Polignac [2]

[272] Polignac (spr. Polinjack), altes französisches Geschlecht; leitete seinen Namen von dem Marktflecken P. ab, beherrschte unter dem Vicomtetitel die Landschaft Velay im jetzigen Departement Haute-Loire, starb 1421 aus u. hinterließ Namen u. Besitzungen der verwandten Familie Chalençon; diese erhielt 1780 die französische Pairswürde, 1820 die Fürstonwürde des Römischen Stuhls u. 1838 die baierische Fürstenwürde mit Ausdehnung auf alle Nachkommen. 1) Scipion de P., Sohn Armands XVI. von P., wurde zum Marquis erhoben, war Generallieutenant u. Gouverneur von Puy u. st. 1739. 2) Melchior, Bruder des Vor., geb. 1661; wurde Geistlicher u. zu mehrern Missionen gebraucht, so 1693 an Johann Sobieski nach Polen, um diesen Fürsten von dem Bündniß[272] mit Österreich abzuziehen, u. später nach Warschau, um dem Prinzen Conti die polnische Krone zu verschaffen; da diese Unterhandlungen jedoch mißglückten, so wurde er 1698 zurückgerufen u. in seine Abtei Bonport verwiesen. 1706 gebrauchte man ihn jedoch wieder zu einer Sendung nach Rom, sowie 1710 bei den Verhandlungen in Gertruydenburg u. hierauf bei dem Congresse in Utrecht. Später wurde er Cardinal u. 1725 französischer Gesandter in Rom; er kehrte 1732 nach Frankreich zurück, wo er bereits 1726 das Erzbisthum Auch erhalten hatte, u. st. 1741. Er ist der Verfasser des Anti-Lucretius (eines lateinischen Gedichts, worin er den Epicureismus des Lucretius widerlegt), herausgeg. Par. 1747, 2 Bde., Lpz. 1748; auch deutsch u. in andere Sprachen übersetzt. 3) Yolande Martine Gabriele geb. de Polastron, Herzogin von P., geb. 1750; heirathete 1760 den Grafen Jules von P., den Enkel des Vor.; war höchst liebenswürdig u. gewann dadurch bald die Gunst der Königin Marie Antoinette, u. durch deren Einfluß wurde ihr Gemahl zum ersten Stallmeister u. 1780 zum Herzog u. die Gräfin selbst 1781 zur Gouvernante der königlichen Prinzen u. Prinzessinnen ernannt. Solche Gunst zog ihr aber vielen Neid zu, sie wurde vielfach verleumdet u. endlich so angefeindet, daß ihr die Königin selbst 1789 die Flucht befahl. Sie hielt sich nun in der Schweiz u. dann in Wien auf u. starb an letzterem Orte 1793. Außer den drei Folgenden hatte sie noch einen Sohn, welcher Mönch wurde, u. eine Tochter, die Herzogin von Guise, mit welcher der Herzog Jules nach dem Tode seiner Gemahlin nach Rußland ging; er erhielt nach der Restauration der Bourbons die Pairswürde, blieb aber in Rußland u. st. dort 21. Sept. 1817. 4) Armand, Herzog von P., Sohn des Vor., geb. 17. Jan. 1771 in Paris, lebte nach der Emigration längere Zeit in Rußland, nahm dann mit seinem Bruder an Tadoudals u. Pichegrus Verschwörung gegen Bonaparte Theil u. wurde 1804 verhaftet, aber 1814 beim Einrücken der Verbündeten in Frankreich frei. 1815 trat er in die Deputirtenkammer, wurde Adjutant des Grafen von Artois u. nach dem Tode seines Vaters 1817 Herzog von P. u. Pair von Frankreich. 1825 wurde er erster Stallmeister Karls X. u. ging mit diesem 1830 nach England u. 1832 nach Prag. Er lebte abwechselnd dort u. auf seinen baierischen Gütern. 1838 erhielt er den baierischen Fürstenstand u. st. 2. März 1847. 5) Jules, Fürst von P., Bruder des Vorigen, geb. 14. Mai 1780 in Versailles, emigrirte 1790, u. in Rastadt ließ sein Vater ihn u. seine Brüder auf ein Crucifix schwören, stets die Revolution zu bekämpfen. Mit seinem Bruder Armand nahm er 1804 an Cadoudals Verschwörung Theil, Armand wurde zum Tode verurtheilt, aber Jules bot sein Leben für das seines Bruders, welcher Familienvater war. Die brüderliche Liebe interessirte die Kaiserin Josephine für ihn, u. beide Brüder wurden begnadigt. Sie saßen bis 1814 gefangen u. flohen dann nach Vesoul zum Grafen von Artois (Karl X.), welcher sie mit Vollmachten nach Paris voraussandte. Mit dem König zog er 1815 nach Gent, kehrte mit ihm zurück, ward zum Deputirten ernannt, zeigte sich 1816 als Gegner der Charte, wurde Pair u. war Mitglied des Kriegsgerichts, welches Lallemand verurtheilte; 1820 erhob ihn der Papst in den römischen Fürstenstand, 1823 ging er als Gesandter nach England. Eng schloß er sich hier nach Cannings Tode an Wellington u. dessen System an, u. zum Theil durch den Einfluß dieses, wurde ihm am 8. August 1829 die Bildung eines Ministeriums ganz im Sinne der Ultras übertragen, dessen Präsident er seit dem Nov. 1829 war. Aber durch seine Maßregeln stürzte er Frankreich in eine neue Revolution u. brachte das Haus der Bourbonen um den Thron, s. u. Frankreich (Gesch.) X. P. war während der Julirevolution in Paris gewesen, hatte sich, als man den 27. sein Ministerhotel stürmte u. zerstörte, nach den Tuilerien gerettet u. dort den 28. verweilt, jedoch alle Unterhandlungsvorschläge zurückgewiesen. Erst als das Volk Miene machte, auch die Tuilerien anzugreifen, zog er sich nach St. Cloud zum König. Doch auch in dessen Gefolge sich nicht sicher glaubend, entfloh er gegen die Nordküste Frankreichs, um sich hier nach England einzuschiffen. Doch in der Normandie bei Granville wurde er unter der Verkleidung eines Bedienten erkannt, verhaftet u. nach Vincennes gebracht. Dort befanden sich schon Peyronnet, Chantelouze u. Guernon Ranville, ebenfalls vor Kurzem erst eingetretene Minister, u. diese vier wurden nun vor das Pairsgericht gestellt, welches Ende December P. zum bürgerlichen Tode, Verlust seiner Stellen u. Titel u. ewigem Gefängniß verurtheilte. Er wurde nach Ham gebracht, wo er bis 1838 blieb. Vom König Louis Philipp amnestirt, lebte er seitdem in England, dem Vaterlande seiner beiden Gattinnen (Barbara Campbell [st. 1819] u. Marie Charlotte Parkyns, Tochter des Lords Rancliffe), u. in München. 1843 ging er in Familienangelegenheiten nach Paris, mußte aber binnen 24 Stunden die Stadt verlassen. Er st. 29. März 1847 in England. Während seiner Haft schrieb P.: Considérations politiques etc., Par. 1832. 6) Camille Henri Melchior, Graf von P., Bruder des Vorigen, geb. 1781 in Paris, machte seine Studien in Österreich u. blieb dann in England bis zur ersten Restauration, wurde 1814 Oberst u. Adjutant des Herzogs von Angoulème, begleitete diesen 1815 nach dem Süden, wurde 1821 in Spanien Generalmajor u. 1827 erster Edelmann der Kammer des Dauphins, welchen er auch nach England u. später nach Deutschland begleitete. 1830 ließ ihn Louis Philipp von der Armeeliste streichen. Er lebte darauf einige Zeit im Auslande, kehrte aber später nach Frankreich zurück u. st. im Febr. 1855 in Fontainebleau. 7) Fürst Armand, Herzog von P., Sohn von P. 5) u. der Barbara Campbell, geb. 12. Aug. 1817, folgte seinem Vater 1847 als Haupt der Familie; er ist baierischer Hauptmann à la suite u. seit 1842 vermählt mit Amalie, geb. Marquise de Crillon; sein älterer Sohn Heraclius ist geb. 1843.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 13. Altenburg 1861, S. 272-273.
Lizenz:
Faksimiles:
272 | 273
Kategorien: