Saint-Simon

[769] Saint-Simon, 1) Louis de Rouvroy Duc de St. S., geb. 1675, angeblich Abkömmling der Herzöge von Vermandois; focht 1692 unter dem Marschall von Luxembourg bei Fleurus u. Neerwinden u. wurde schnell Marechal de Camp; später von Ludwig XIV. vernachlässigt, trat er aus der Armee u. führte ein unabhängiges Leben, wurde aber zuletzt ein Gegner der Maintenon. Unter der Regentschaft des Herzogs von Orleans war er dessen Vertrauter u. Rath u. widersetzte sich den Law'schen Finanzprojecten; 1722 warb er für den jungen Ludwig XV. um eine spanische Prinzessin u. wurde Grand von Spanien. Nach dem Tode des Regenten zog er sich auf seinen Landsitz Laferté zurück u. st. hier 2. März 1755. Seine Memoiren, welche der Hof in Beschlag nahm u. im Staatsarchiv niederlegte, schildern das damalige Leben u. die Sittenlosigkeit des Hofes; im Auszug, Par. 1788, vollständiger von Soulavie, Strasb. 1791, 13 Bde., Par. 1818, 6 Bde., u. vollständig herausgeg. von Sautelet, Par. 1829 f., 20 Bde. u.ö.; englisch bearbeitet von Bayle Saint-John, 1858. 2) Claude Anne, Herzog von St. S., geb. 1740; begann seine militärische Laufbahn als Cadet in Strasburg u. schiffte sich 1779 mit den nach Martinique bestimmten Truppen ein; 1780 ging er als General in spanische Dienste u. wurde mit 2000 Spaniern nach Amerika geschickt. Nach seiner Rückkehr nach Frankreich erhielt er 1783 das Commando von St. Jean-Pied-de-Port, 1789 wurde er Deputirter bei der Nationalversammlung, protestirte gegen die Handlungen derselben u. wandte sich wieder nach Spanien, wo er die aus Emigranten zusammengesetzte königliche Legion als Generallieutenant befehligte. Er kämpfte bei Irun u. vertheidigte die Stellung von Argensu u. commandirte 1795 als zweiter General die Armee von Navarra. 1797 wurde er Generalgouverneur von Alt-Castilien, befehligte 1801 die gegen Portugal bestimmte Armee u. 1802 das Heer in Galicien u. wurde 1803 Grand von Spanien. 1808 von den Franzosen in Madrid mit den Waffen in der Hand gefangen, ward er erst 1814 nach dem Frieden befreit, kehrte nach Spanien zurück u. wurde zum Herzog u. Feldmarschall der spanischen Armee ernannt. 3) Claude Henri, Graf von St. S., Enkel von S. S. 1), geb. 17. April 1760 in Paris, trat 1777 in französische Dienste u. ging 1779 nach Nordamerika, wo er als Lafayette's Adjutant für die Nordamerikaner 5 Jahre focht u. 1782 in englische Gefangenschaft gerieth. Nach dem Frieden legte er dem Vicekönig von Mexico einen Plan zur Verbindung des Atlantischen u. Stillen Oceans vor, welcher jedoch kalt aufgenommen wurde. 1789 als Oberst nach Frankreich zurückgekehrt, bereiste er Holland u. Spanien, nahm aber an den Begebenheiten der Revolution keinen thätigen Antheil, erwarb jedoch durch den Kauf von Nationalgütern Vermögen. Er legte Schnellposten u. ein großes Industrieetablissement an u. widmete sich, als dieses fehlschlug, später ganz den Wissenschaften, bes. der Physik u. Physiologie. Hierauf bereiste er England, Deutschland u. die Schweiz, dann gab er seine Introduction aux travaux scientifiques, Par. 1803, u. Lettres, ebd. 1808, heraus. Ferner schrieb er mit Thierry: De la régénération de la société europ., ebd. 1814, u. L'industrie aux discussions polit., mor. et philos. dans l'intérèt de tous les hommes livrés à des travaux utiles et indépendans, ebd. 1817, etc., worin er das parlamentarische u. vertretende System schildert u. den Übergang der feudalen zu einer durchaus neuen, auf Industrie begründeten Regierung andeutet. In dieser u. anderen Schriften hatte er den socialen Zustand der Arbeiter verbessern wollen, fand aber so wenig Beifall, daß die Arbeiter den Polizeiminister baten die Lehren St. S-s zu unterdrücken. 1819 gab er das Journal Organisateur heraus, zog sich aber damit einen politischen Proceß zu, indem er behauptet hatte, es sei besser, daß alle königlichen Prinzen, als alle Gelehrte u. Künstler umkämen. Die Geschworenen sprachen ihn jedoch frei. St. S. st. 19. Mai 1825 in Paris in großer Dürftigkeit an den Folgen einer Wunde, welche er sich aus Verzweiflung selbst beigebracht hatte. Erst nach seinem Tode nahmen einige seiner Anhänger sein System auf u. bildeten es aus, s. Saint-Simonismus. St. S. schr. ferner: Politique, Par. 1820; Système industriel, ebd. 1821; Catéchisme des industriels, ebd. 1823; Des Bourbons et des Stuarts; 1822; Opinions littér., philos. et industr., 1825; Nouveau Christianisme, ebd. 1825; Oeuvres, herausgegeben von Rodrigues, 1841.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 14. Altenburg 1862, S. 769.
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