Stiefel [1]

[822] Stiefel, 1) Kleidungsstück, bes. für Mannspersonen, welches den Fuß u. auch das Bein bedeckt. Der Name kommt angeblich vom lateinischen isti valent (diese sind gut), welchen Ausruf Jul. Cäsar gethan haben soll, als ihm, nachdem er einen Preis auf die Erfindung einer bessern, mehr gegen die Nässe schützenden Fußbekleidung der Soldaten ausgesetzt hatte, unter mehrern Proben eine die Beine bedeckende, unsern S-n ähnliche Art am besten gefiel; nach And. kommt es von steif u. bedeutet eine steife Fußbekleidung. Der obere Theil heißt Stiefelschaft, der untere Stiefelschuh u. davon wieder der vordere Theil das Stiefelfußblatt; der Absatz wird mit hölzernen Nägeln (Pflöcken) an der Sohle befestigt. Die Löcher zu diesen Nägeln werden mit einem spitzigen eisernen Werkzeuge (dem Pflöcker) in das Leder geschlagen. Die zu den Absätzen gebrauchten Stücken Leder selbst heißen Flecke od. Halbflecke. Die S-n sind einnähtig, wenn die Schäfte hinten zusammengenäht u. eine Zunge des Stiefelschuhes in den Kropf des Schaftes eingenäht ist, um dadurch die Fußkehle nachzubilden; od. zweinähtig, wenn die Schäfte aus zwei Haupttheilen bestehen u. an beiden Seiten zusammengenäht werden. Bei zweibälligen S-n paßt jeder S. für beide Füße, bei einbälligen ist der rechte S. anders als der linke u. jeder paßt nur an einen Fuß. Rahmenstiefeln sind nach Art der Rahmenschuhe (s.d. unt. Schuh 2) gemacht. Beim Anziehen der S-n steckt man die Finger durch die oben an beiden Seiten des Schaftes angebrachten Ösen von Leder od. Band (Stiefelstrippen). Die Halbstiefeln haben kürzere Schäfte, als die gewöhnlichen[822] S-n. Bei den Husarenstiefeln sind die Schäfte oben bogenförmig ausgeschnitten u. vorn mit einer Quaste versehen. Jagdstiefeln sind meist von starkem Juchtenleder, u. die rothe Seite meist nach außen gekehrt; sie reichen bis an die halben Dickbeine, lassen sich aber bis unter das Knie herabschlagen. Steife S-n sind einnähtige S-n, mit Schäften von gebranntem Rinds- od. Roßleder, welche vorn ein Stück über die Knie hinaufreichen, hinten unter der Kniekehle ausgeschnitten sind; sind sie zusammengenäht, so werden sie gebrannt u. abgeraspelt, um die groben Fasern wegzuschaffen, dann werden sie über einem Strohfeuer geflammt, um die kleineren Fasern abzusengen. Nachher werden sie wiederholt mit einer Masse von 1 Theil Wachs u. zwei Theilen schwarzen Pechs u. dem nöthigen Kienruß bestrichen u. über einem Strohfeuer erhitzt, damit sich die Wichse gehörig in das Leder ziehe. Gewöhnlich sind die Schäfte dieser S. aus dem Ganzen, bisweilen mit einer besonderen Stulpe (dann Stulpenstiefeln) versehen; am Absatz ist ein Spornleder, um den Anschnallsporn vor dem Herabrutschen zu bewahren. Diese S-n sind für Reiter (Reiterstiefeln), Couriere (Courierstiefeln) bestimmt u. werden von Stallmeistern, Bereitern, in einigen Armeen auch von der schweren Cavallerie, auch von Studenten (Kanonenstiefeln) getragen. Die Ungarn, Illyrier u. andere Nationen tragen sehr niedrige Schnürstiefeln (Zischmen), welche über der Fessel zugeschnürt werden. Leichtere zweinähtige S-n, welche nur bis aus Knie reichen u. dort eng anschließen, heißen Ecuyers (russische S-n, preußische S-n, Suworowstiefeln). Die S-n sind gewöhnlich von Leder, die feineren von lackirtem Leder, farbigem Saffian, Corduan u. dgl., doch hat man auch S-n von Filz, Tuch, Nanking, Drillich u. Sammet. Die Halb- u. Schnürstiefeln der Frauenzimmer, welche nur bis an die Wade reichen, sind sowohl von seinem Leder, als von allerlei gewebtem Zeuge (bes. von Serge de Berry). Stiefelschuhe sind eine Art Schuhe, bei welchen an den gewöhnlichen Schuh des S-s nur ganz schmale Schäfte von Corduan angesetzt sind; 2) eine Röhre, in welcher sich ein Kolben hin u. her bewegt, so z.B. bei Pumpen, Spritzen, Dampfmaschinen etc.; nach der Lage des S-s unterscheidet man stehende od. verticale u. liegende od. horizontale S.; 3) ein hölzernes Rohr für das Mundstück der Pfeife an der Orgel, s.d. I. C) a); 4) ein Theil des Mundstücks an der Oboe; 5) (Schlammsack), das für das Ansammeln des Schmergels bestimmte Stück der Tabakspfeife, s.d.; 6) das Loch, in welches die Forkel gesetzt wird; 7) Spanischer u. Braunschweigischer S., Marterwerkzeuge der Tortur, s.d.; 8) starke Stangen od. Pfähle zum Anbinden der Weinstöcke, Bohnen, Erbsen etc.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 16. Altenburg 1863, S. 822-823.
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