Röhre

[230] Röhre, 1) hohler walzenförmiger (cylindrischer) Körper; bes. 2) wenn er dazu bestimmt ist, Wasser fortzuleiten (Röhrenfahrten) od. Wasser darin zu heben, wie bei Pumpwerken. Man verwendet dazu[230] hölzerne, kupferne, eiserne, bleierne, irdene od. steinerne R-n. Hölzerne R-n macht man aus Eichen-, Lärchen-, Fichten-, Kiefern-, Tannen- od. Erlenholz. Bas Eichenholz hält zwar am längsten, ertheilt aber auf lange Zeit dem Wasser einen unangenehmen Geschmack; auch das Kiefernholz hält ziemlich lange unter der Erde, das Wasser aber schmeckt auch im Anfange davon harzig. Die einzelnen R-n sind meist 9–15 Fuß lang, ihr Holzrand soll eben so stark sein, als die R. im Lichten weit ist. Man bohrt die R-n entweder mit einem Handbohrer od. auf einer Röhrenbohrmaschine, wobei der Bohrer durch mechanische (Wasser-) Kraft umgedreht u. der Stamm dem Bohrer entgegengeführt wird. Beim Zusammenfügen wird das zugespitzte Ende (Schwanz) der einen R. in die erweiterte Öffnung (Maul) der anderen R. getrieben, diese Verbindung aber außerdem noch mit einem umgebognen eisernen Ring gesichert. Beim Legen solcher R-n muß man darauf sehen, daß das Wasser vom Maulende nach dem Schwanzende zu läuft. Hölzerne R-n vereinigt man auch durch eiserne Büchsen. Die eisernen R-n geben dem Wasser einen metallischen Geschmack; sie werden entweder gegossen od. weißglühend gezogen od. gewalzt u. zwar beides über einen Dorn, die schwächeren aber aus Blech gebogen (s. Röhrenbiegmaschine) od. geprägt. Bei kalkigem Boden legt man die eisernen R-n in eine Schicht Thon. Die Vereinigung derselben kann auf verschiedene Art geschehen. Das eine Ende der R. (der Kopf) ist ungefähr 4 Zoll lang, etwas weiter gegossen, so daß das folgende Röhrenstück hineingesteckt werden kann, u. rund herum noch ein Zwischenraum von 1/4 Zoll bleibt, welcher mit Eisenkitt, Ölkitt etc. ausgefüllt wird. Damit der Kitt besser haste, wird das Schwanzende der R. gerieft. Eine andere Verbindungsart der eisernen R-n ist die durch Schrauben; an jedem Ende des Röhrenstückes ist ein 1–2 Zoll hoher Rand (Kranz) angegossen, in welchem sich 2–4 Löcher befinden, durch welche kurze Schraubenbolzen gesteckt u. Kränze zusammengeschraubt werden, nachdem man einen Streifen Filz od. Kautschuk, einen Bleiring, Eisenkitt od. Leder behufs der Dichtung dazwischen gelegt hat. Endlich werden die eisernen R-n auch durch übergelegte Eisenringe od. durch Muffe vereinigt. Diese Muffe sind kurze, innen mit Muttergewinde versehene Röhrenstücken, in denen die ebenfalls mit Gewinde versehenen Enden der R-n von beiden Seiten eingeschraubt werden. Zuweilen setzt man auch noch schwache Eisen- od. Kupferringe so inwendig an, daß sie über beide Röhrenenden weggreifen. Um die eisernen R-n vor Oxydation von innen zu schützen, werden dieselben ausgepicht, überfirnißt od. auch emaillirt. Ausgleichungs- (Compensations-) röhren sind verschiebbare R-n, welche in langen Strecken eiserner Wasserleitungsröhren in gewissen Abständen angebracht werden, um das Zerreißen derselben, bei Temperaturwechseln, durch die dadurch bewirkte Ausdehnung u. Zusammenziehung, zu verhüten. In der Regel bringt man auf 300 Fuß Länge eine Compensationsröhre an; bes. bei langen eisernen Dampfleitungen nöthig. Da die bleiernen u. kupfernen R-n durch das Wasser oxydirt werden u. dasselbe schädlich machen, so überzieht man sie ebenfalls inwendig mit einem Firniß. R-n von Blei, Kupfer, Messing, Zinn etc. werden entweder gegossen, häufiger aber gepreßt od. auf der Röhrenziehbank gezogen. Die Thon- od. irdenen R-n sind 20–24 Zoll lang, wenigstens inwendig glasurt u. an dem einen Ende so weit, daß das folgende Röhrenstück hineingesteckt werden kann, der Zwischenraum wird mit Werg verstopft, welches in Unschlitt u. Pech getränkt ist, od. mit Cement gedichtet, od. wie bei den Ofenrohren mit Lehm verschmiert. Die thönernen R-n werden theils zu Wasserleitungen, bes. aber zur Drainage verwendet. Die irdenen Röhren werden entweder mit der Hand, häufiger aber mit Maschinen, Röhrenpressen, bes. bei der Drainröhrenfabrikation, angefertigt, s.u. Drainage II. R-n aus Steingut, in neuester Zeit bes. zur Herstellung von Schlotten u. Abtritten gebraucht, werden am besten in die Umfassungsmauern gelegt u. durch Muffe mit Cement unter einander verbunden u. wasserdicht gemacht. Die steinernen R-n sind von der größten Dauer, aber ihre Verfertigung kostspielig, man bohrt sie auf einer Art verticaler Bohrmaschine mit einer gezahnten od. ungezahnten Kronsäge od. einzelnen Bohrzähnen gewöhnlich so, daß ein der Höhlung der R. entsprechender walzenförmiger Kern aus der Mitte abfällt. Auch die steinernen R-n werden in einander gesteckt u. mit einem Kitt verkittet, welcher aus Firniß, gesiebtem Ziegelmehle, ungelöschtem Kalk u. etwas Bleiasche zusammengesetzt ist (Röhrenkitt). Sehr wohlfeile R-n hat de Gasparin erfunden: einen Schlauch von dichter u. dicker Leinwand u. von einem für den vorliegenden Zweck passenden Durchmesser verschließt man an einem Ende, gießt ihn voll Wasser, welches ihn straff anspannt, u. verschließt ihn am anderen Ende. In einen Graben von angemessener Breite u. Tiefe u. entsprechend geneigter Sohle macht man eine Grundlage von Steinmörtel, legt den straffen Leinwandschlauch darauf u. umgibt ihn mit einer Schicht Sand; dann schüttet man Mörtel auf, um den Schlauch vollständig damit einzuschließen u. füllt den Graben mit Erde. Sobald der Mörtel steif genug geworden ist, öffnet man den Schlauch, läßt das Wasser heraus u. zieht ihn aus der R. Hat man an Stellen, wo sich die R. krümmt, Luftanhäufung zu besorgen, so müssen hier ebenfalls in Mörtel perpendiculäre R-n angebracht werden. Diese R. werden mit Hülfe eines hölzernen Dornes gemacht, den man, wie sich die Arbeit von unten nach oben erhebt, in die Höhe dreht. In neuerer Zeit fertigt man auch sehr feste R-n für Wasserleitungen, Schleußen etc. aus Cement od. Beton (s.d.). Die Masse wird in die aus Holz gebildeten Formen gegossen. Steinerne u. irdene R-n geben das beste Trinkwasser. Wasserröhren müssen so tief gelegt werden, daß sie nicht durch den Frost leiden können. Um die bes. an hohen Punkten der Röhrenleitungen sich bildenden u. die Bewegung des Wassers hindernden Luftanhäufungen zu beseitigen, setzt man daselbst senkrechte R-n (Luftständer, Windstöcke) auf, durch welche vermittelst Lufthähnen die mit dem Wasser eingedrungene Luft herausgelassen werden kann. Wenn Röhrenleitungen über Berg u. Thal gehen, so müssen die im Thal liegenden R-n stärker sein, als die hochliegenden. 3) Höhlung von cylindrischer Form in Körpertheilen; 4) bes. in Röhrenknochen, s.u. Knochen; 5) (Uhrm.), so v.w. Hülse; 6) eine Art der Drehstähle, s.u. Drechsler; 7) so v.w. Ofen-, Koch- u. Bratröhre; 8) die Ein- u. Ausgänge eines Fuchs- u. Dachsbaues; s. Bau 3); 9) so v.w. Rinne; bes. der Theil einer Dachrinne, durch welchen[231] das Wasser abläuft, auch die Rinne, durch welche das gemahlene Getreide von dem Steine in den Beutel geleitet wird; 10) metallener Cylinder, in welchem ein metallener Stift mit Maßabtheilungen steckt; er dient, um die innere Weite des Hutkopfes zu messen.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 14. Altenburg 1862, S. 230-232.
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