Steffens

[721] Steffens, Henrich, geb. 2. Mai 1773 zu Stavanger in Norwegen; studirte seit 1790 in Kopenhagen die Naturwissenschaften u. bereiste 1794 Norwegen; er litt bei seiner Rückkehr an der Mündung der. Elbe Schiffbruch, lebte 1795 in Hamburg u. ertheilte seit 1796 in Kiel Unterricht in den Naturwissenschaften, ging dann nach Jena, wo er Schelling[721] kennen lernte u. Anhänger der Naturphilosophie wurde, u. nach Freiberg, wo er bei Werner studirte; er hielt dann seit 1802 Vorlesungen in Kopenhagen, ging 1804 als Professor nach Halle, lebte 1807–1809 in Holstein, Hamburg u. Lübeck, dann wieder in Halle u. ging 1811 nach Breslau. Er machte 1813 den Krieg gegen Frankreich mit u. kehrte nach dem Frieden als Professor der Physik u. philosophischen Naturlehre nach Breslau zurück. Hier wurde er katholisch, kehrte aber bald zum Lutherthume zurück; ging 1831 nach Berlin als Professor u. st. hier 13. Februar 1845. Er schr.: Beiträge zur innern Naturgeschichte der Erde, 1801; Grundzüge der philosophischen Naturwissenschaft, Berl. 1806; Über die Idee der Universitäten, ebd. 1809; Geognostisch-geologische Aufsätze, ebd. 1810; Handbuch der Oryktognosie, ebd. 1811–24, 4 Bde.; Die gegenwärtige Zeit, ebd. 1817, 2 Bde.; Caricaturen des Heiligsten, Lpz. 1819–21,2 Thle.; Über Deutschlands protestantische Universitäten, Berl. 1820; Schriften, alt u. neu, Bresl. 1821, 2 Bde.; Anthropologie, ebd. 1822, 2 Bde.; Polemische Blätter zur Beförderung der speculativen Physik, ebd. 1829–35,2 Hefte; Von der falschen Theologie u. dem wahren Glauben, ebd. 1824, 2. Aufl. 1831; Wie ich wieder Lutheraner wurde u. was mir das Lutherthum ist, ebd. 1831; Über geheime Verbindungen auf Universitäten, Berl. 1835; Christliche Religionsphilosophie, Bresl. 1839, 2 Bde.; Was ich erlebte (Selbstbiographie), ebd. 1840–43,10 Bde., 2. A. 1844–46; die Novellen: Die Familien Walseth u. Leith, Berl. 1827._– 30, 3 Bde.; Die vier Norweger, ebd. 1828, 6 Bde.; Malcolm, ebd. 1831, 2 Bde.; Die Revolution, ebd. 1837, 3 Bde., gesammelt als Novellen, ebd. 1837 f., 16 Bdchn. Nach seinem Tode erschienen: Nachgelassene Schriften, Berl. 1846. In der Blüthezeit der Schellingschen Naturphilosophie trat S. zuerst als einer ihrer geistvollsten Vertreter auf; namentlich seine Anthropologie machte als ein Versuch, das Wesen des Menschen aus der Natur des Universums zu begreifen, Aufsehen. Neben seinen speculativen Ansichten beseelten ihn aber zugleich sehr lebhafte praktische, sittliche u. religiöse Interessen. In der Zeit des französischen Drucks gehörte er zu denen, welche das Vertrauen auf die Befreiung u. Wiedererhebung Deutschlands nicht verloren; im Jahre 1813 bestimmten seine begeisterten Reden viele Studierende in die Reihen des Heeres einzutreten u. er selbst machte als Freiwilliger den Feldzug von 1813 bis zur Einnahme von Paris mit. Aber auch später suchte er durch seine Schriften Die gegenwärtige Zeit u. wie sie geworden, Die Caricaturen des Heiligsten u.a. in weiteren Kreisen auf die Gesinnungen seiner Zeitgenossen einzuwirken. Sein Übertritt zum Katholicismus, so wie sein Rücktritt zum Protestantismus waren die Folgen eines inneren religiösen Kampfes u. der allmälig in ihm entstandenen Überzeugung von der Unhaltbarkeit u. dem Unbefriedigenden des speculativen Pantheismus; seine Abneigung gegen die Union u. die Lebhaftigkeit, mit welcher er seine Überzeugungen auch über andere Gegenstände, wie das Turnwesen, das Verbindungswesen auf den Universitäten vertrat, verwickelte ihn dabei in mancherlei Streitigkeiten. Bedeutender als seine wissenschaftlichen Leistungen, deren leitende Principien er in seiner späteren Lebenszeit selbst aufgab, sind seine Novellen, dichterische Schöpfungen, die, wenn sie auch nicht den Rang vollendeter Kunstwerke für sich in Anspruch nehmen können, doch durch ihre philosophische Feinheit u. Tiefe, die plastische Darstellung bestimmter Volksthümlichkeiten u. historischer Ereignisse, die Pracht der Naturschilderungen u. den tiefen Ernst einer religiösen Weltanschauung eine ausgezeichnete u. ehrenvolle Stelle in der deutschen Literatur einnehmen u. von der reichen Begabung ihres Urhebers ein glänzendes Zeugniß ablegen. Seine Selbstbiographie enthält trotz ihrer subjectiven Färbung interessante u. werthvolle Beiträge zur Charakteristik der Zeit, welche er mit durchlebt hat.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 16. Altenburg 1863, S. 721-722.
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