Heuken

*1. Dä wêss de Hök no'n Wedder ze hangen. (Bedburg.)

Für diese elastischen Naturen, die sich nach jedem Winde drehen, in jede Form schmiegen, jeder Ansicht beipflichten, jede Suppe gaumenrecht salzen, zu kriechen wissen, wenn das Gehen unvortheilhaft erscheint u.s.w. hat man dort noch folgende Redensarten: Dä kann met enem Og krieschen un m'em angre lâchen. Dä krömp sich wie' ne Wurm. Dat ess'ne Möhnegrösser. Hä ess'ne Dumendrieher, 'ne Donkverdêner, 'ne Scholderdräger.


*2. Den heucken nae dem winde halden.Tappius, 60b.

Holl.: Hij hangt de huik naar den wind. (Harrebomée, I, 338b.)


*3. He drêgt (trägt) de Heuken up beide Schullers.Schütze, II, 135; Richey, 94; Eichwald, 797; Bueren, 641; [631] Frommann, VI, 285, 646; Schiller, III, 10a; Bütz. Ruhestunden, XX, 29.

Ueber die verschiedenen Schreibungen (Hoike, Hök, Hock, Hoken, Höke, Höker, Häuken, Höcke, Heuke, Hoyke, Heike u.s.w.) und Bedeutungen dieses Wortes vgl. Schiller, III, 9b fg., wo eine Menge Quellen und Belegsstellen angegeben sind. Nach einer Stelle in Gryse's Laienbibel (Fr. 27) bezeichnet das Wort in der obigen Redensart einen Mantel. Es heisst dort: »Menniger geith herin mit synen vpgeblasenen Gosebuke vnde groten krüsel van köstliken Lynnenwandte tho samende gerüllet vnde gekrüllet, stendert de Hende in de Syden vnde dreht de Mantel edder den Höyken vp einer edder beiden schulderen stolt prangisch daher.« Einen unzuverlässigen veränderlichen Menschen nannte man auch Wendehoiken. Gryse (Fr. 31), spricht von »Mammelukesche Wederhanen vnde Wendehoyken, so den Mantel na dem Winde keren«. Nach Schütze (II, 133) nicht blos Ueberwurf oder Mantel, sondern eigentlich Kappen mit hinten herabhängenden mantelartigen Kragen. Wenn, wie in der obigen Redensart geschieht', einem Menschen vorgeworfen wird: Er trägt den Mantel auf beiden Schultern, »so wissen wir alle«, sagt Fr. Hasenow in seinen Sprachbildern (Bazar, 1868, Nr. 6, S. 50), »dass wir vor ihm uns hüten sollen, dass er es mit keiner von zwei Parteien verderben will, und daher jede derselben ihm nicht völlig trauen darf. Aber eigentlich ist das heutzutage doch ein närrischer Vorwurf, denn es pflegt ja eben jeder, der sich eines Mantels bedient, ihn auf beiden Schultern zu tragen. Nur war das nicht immer der Fall. Im frühen Mittelalter hatte der Mantel der Männer noch die griechische Form, ein viereckiges Tuch, von dem zwei Zipfel einer Seite auf der rechten Schulter mit einer Spange oder Agraffe zusammengehalten wurden, das also in der That auf Einer Schulter getragen ward. Karl der Grosse z.B. trug ihn noch so. Der rechte Arm blieb dabei frei und in seinen Bewegungen ungehindert, worauf man gewiss Werth legte. Die Frauen dagegen zogen es vor, den Mantel, wie die Römerin ihr Pallium, auf der Brust zusammenzuhalten durch eine Spange, deren Nachkommen wir heute noch in der Broche sehen. So ruhte der Mantel auf beiden Schultern; und als diese weibliche Mode auch auf die Männer überging, da mag wol mancher die neue Mode als unmännlich bespöttelt und einem, der sich ihr bequemte, mit obigen Worten gehöhnt haben. Bei jener Form des Mantels und der Art ihn umzulegen, war's auch noch buchstäblich möglich, ihn (s. 2) nach dem Winde zu hängen, was wir gleichfalls einem unzuverlässigen Glücksjäger noch heute vorwerfen, obwol auch für dieses Anbequemen uns die heutigen Mäntel nicht mehr die Anschauung liefern.« – Bei Richey (94) ist Wendeheuke = Wetterhahn. Stürenburg (90a) schreibt Hock, Hocke = Mantel, ostfriesisch: Rägenklêd.

Holl.: Hij hangt de huik naar den wind. (Harrebomée, I, 338.)

Lat.: Duabus sellis sedere. (Tappius 60b.)

Quelle:
Karl Friedrich Wilhelm Wander (Hrsg.): Deutsches Sprichwörter-Lexikon, Band 2. Leipzig 1870, Sp. 631-632.
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