem Quadrate des Halbmessers ist, die einfache Relation, daß die Summe der Quadrate des Sinus u. des Cosinns eines u. desselben Winkels = 1 ist. Darnach ist, weil für einen halben rechten Winkel Sinus u. Cosinus einander gleich sind, sin. π/4 = cos. π/4 = √1/2. Weil ferner das Dreieck OPM dem Dreieck OAQ, sowie dem Dreiecke RBO ähnlich ist, so ist die Tangente eines Winkels dem Quotienten aus dem Sinus u. Cosinus desselben u. die Cotangente dem Umgekehrten dieses Quotienten gleich. In Formeln hat man also
Hierdurch hängen die verschiedenen goniometrischen Functionen so zusammen, daß man aus einer jeden andere berechnen kann. Was aber zweitens die Relationen goniometrischer Functionen für verschiedene Winkel anlangt, so sind die bei Weitem wichtigsten diejenigen, welche den Sinus od. Cosinus der Summe od. Differenz zweier Winkel berechnen lassen, wenn die Sinus u. Cosinus der einzelnen Theile bekannt sind. Eine geometrische Betrachtung lehrt nämlich:
sin. (α ± β) = sin. α cos. β ± cos. α sin. β
cos. (α ± β) = cos. α cos. β ± sin. α sin. β
(B)
Aus (A) u. (B) fließt eine große Zahl der wichtigsten Relationen, von denen einige im Falgenden zusammengestellt sind:[826]
Hieraus sieht man, daß, wenn nur die Sinus u. Cosinus aller Winkel bis 45° bekannt sind, auch die Sinus u. Cosinus aller übrigen Winkel gegeben sind, u. da nach (A) schon aus den Sinus die Cosinus, sowie die Tangenten u. Cotangenten sich berechnen lassen, so ist im Grunde Alles auf die Sinus der ersten 45 Grade zurückgeführt. Ferner findet sich aus den Formeln (B)
Eine weitere Folge der Formeln (B) ist
(cos. x ± √ 1 sin. x)(cos. y ± √ 1 sin. y) =
cos. (x ± y) + √ 1 sin. (x ± y)
Daher auch
(cos. x ± √ 1 sin. x)m =
cos. mx ± √ 1 sin. mx
(C)
ein unter dem Namen des Moivreschen Theorems bekannter Satz. Löst man die Gleichungen (C) für cos. mx u. sin. mx auf, entwickelt die darin vorkommenden mten Potenzen der Binome nach dem Binomischen Lehrsatz, führt sodann für m x den einfachen Buchstaben υ ein u. läßt, während mx = υ eine endliche Größe bleibt, m unendlich groß, aber x unendlich klein werden, so findet man die goniometrischen Reihen:
welche eine leichte Berechnung der Functionen für jeden Werth von υ gestatten. Die Betrachtung dieser u. ähnlicher goniometrischer Reihen u. ihrer Umkehrungen wird bisweilen Analytische T. genannt. Mit ihrer Hülfe sind in der That die Sinus, Cosinus, Tangenten u. Cotangenten für alle Winkel von Minute zu Minute, od. auch von 10 zu 10 Secunden, od. selbst von Secunde zu Secunde berechnet u. in Tafeln (Trigonometrische Tafeln) zusammengestellt worden, welche außerdem verstatten für zwischenliegende Werthe der Winkel die Functionen zu interpoliren. Weil aber die goniometrischen Functionen mit wenig Ausnahmen irrationale, also nur durch vielstellige Decimalbrüche näherungsweise ausdrückbare Zahlen sind, mithin zur Rechnung mit ihnen sich der Gebrauch der Logarithmen empfiehlt, so findet man zu größerer Bequemlichkeit in solchen Tafeln gewöhnlich nicht die Werthe der Functionen selbst, sondern sogleich die Logarithmen derselben, wobei wieder (um Weitläufigkeiten der Schrift, welche durch die negativen Kennziffern entstehen würden, zu vermeiden) die Kennziffern immer um 10 Einheiten zu groß angegeben sind. Solche Tafeln dienen ebensowohl, um zu jedem gegebenen Winkel die zugehörigen trigonometrischen Functionen, als auch umgekehrt, um zu einem im Lauf der Rechnung gewonnenen Werth einer solchen Function den zugehörigen Winkel zu finden. Von den goniometrischen Functionen macht man vielfachen Gebrauch in der reinen Arithmetik, z.B. bei Auflösung höherer numerischer Gleichungen, bes. aber wendet man dieselben an zur Berechnung gesuchter Stücke eines Dreiecks aus gegebenen.
II. Ebene Trigonometrie. Zur leichteren Verständigung über die hier einschlagenden Lehrsätze wählt man, nach Eulers Vorgange, durchgängig die Bezeichnung, daß man die drei Spitzen des Dreiecks u. die an ihnen liegenden Winkel A, B, C, die denselben gegenüberliegenden Seiten bezüglich a, b, c nennt. Zunächst sind vier fundamentale Lehrsätze anzuführen, unter denen der zweite wieder eine Folgerung, des ersten, der vierte eine Folgerung des dritten ist. 1) Fällt man von A auf a das Höhenperpendikel h, so ist h : b = sin. B u. h : c = sin. C, daher b : c = sin. B : sin. C, d.h. in jedem ebenen Dreieck sind die Seiten proportional den Sinus der gegenüberliegenden Winkel; dies die Sinusregel. 2) Hieraus folgt (b + c) : (b c) = (sin. B + sin. C): (sin. B sin. C) od. unter Anwendung der Formel (15) unter I. (b + c): (b c) = tg. 1/2 (B + C) : tg. 1/2 (B C) d.h. die Summe zweier Seiten verhält sich zum Unterschiede derselben, wie die Tangente der halben Summe der gegenüberliegenden Winkel zur Tangente des halben Unterschieds derselben, 3) Die durch das Höhenperpendikel gebildete Projection von b auf a dividirt durch b ist der Cosinus des Winkels B u. so ergibt sich mit Hülfe des Pythagoräischen Lehrsatzes b2 = a2 + c2 2 ac cos. B, d.h. das Quadrat jeder Seite ist gleich der Summe der Quadrate der beiden andern Seiten vermindert um das doppelte Product derselben in den Cosinus des eingeschlossenen Winkels, ein Satz, welcher ebensowohl für spitze Winkel B als für stumpfe gilt, wenn man nur bedenkt, daß für stumpfe Winkel der Cosinus negativ, folglich das letzte Glied jener Gleichung positiv wird; dies die Cosinusregelod. auch der erweiterte Pythagoreische Lehrsatz. 4) Aus diesem Satz folgt ferner
od. unter Anwendung der Formel (10) in I.
Diese Sätze reichen zur Lösung aller Aufgaben der ebenen T. vollständig hin: a) Ist eine Seite a u. zwei Winkel, z.B. B u. C, gegeben, so findet sich der dritte Winkel A = 180°_ (B + C), die beiden Seiten b u. c durch die Proportionen aus 1) sin. A : sin. B = a : b u. sin. A : sin. C = a : c, endlich der Flächeninhalt des Dreiecks Δ durch die [827] Formel Δ = 1/2 ah 1/2 ab sin. C. b) Sind zwei Seiten u. der eingeschlossene Winkel gegeben, z.B. b, c u. A, so ist zunächst B + C = 180°_ A; ferner findet sich B C nach dem zweiten Fundamentalsatz durch die Gleichung (b + c): (b c) = tg. 1/2 (B + C) : tg. 1/2 (B C); hierauf kann man aus Summe u. Unterschied der Winkel B u. C jeden von ihnen einzeln berechnen u. zuletzt durch die Sinusregel die dritte Seite a. Die letztere könnte man auch unmittelbar, ohne B u. C zu kennen, durch die Cosinusregel bestimmen, allein bei großen Zahlen ist dieselbe zur logarithmischen Berechnung unbequem. Der Flächeninhalt findet sich wieder durch Δ = 1/2 b c sin A. c) Sind zwei Seiten u. ein nicht eingeschlossener Winkel gegeben, z.B. b, c u. B, so findet sich der andere nicht eingeschlossene Winkel C durch die Sinusregel b : c = sin. B : sin. C, sodann A = 180_ (B + C); endlich die dritte Seite a aufs Neue durch die Sinusregel sin. B : sin. A = b : a u. der Flächeninhalt Δ = 1/2 b c sin A. d) Sind endlich alle drei Seiten gegeben, so ist nach dem vierten Fundamentalsatz sin. 1/2 A =
durch die analogen Formeln lassen sich die Winkel B u. C bestimmen; endlich ist der Flächeninhalt Δ = 1/4 √(a + b + c) (a + b c) (a b + c) ( a + b + c). Für das rechtwinkelige u. das gleichschenkelige Dreieck stellen sich die hier gegebenen Auflösungen noch einfacher dar.
III. Sphärische Trigonometrie. Die Größen, welche in der sphärischen T. in Rechnung gezogen werden, sind Bogen größter Kreise auf einer Kugelfläche u. die von ihnen eingeschlossenen Winkel, also durchgängig Winkelgrößen, daher in den gegenseitigen Relationen nur goniometrische Functionen auftreten. Bezeichnet man wieder die Seiten des sphärischen Dreiecks durch a, b, c, die gegenüberstehenden Winkel durch A, B, C, den Mittelpunkt der Kugel (Scheitel der körperlichen Ecke) durch O, legt man in A an die beiden Seiten b u. c Tangenten, welche unter sich den Winkel A des sphärischen Dreiecks einschließen, u. verlängert man die Kugelhalbmesser OB u. OC bis zu den Durchschnitten J u. K mit diesen Tangenten, so führt eine Anwendung der Regeln der ebenen T. auf das Dreieck AJK za der Gleichung cos. a = cos. b cos. c + sin. b sin. c cos. A (E) welche als die Fundamentalgleichung der sphärischen T. anzusehen ist. Aus ihr lassen sich, wenn man dieselbe Gleichung für cos. b u. cos. c aufstellt, eliminirt u. goniometrisch transformirt, noch drei andere Hauptgleichungen herleiten:
cos. A = sin. B sin. C cos. a cos. B cos. C
sin a : sin. b = sin. A : sin. B
cotg. a sin. b = cotg. A sin. C + cos. b cos. C
(F)
Durch bloße Buchstabenvertauschung lassen sich zu jeder dieser Formeln zwei andere aufstellen, welche für die jedesmal übrigen Seiten u. Winkel gelten. Die Formel (E) läßt sich anwenden, um unter den drei Seiten u. einem Winkel irgend eine Größe aus den übrigen drei zu berechnen; die erste Formel unter (F) dient für das Analoge, wenn die vier in Rede stehenden Stücke drei Winkel u. eine Seite sind; die zweite, wenn dies zwei Seiten u. die beiden nicht eingeschlossenen Winkel sind; die dritte, wenn dies zwei Seiten, der eingeschlossene u. ein nicht eingeschlossener Winkel sind. Sonach sind hierdurch sämmtliche Aufgaben theoretisch erschöpft. Für die logarithmische Rechnung sind sie aber mit Ausnahme der zweiten unter (F) nicht bequem; deshalb hat man auf weitere Umformungen Bedacht genommen. Bezeichnet man mit s die halbe Summe der Seiten, mit S die halbe Summe der Winkel, so gewinnt man folgende Gleichungen:
u. ähnliche Gleichungen für cos. 1/2 A, tg. 1/2 A, cos. 1/2 a, tg. 1/2 a, welche sämmtlich für logarithmische Rechnung sich eignen. Ferner sind in dieser Beziehung vier Relationen von großer Wichtigkeit, welche zuerst Gauß in seiner Theoria motus corporum coelestium 1809 veröffentlichte, Mollweide aber wohl etwas früher gefunden hat, welche daher die Gaußischen od. Mollweideschen Gleichungen heißen, nämlich:
sin. 1/2 (B + C) cos. 1/2 a = cos. 1/2 (b c) cos. 1/2 A
cos. 1/2 (B + C) cos. 1/2 a = cos. 1/2 (b + c) sin. 1/2 A
sin. 1/2 (B C) sin. 1/2 a = sin. 1/2 (b c) cos. 1/2 A
cos. 1/2 (B C) sin. 1/2 a = sin. 1/2 (b + c) sin. 1/2 A
Endlich die unter dem Namen der Neperschen Analogien (von Neper Anfang des 17. Jahrh aufgestellt) bekannten Gleichungen:
tg. 1/2 (b + c)cotg. 1/2 a=cos. 1/2 (B C) : cos. 1/2 (B + C)
tg. 1/2 (b c)cotg. 1/2 a = sin. 1/2 (B C) : sin.1/2 (B + C)
tg. 1/2 (B + C) tg. 1/2 A = cos.1/2 (b c) : cos. 1/2 (b + c)
tg. 1/2 (B C) tg. 1/2 A = sin. 1/2 (b c) : sin. 1/2 (b + c)
Zur Bestimmung des Flächeninhalts Δ eines sphärischen Dreiecks, wenn seine drei Winkel u. der Kugelhalbmesser r bekannt ist, bedient man sich des folgenden Satzes: Nennt man α, β, γ die drei Quotienten der sphärischen Winkel A, B u. C durch. π/2 u. setzt a + β + γ_ 2 = ε, welche Größe der sphärische Exceß genannt wird, so ist Δ = 1/2 π. ε. r2. Aus den drei Seiten des sphärischen Dreiecks aber, deren halbe Summe wie oben durch s bezeichnet werde, findet sich der sphärische Exceß u. damit der Flächeninhalt durch die Formel:
Die Auflösungen vereinfachen sich bedeutend u. schon die Gleichungen (E) u. (F) sind hinreichend, wenn ein Winkel des sphärischen Dreiecks ein rechter ist. Sei A der rechte Winkel, so sind sechs Fälle zu unterscheiden:
1) Gegeb. b u. c, man findet
cos. a = cos. b cos. c
cotg. B = cotg. b sin. c
2) Gegeb. a u. B, man findet
cos. c = cos. a : cos. b
sin. B = sin. b : sin. a
cos. C = tg. b cotg. a
3) Gegeb. b u. B, man findet
sin. a = sin. b : sin. B
sin. c = cotg. B tg. b
sin. C = cos. B : cos. b
4) Gegeb. c u. B, man findet
cotg. a = cos. B cotg. c
cotg. b = cotg. B : sin. c
cos. C = cos. c sin. B
5) Gegeb. a u. B, man findet
sin. b = sin. a sin B
tg. c = cos. B tg. a
cotg. C = cos. a tg. B
6) Gegeb. B u. C, man findet
cos. a = cotg. B cotg. C
cos. b = cos. B : sin. C
Noch ist zu bemerken, daß die ebene T. als besonderer Fall der sphärischen angesehen werden kann,[828] indem endliche sphärische Dreiecke zu ebenen werden, wenn man sich den Kugelhalbmesser unendlich groß werdend denkt. Man kann umgekehrt statt dessen die Seiten des sphärischen Dreiecks als unendlich kleine Bogen betrachten u. mit Rücksicht auf die Reihenentwickelung unter (D) in I. für sin. a, in. b, sin. c überall a, b, c für cos. a, cos. b, cos. c überall 1_ a2/2, 1_ b2/2, 1_ c2/2 substituiren u. die Producte, welche höhere Potenzen neuen Gliedern von niedrigerem Exponenten vernachlässigen. Z.B. geht dann aus (E) hervor (1_ 1/2 a2) = (1_ 1/2 b2) (1_ 1/2 c2) + b c cos. A, das ist aber a2 = b2 + c2 2 b c cos. A; vgl. II. 3). Man behalf sich bei der Theilung der Felder etc. lange blos mit Constructionen, während es bald fühlbar wurde, daß man in der Astronomie auf diesem Wege allzu ungenaue u. unbrauchbare Resultate erhielt u. daß man zur Rechnung seine Zuflucht nehmen müsse. So entstand die sphärische T. früher als die ebene. Ihr Erfinder ist wahrscheinlich der Grieche Hipparchos aus Nikäa (160125 v. Chr.); er u. Menelaos (etwa 98 v. Chr.) lehrten zuerst die Berechnung u. Benutzung der Sehnen im Kreise, dagegen führte Ptolemäos dieselbe auf wenige einfache Sätze zurück; außerdem gibt es aus dem Alterthum noch Sphärika von Menelaos u. Theodosios aus Tripoliza. Eine neue Gestalt gewann die T. durch die Araber, welche statt der Sehnen die Sinus einführten. Der Erste, welcher sie gebrauchte, ist Albategnius (s.d.) um 880; die meisten Verdienste um die T. unter ihnen hat Geber Ben Aphla (um 1090); er unterschied schon die vier Hauptfälle der T. Im 16. Jahrh. nahm die T. einen neuen Aufschwung durch I. Regiomontanus De triangulis omnimodis, Nürnb. 1533, Fol.; enthält eine vollständige ebene u. sphärische T.), N. Copernicus (De lateribus triangulorum tum planorum tum sphaericorum, Wittenb. 1542), Vitiscus (1599 u. ö.). Mit Nepers Erfindung der Logarithmen 1644 beginnt eine neue Epoche für die T. Mit dem Anfange des 19. Jahrh. fängt erst die neue Analysis an sich mit der T. zu verlinden. I. Kresa (Analysis speciosa, Prag 1720) scheint der Erste zu sein, welcher diesen Weg betreten hat. Euler, welcher sich der Zeichen sin, cos. etc. durchgängig bediente u. auch zuerst die Dreieckseiten mit a, b, c u. ihre Gegenwinkel mit A, B, C bezeichnete, kann als der eigentliche Schöpfer der analytischen T. angesehen werden. Die gesammte T. behandelt I. P. W. Steins Geographische T., Mainz 1824. Die ebene u. sphärische T. zugleich: I. C. Schulze, Taschenbuch der Meßkunst, 2. Heft, Berl. 1783; Härtell, Darstellung der ebenen u. härischen T., Züll. 1812; Unger, Handbuch der ebenen u. sphärischen T., Erfurt 1821; Legendre, Elemente der Geometrie u. T.; E. G. Fischer, Lehrbuch der ebenen u. sphärischen T., Berl. 1824; I. A. Grunert, Lehrbuch der ebenen u. sphärischen T., Brandenb. 1832; G. S. Klügel, Analytische T., Brannschw. 1770; La Croix, Ebene u. sphärische T., deutsch von Ideler, Berl. 1822; A. Burg, Analytische T., Wien; E. Wilde, Handbuch der Analytischen T., Berl. 1825; K. D. v. Münchow, Grundlehren der ebenen u. sphärischen T. in rechnender Entwickelungsweise, Bonn 1826; Lübsen, Lehrbuch der ebenen u. sphärischen T., Hamb. 1852, A. 1863. Die ebene T.: Matke. Lehrbuch der ebenen T., Berl. 1821, 2. Aufl.; I. Leslie, Element of Geom. and plain T., Edinb. 1820, 4. Aufl.; I. G. B. Flügel, Anleitung zur ebenen T., Halle 1829; Pfleiderer, Ebene T., Tüb. 1802. Die sphärische T.: Zimmermann, Sphärische T., Berl. 1810; Sniadecki, Sphärische T., aus dem Polnischen von Feldt, Lpz. 1828; K. F. Schulze, Sphärik, ebd. 1828 f., 2 Thle.; I. L. Hestermann, Trigometriae sphaericae leges et formula methodo mere analytico, Wittenb. 1820; Moth, Die Lagrangeschen Relationen u. ihre Anwendungen zur Ableitung etc., Prag 1829. Die sphäroidische T.: B. Oriani, Elementi di Tr. sferoidica, Bologna 1806; E. G. Fog Thune, Tentam. circa trigonometriam sphaer., Kopenh. 1815; Grunert, Sphäroidische T., 1834. Außerdem gehören hierher: Jacobi, De proprietat. triangulorum rectilin., Nürnb. 1825; Crelle, Eigenschaft des ebenen Dreiecks, Berl. 1816; Feuerbach, Eigenschaften merkwürdiger Punkte des ebenen Dreiecks, Nürnb. 1822; M. Hirsch, Sammlung geometrischer Aufgaben, Berl. 1805, 2 Thle., für beide T-n; Puissant, Propositions de géom., 2. Aufl. Par. 1819, u. A.
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