[296] Comitĭa (Comitien, röm. Ant.), 1) in Rom feierliche, ordnungsmäßig zusammenberufene Versammlungen des Volkes, um theils, auf Grund religiöser Institutionen von den Priestern getroffene Anordnungen anzuhören, theils über politische u., echtliche, innere u. äußere Angelegenheiten ihre Stimme abzugeben. A) Zur Zeit der Könige u. bis zur Einführung der Servianischen Verfassung gab es zwei Arten derselben: a) Comitia calāta, welche die Pontifices kraft ihrer Würde u. ihres Amtes beriefen u. als Vorsitzende abhielten. Das Volk Populus, d.h. die eigentlichen od. Altbürger, Patricier) wurde dazu nach Curien dazu berufen; der Ort der Versammlung war auf dem Capitol vor der Curia Calabra, einem Amtsgebäude der Pontifices, welches ausschließlich zu diesem Zwecke benutzt worden zu sein scheint; der Zweck, wozu sich das Volk versammelte, war: an den jedesmaligen Kalenden die Disposition des monatlichen Kalenders zu erfahren; hauptsächlich der Weihe der Flamines u., nach der Abschaffung des Königthums, des Rex sacrorum (s.d.) beizuwohnen, sodann Zeuge zu sein von letztwilligen Verfügungen (Testamenten, welche in Ermangelung der Kenntniß der Schreibkunst in ältester Zeit vor dem ganzen Volk gemacht wurden) u. der Detestatio sacrorum, d.h. der feierlichen Erklärung des künftigen Testamentserben, die Sacra privata des Testators übernehmen zu wollen. b) Comitia curiāta, Versammlungen des Volkes (Populus) zur Abgabe seiner Stimmen in Staatsangelegenheiten. Berufen wurden diese C. von dem König durch Lictoren, gehalten auf dem Comitium (s.d.) u. präsidirt von dem König od. wem derselbe den Auftrag dazu ertheilte; der Wirkungskreis derselben war: die Wahl der Magistrate, Genehmigung od. Verwerfung neuer Einrichtungen u. gesetzlicher Bestimmungen (die Initiative hatte das Volk damals nicht), Beschluß über zu beginnenden Krieg u. Abschließung von Bündnissen, Ausübung der obersten Gerichtsbarkeit über Capitalsachen, Einwilligung zur Aufnahme neuer Mitglieder in die Curien (sowohl Fremder als auch Plebejer), zur Ertheilung der Civität u. zu Adoptionen. Die Abstimmung war nicht viritim, sondern nach Curien, jene geschah innerhalb der Curien, in den C. wurde nur die Curiatstimme abgegeben, u. zwar war zu gültigen Beschlüssen die einfache Majorität erforderlich, also, da es 30 Curien gab, 16 Stimmen. B) Als durch die Servianische Verfassung u. namentlich zur Zeit der Republik eine Veränderung in der Gliederung des Volkes vorging, kamen zu den beiden genannten Arten von C. noch die Centuriat- u. Tributcomitien, u. den Curialcomitien blieb dann nur noch die Bestätigung der in jenen gewählten Magistrate u. gegebenen Gesetze, die Aufnahme Fremder unter die Patricier, Erhebung der Plebejer zum Patriciat, die Adoptionen, auch noch die Wahl der Consuln u. Censoren, so lange zu diesen Ämtern blos Patricier wählbar waren. Am längsten erhielt sich in diesen Comitien die Adoption, welche erst 286 n. Chr. von Diocletian durch ein besonderes Gesetz aufgehoben wurde. c) Comitia centuriata, Versammlungen aller in den Klassen begriffenen Bürger. Das Recht sie zu berufen u. in ihnen zu präsidiren hatten gewöhnlich die Consuln od. der Dictator od. der Interrex; welcher von beiden Consuln den Vorsitz führte, wurde entweder gleich beim Anfang des Amtsjahres durch Vergleich od. das Loos bestimmt, od. der Senat gab dazu ein besonderes Mandat. Bekannt gemacht wurden diese C. durch ein von dem Vorsitzenden od. in dessen Auftrag von dem Praetor urbanus öffentlich angeschlagenes Edict, in alter Zeit 30, später 17 Tage vor der Abhaltung. Abgehalten wurden sie regelmäßig auf dem Campus Martius, nach vorhergegangener Anstellung von Auspicien; waren die Auspicien nicht dagegen, so erfolgte die Berufung dadurch, daß auf der Burg u. auf den Mauern das Horn geblasen wurde; die Tage, an welchen C. zusammengerufen werden durften (Cômitiales dies), etwa 190 an der Zahl, waren in dem Kalender verzeichnet. Nachdem sich das Volk versammelt hatte, wurde bei Gesetzgebungsangelegenheiten erst eine Vorberathung gehalten, u. dann trat das Volk, in Centurien geordnet, auf den Platz der Abstimmung. Der Vorsitzende, welcher seinen Platz auf dem Tribunal hatte, eröffnete die Handlung im Beisein von Priestern, mit Opfer u. Gebet u. mit der Formel: quod bonum, felix, faustum, fortunatum sit (was gut, glücklich, günstig, förderlich sein möge!) machte den den C. vorliegenden Gegenstand[296] nochmals bekannt u. forderte das Volk auf, darüber Beschluß zu fassen. Diese den C. vorgelegten Gegenstände waren Magistratswahlen, Beschlußnahme über Gesetze u. Erkenntniß über Criminalfälle. Die Abstimmung geschah nach Centurien. Die Art der Abstimmung war in alter Zeit mündlich u. öffentlich, später in Folge der Tabellariae leges (s.d.) durch Täfelchen (Tesserae). Bei Wahlen erhielt jeder ein solches mit Wachs überzogenes Täfelchen, worauf der Name des od. die Namen der zu Wählenden mit dem Griffel geschrieben wurden; bei Gesetzsachen zwei, von denen das eine mit V. R. (uti rogas, d.h. wie du vorschlägst), das andere mit A. (antiquo. d.h. für das Alte) bezeichnet; endlich bei Criminalprocessen auch zwei, auf deren einem C. (condemno, d.h. ich verurtheile) u. auf dem anderen A. (absolvo, d.h. ich spreche frei) stand; daß in letzterem Falle noch ein drittes Täfelchen mit dem Zeichen N. L. (non liquet, es ist mir nicht klar) gegeben worden sei, ist eine spätere unerwiesene Annahme. Wenn das Abstimmen begann, traten die Centurien einzeln zur Septa (Ovile), dem abgesonderten Platze auf dem Campns, erhielten vor dem Eintritt die Täfelchen u. legten eine davon in den Stimmkorb (Cista). Die Tafeln wurden nach Beendigung der Abstimmung in ein an die Septa stoßendes Gebäude (Diribitorium) gebracht u. daselbst von besonderen Leuten (Diribitores) unter Aufsicht gesondert. Die Majorität einer Centurie galt für Eine Stimme, daher das Resultat sich nicht nach der Zahl der Stimmen, sondern nach der der Centurien richtete; es gab aber 193 Centurien, die einfache Majorität war 97, u. wenn die zuerst stimmenden 18 Rittercenturien u. die 80 Centurien der ersten Klasse (Centuriae praerogativae) einig waren, so war die Sache schon entschieden, u. die übrigen Centurien brauchten ihre Stimmen gar nicht abzugeben. Zuletzt wurde das Resultat bekannt gemacht (Renuntiatio). Wegen dieser etwas weitläufigen Art der Abstimmung kam es auch vor, daß dieselbe an Einem Tage nicht beendigt, sondern auf den anderen verschoben werden mußte, namentlich bei Wahlen u. Gesetzvorlagen. Nach Beendigung der Ahstimmung entließ der Vorsitzende die Versammlung. Bei etwa vorgekommenen Formfehlern hatte der Senat die Cognition u. konnte Wahlen annulliren od. Gesetze für ungültig erklären. d) Comitia tribūta, Versammlungen der Tribus (s.d.), wo Anfangs blos die Plebs zusammenkam, erst seit 499 v. Chr. wurden die Patricier in der Tribus, zu welcher sie ihrem Wohnorte nach gehörten, stimmberechtigt, u. so wurden diese C. ebenfalls allgemeine Volksversammlungen, welche Wahlen, Gesetze u. Processe zu ihrer Competenz hatten. In ihnen hatten die Volkstribunen den Vorsitz u. die Initiative u. behielten dieselben stets bei Gesetzvorschlägen, später präsidirten bei den hier vorgenommenen Wahlen die Consuln u. Prätoren. Beschlüsse, welche hier gefaßt wurden, hießen Plebiscita. Diese C. waren rücksichtlich ihrer Abhaltung an keinen bestimmten Ort gebunden, es geschah auf dem Markte, dem Capitolium, dem Marsfelde, im Circus Flaminius u.a. a. O. Rücksichtlich der Zeit galten früher die Markttage (Nundinae) als die bestimmten, später auch jeder andere erlaubte Tag (Dies comitiales). Die Formen der Berufung u. Ordnung waren denen der Centuriatcomitien ähnlich, doch einfacher sie wurden an Redetagen (Conciones) mündlich angekündigt u. den Tribulen auf dem Lande durch Boten bekannt gemacht, u. dann an den betreffenden Tagen durch Herolde zusammenberufen. Gesetzvorschläge wurden ebenfalls 17 Tage vorher promulgirt. Die Versammlung selbst begann damit, daß der Präsident durch den Herold Ruhe gebieten ließ, dann sprach er ein Gebet u. hielt eine einleitende Rede, u. nun begann die Verhandlung. Wenn ein Gesetzvorschlag zur Abstimmung kam, so wurde derselbe durch einen Herold od. Schreiber vorgelesen; darauf begann die Discussion, wobei der Präsident den einzelnen Sprechern das Wort ertheilte; endlich erfolgte die Abstimmung. Dazu traten die Versammelten, welche bisher unter einander gestanden hatten, nach den Tribus, deren es 35 gab, zusammen. Die Tribus stimmten alle zusammen, nur die erste (Principium) wurde durchs Loos gewählt u. deren Ergebniß für sich verkündigt, worauf die übrigen 34 nachfolgten. Die Centuriat- u. Tributcomitien, welche beide gleiche Befugnisse hatten, unterschieden sich darin: die Centuriat-C. waren die eigentlichen C. (C. justa), in ihnen äußerte sich die Souveränetät des ganzen römischen Volkes, sie übten, obgleich die Curiat-C. auch noch fortbestanden, die Hoheitsrechte, welche vorher diesen zugestanden hatten, u. waren bei dem Übergewicht, welches die Aristokratie in ihnen hatte, die eigentlichen Repräsentanten des conservativen Elementes; die Staatsgesetzgebung (ihre Beschlüsse auf diesem Gebiete allein waren Leges), die Wahl der höheren Magistrate, die Entscheidung über den Krieg u. die höchste Gerichtsbarkeit in Capitalsachen gehörte zu ihrer Competenz. Dagegen die Tribut-C., ursprünglich staatsrechtlich incompetent, enthielten das demokratisch-bewegliche Element des Volkes u. dehnten erst allmälig in den Kämpfen der Plebs mit den Patriciern ihre Befugnisse auf dem Wege der Usurpation aus. Diese Erweiterung des Kreises ihrer Befugniß geschah aber weniger auf Kosten der zähen, an ihren Rechten haltenden Centuriat-C., als auf Kosten der höheren Magistrate u. des Senates, da sie vorzugsweise Gegenstände der Verwaltung für sich in Anspruch nahmen. Ihr Wahlrecht beschränkte sich auf die Wahl der ursprünglich plebejischen u. stets von der Plebs gewählten Magistrate (Tribunen u. Ädilen), der früher von den Consuln u. dem Senat gewählten Magistratus minores u. der außerordentlichen Commissionen, welche zu besonderen Zwecken ernannt wurden; doch wählten sie später auch die oberen Priester, wie die Pontifices u. Auguren. Ferner gehörten in ihren Bereich die Bestimmungen über auswärtige Angelegenheiten, auch Friedensschlüsse, früher von dem Senat behandelt; rücksichtlich der Gesetzgebung gehörten früher vor sie nur die im Interesse der Plebs gegebenen Gesetze, u. sie bedurften der von dem Senat ausgehenden Initiative u. der Bestätigung der Curialcomitien, aber nach u. nach ging nicht allein die Initiative bei solchen Gesetzen auf die Tribut-C. über u. die Bestätigung der Curiat-C. wurde bedeutungslos, sondern wegen des formloseren u. deshalb schnelleren Verfahrens in den Tribut-C. u. weil von den Tribunen, als den Trägern der Idee des Fortschrittes, die meisten Gesetzvorschläge ausgingen, fiel die ganze Gesetzgebung immer mehr den Tribut-C. zu, so daß den Centuriat-C. nur die denselben durch ausdrückliches [297] Gesetz od. durch Herkommen zugewiesenen blieben. So gingen auch eine Menge Bestimmungen, welche früher vom Senat u. von Magistraten getroffen wurden, auf die Tribut-C. über, so die Verfügung über den Gehalt der Münzen, Normirung der Maße, Ertheilung von Privilegien, Triumphen, militärischen Belohnungen, der Civität, Widmung u. Weihung von Tempeln etc. Im Rechtswesen stand ihnen zu, Provocationen über Geldstrafen anzunehmen, das Recht, die Amtsführung der plebejischen Magistrate zu beaufsichtigen u. dieselben nach Ablauf ihrer Amtszeit in Anklagestand zu versetzen; Processe wegen Incest, Wucher, Zauberei u. dgl. Fälle zu entscheiden. Bei Fällen, wobei eine weitläufigere Untersuchung nöthig war od. für welche ein gesetzliches Verfahren nicht bestand, autorisirten die Tribut-C. durch ein Plebiscit den Senat, ein außerordentliches Rechtsverfahren unter Vorsitz eines Consuls od. Prätors anzuordnen. Die fast allmächtig in Rom gewordenen Tribut-C. wurden von Sulla durch die Cornelia lex vom Jahr 81 v. Chr. in dem Umfang ihrer Befugnisse wesentlich beschränkt, indem sie die Gesetzgebung ganz verloren u. nur noch die Wahl der niederen Magistrate behielten; als ihnen Pompejus im Jahr 70 v. Chr. ihre Rechte wiedergab, hatten sich inzwischen die Verhältnisse in Rom so geändert, daß an eine Achtung des Volkswillens u. Volkswohles nicht mehr zu denken war, sondern daß die Macht der Tribut-C. nur von denen zu egoistischen Zwecken gemißbraucht wurde, welche nach der Alleinherrschaft strebten. Als unter den Kaisern alle Macht, auch die tribunicische, in Einer Hand vereinigt wurde, verloren die C. ihre Bedeutung, namentlich hatten sie seit der Zeit Trajans bei der Gesetzgebung gar keine Mitwirkung mehr. 2) In Deutschland so v. w. Reichstage, s.d.; daher Comitialserien, Ferien des Reichstages; Comitialgesandter, ehedem Gesandter beim Reichstag in Regensburg.
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