Tuch

1. Am feinsten Tuch findet man den Bleicherzipfel.


2. Am feinsten Tuch täuscht man sich am meisten.

Holl.: In het fijnste laken, is het meeste bedrog. (Harrebomée, II, 3.)


3. An ein ungeschauts Tuach schlägt man kein Blei.Nas, 367a.


4. An fremdem Tuch lernt man den Schnitt leicht.

Wohlfeile Schule. »An fremdem Tuch lernt jeder leicht den Schnitt, doch bringt er gern die eigene Schere mit.« (W. Müller.)


5. An gespanntem (grauem, rohem, ungenetztem) Tuch und Anschlägen geht im Jahre viel ab.

»An gedancke vnd gespannte Tuche gehet viel abe. Wie die gute Apologi also dess Küsters mit seinem Tropff, dess Münchs mit seinem Oelkrüglein vnd dess Bawern mit dem Hasen.« (Mathesy, 236a.)


6. An Tuch und Worten geht viel ein.

Die Russen: Tuch krumpt ein, Worte noch mehr. (Altmann VI, 439.)


7. Auch aus englischem Tuch werden Deckmäntel gemacht.Parömiakon, 1274.

Von solchen, die mit dem Schein äusserer Frömmigkeit ihr sündhaftes Treiben verdecken.


8. Auf ein grobes Tuch gehört ein grober Knopf.


9. Auff einem weissen Tuch ist ein Flöhkleck leichtlich zu sehen.Lehmann, 506, 48.

Die Russen: Wer schwarzes Tuch trägt, kann die Flecken seines Rocks verbergen, wer weisses trägt, zeigt sie aller Welt. (Altmann VI, 439.)

Span.: En el pano mas fino y ve mas la mancha. (Bohn I, 221.)


10. Aus bösem Tuch lässt sich kein gutes Kleid machen.Winckler, VIII, 13.

Span.: De ruin paño nunca buen sago. (Bohn I, 212.)


[1352] 11. Aus feinem Tuch werden auch Deckmäntel gemacht.


12. Aus grobem Tuch kann man kein fein (schön) Kleid machen.

Aehnlich russisch Altmann VI, 432.

Holl.: Men kan van eene ruige pij geen' scharlaken mantel maken. (Harrebomée, II, 181b.) – Van grof laken kan men geen fraai kleed maken. (Harrebomée, II, 3.)


13. Auss grobem Tuch macht man ein grob Kleidt, auss Seiden ein Seidens.Lehmann, 509, 14.


14. Bei fremdem Tuch ist gut Zuschneiden.


15. Das beste Tuch hat ungleiche Fäden.

Span.: En el mejor paño lae la razu. (Bohn I, 221.)


16. Das feine Tuch wird so gut von den Motten gefressen wie das grobe.

It.: Ogni panno al fin si tarma. (Pazzaglia, 263, 3.)


17. Das theuerste Tuch ist das wohlfeilste.


18. Das Tuch hat nicht weiter gelangt, sagte die Dirne, deren Kleid von den Schultern nur bis an die Hüfte ging.

Aehnlich russisch Altmann VI, 428.


19. Das Tuch kennt man am Faden.

Frz.: On connoit le drap à la filure. (Kritzinger, 316a.)

20. Das Tuch muss geklopft werden, sonst kommen die Schaben 'rein.Sutor, 896.


21. Dem grawem tuch muss mann also thun, es kemen sonst die schaben drein.Franck, I, 121b; II, 177b; Petri, II, 459; Henisch, 1734, 52; Eiselein, 606.


22. Ein Tuch, dass die Farbe halten soll, muss man öfters tunken.


23. Ein Tuch ins Grab, damit schabab.Henisch, 1723, 21; Petri, II, 231; Eiselein, 256; Simrock, 4019; Seybold, 212; Philippi, I, 174; Sutermeister, 127.

Engl.: To the grave a pall, and that is all. (Eiselein, 256.)


24. Erst das Tuch wird gewalkt, nicht schon die Wolle.

Lat.: Lanam in officinam fullonis. (Eiselein, 606.)


25. Es ist besser, frisch Tuch zu arbeiten, als alte Kleider zu flicken.


26. Es ist böses Tuch, das keine Farbe annimmt (hält).

Engl.: 'T is a bad cloth indeed that will take no colour. (Bohn II, 80.)

Holl.: Het is kwaad loken dat geene verw wil aannemen (of: zijne verw verschiet). (Harrebomée, II, 3.)

It.: Cattiva è quella lana che non si puo tingere.


27. Es ist Tuch als Garn.Eiselein, 206.


28. Es ist von gleichem Tuch, sagte der Abt, als er in der Aebtissin Kutte zur Frühmette (ins Chor) kam.Klosterspiegel, 8, 11.


29. Feinem Tuch schaden die Schaben am meisten.Eiselein, 606.

It.: Nel più fin panno la tignuola fà più danno. (Pazzaglia, 263, 5.)


30. Fremd Tuch, gut Tuch.

Lat.: Asinus peregrinus majori venit pretio, quam equus domesticus. (Sutor, 922.)


31. Grobes Tuch gibt kein feines Kleid.

It.: Di tristo panno non si tagliò mai buon sacco. (Pazzaglia, 263, 4.)


32. Hinter feinem Tuch steckt oft grosser Betrug.


33. Je feiner das Tuch, desto breiter die Sahlleiste.


34. Man muss das Tuch nicht beim Schneider kaufen und das Leder beim Schuster.Altmann VI, 507.


35. Man muss das Tuch nicht zu sehr spannen, sonst reisst es.Altmann VI, 398.


36. Man muss nach dem Tuche zuschneiden, das man hat.

It.: Bisogna far la spesa secondo l'entrata. (Gaal, 1397.)


37. Mit rothem Tuch verjagt man das Hornvieh.

Als jemand bemerkte, dass der neue Cardinal N. alle Welt vor ihm fliehen mache, sagte, ein anderer: Sehr begreiflich, denn ein altes Wort sagt: Panno rubro fugantur armenta. (Witzfunken, VIIIa, 84.)


38. Neun Ellen Tuch geben ein Paar Handschuhe, wenn der Schneider kein Schelm ist.Graf, 47.


39. Ohne bernstädter Tuch kann weder Hochzeit noch Communion, noch Begräbniss vollbracht werden.

Als altes lausitzer Sprichwort zur Charakterisirung [1353] des blühenden Zustandes der Tuchmacherei in Bernstadt (Kreis Bautzen, anderthalb Stunden von Herrnhut) angeführt in Saxonia, Museum für sächs. Vaterlandskunde, Bd. 5, Nr. 13, S. 66.

40. Schönem tuch thun die Schaben am meisten Schaden.Lehmann, 705, 10.


41. Sechs Elen grobes Tuch und ein Strick darum, sagte jener, als man ihn fragte, was ein Kapuziner sei.Klosterspiegel, 2, 10.


42. Tuch misset man nach der elen vnd nit die elen nach dem Tuche.Lehmann, 631, 54.

»Man muss sich nach dem rechten richten vnd nicht das recht nach dem Lotzkopf.«


43. Unter grobem Tuch geht manch guter Gedanke verloren.

Holl.: Onder eene ruwe pij gaat veel wijsheid verloren. (Harrebomée, II, 132a.)


44. Von drei Ellen Tuch läuft immer eine ein, sagte der Schneider.

Die Russen: Der Tuchbereiter betrügt bei zwei Arschinen nur um eine, der Krämer betrügt dich um beide. (Altmann VI, 465.)


45. Wem's nicht an Tuch fehlt, der kann Pluderhosen tragen.

It.: Chi hà del panno assai può portar la coda. (Pazzaglia, 263, 1.)


46. Wenig Tuch gibt keinen grossen Mantel.

Frz.: De peu de drap courte cape. (Bohn I, 15.)

Holl.: Van weinig laken kan men geen' grooten mantel maken. (Harrebomée, II, 3.)

Schwed.: Lijtet kläde gjör kortan mantel. (Grubb, 758.)


47. Wenig Tuch, kurtze Bruch.Abschatz, Sprichw.; Weinhold, Wb.

It.: Chi hà poco panno tenga l'habito corto. (Pazzaglia, 263, 2.)


48. Wenn das Tuch abgetragen ist, sieht man die (groben) Fäden (Nähte).

Frz.: Quand le drap est usé, il montre la corde. (Kritzinger, 173a.)

Holl.: Wanneer het loken versleten is, komt de draad to voorschijn. (Harrebomée, II, 3.)


49. Wenn du mehr willst als drei Ellen Tuch zu ein Paar Handschuhen, so hole dir's beim Teufel.

Dän.: Vil du have meere end tre skind til en trøye, de give dig dem fanden. (Prov. dan., 18.)


50. Wenn ein Tuch kriegt Falten, es will sie gern behalten.

Holl.: Het kamelot behoudt zijne plovi. (Harrebomée I, 377b.)


51. Wenn er auch viel Tuch zum Rock kauft, der Schalk guckt ihm doch oben und unten heraus.Eiselein, 543.


52. Wer am fremden Tuch das Zuschneiden lernt, verderbt das eigene nicht.


53. Wer das Tuch zum Mantel stiehlt, dem gibt der Teufel das Unterfutter.Simrock, 9854; Eiselein, 606; Körte, 5713; Braun, I, 4264.

Im Plattdeutschen: Wä 't Dok to'm Mantel stöählt dem schafft de Düwel 't Unnerfu oder. (Schlingmann, 1332.)


54. Wer das Tuch zuschneidet, soll auch wissen es zusammenzunähen.


55. Wer nit viel tuch hat, der muss den Rock desto kürtzer machen.Lehmann, 282, 26 u. 371, 116.


56. Wer sich das Tuch selber wählt, kann nicht über Betrug klagen.

Port.: Nunca se queixe do engano, quem pela mostra compra o panno. (Bohn I, 287.)

Span.: No se queje del engaño quien por la muestra compra el paño. (Bohn I, 237.)


57. Wie das Tuch, so der Rock.

Holl.: Wil naar het laken uw kleêren maken. (Harrebomée, II, 3.)


58. Wie 's Tuch langt, muss man den Mantel schneiden.


59. Wohlfeiles Tuch ist theuer genug.


60. Zweierlei Tuch zum Rock macht aus dem freien Mann 'nen Stock.

Die Erfahrung liegt in einer mehr als gewünschten Reichhaltigkeit vor, dass bei den meisten, sobald man sie in einen Rock von zweierlei Tuch steckte, die freien Gesinnungen weichen.


[1354] *61. Das ist kein einfarbig Tuch.

Um zu sagen: In dieser Ehe, in diesem Hause, dieser Gesellschaft, diesem Collegium herrschen widersprechende Ansichten.

Holl.: Het is geen laken van eene kleur. (Harrebomée, I, 414b.)


*62. Das ist kein Tuch von Einer Farbe.

Holl.: Het is geen laken van ééne kleur. (Harrebomée, II, 3.)


*63. Das schwarze Tuch wird dadurch nicht theurer werden. (Oberlausitz.)

Man wird deshalb keine Trauer anlegen.


*64. Das Tuch hängt ihr nach dem Witwer. Weinhold, 100.

Von einem Frauenzimmer, deren Tuchzipfel schief hängt, was man als Vorbedeutung betrachtet, dass sie einen Witwer heirathen werde.


*65. Das Tuoch is no nit gewalchets.Sutermeister, 90.

Der Mensch hat noch keine Erfahrung. (S. Mehlsack.)


*66. Der hat an extra Tuach zu sein Mutz'n1. (Franken.) – Frommann, VI, 325, 39.

1) Kittel der Frauen, Rock der Männer. – Er hat viel Eigenthümlichkeiten.


*67. Du bist a liederliches Tuach.Hügel, 168b.

In dieser Verbindung so geläufig, dass es auch schon verstanden wird, wenn man blos sagt: Er ist ein Tuch. (S. Tüchlein.)


*68. Ein erzfaules, liederliches Tuch.Eiselein, 606.

Ein leichtsinniger, lockerer, ausschweifender Mensch. (Idiot. Austr.)


*69. Ein Tuch mit schönen Kanten und nichts darunter.Burckhardt, 482.

Viel Anmassung, Stolz, Aufgeblasenheit und nichts dahinter.

*70. Er hat auch eine Elle grob Tuch dazu gegeben.

»Mich dunckt wol, künig heinrich hab ein elen grobs duchs darzu geben, vnd der gifftig bul Zeus, der wider Erasmus geschriben hat, hab die kappen geschnitten.« (Murner, Ob der König von engelland, in Kloster, IV, 900.)


*71. Er hockt seine sieben Viertel Tuch auf und geht. (Meiningen.)

Geht unverrichteter Sache, auch be- oder verschämt fort.


*72. Er ist nicht vom besten Tuch.


*73. Er ist von gutem Tuch.

Dän.: Godt er at være af godt two. (Prov. dan., 248.)


*74. Er kann ins volle Tuch schneiden.

Frz.: Il peut tailler en plein drap. (Lendroy, 630.)


*75. Er muss gut Tuch machen.Klix, 108.


*76. Er muss mehr Tuchs zur Kappen (Narrenkappe) han, man hört's ihm an den Worten an.Brant.


*77. Er nimmt das Tuch an fünf Zipfeln.

Ist sehr genau, knauserig.


*78. Er schneidet ins Tuch ohne es zu messen.

Holl.: Hij snijdt het laken, alvorens het te meten. (Harrebomée, II, 3.)


*79. Er steckt in doppeltem Tuch.


*80. Er will das Tuch an fünf Zipfeln fassen. Körte, 6085a; Braun, I, 4616.

Wer gar zu sicher geht und zu viel Vortheile haben will.


*81. Er will Tuch kaufen, aber das Geld behalten.


*82. Es ist leichtes Tuch.

Zur Bezeichnung eines leichtsinnigen Menschen.


*83. Es weyss niemand obs tuch oder garn vmb jn sei. (S. Mann 1797.) – Franck, II, 99a.


*84. Ins ganze Tuch schneiden.

Zu einem Unternehmen die hinreichenden Mittel besitzen.


*85. Man hat ihn in schöne Tücher gebettet.

Ihm ein sauberes Bad bereitet.


*86. Man soll ihm von demselben Tuch Rock und Hosen machen.


*87. Mit einem weissen Tuche winken.

Lat.: Mappam mittere. (Martial.) (Binder II, 2796.)


*88. Sein Tuch mit fremder Elle messen.

Engl.: To measure his cloth by another's yard. (Bohn II, 170.)


*89. Sich mit einem nassen Tuche zudecken.

Eine kahle Ausrede vorbringen, einen Fehler durch eine schlechte Entschuldigung vergrössern.


*90. Sie liebt zweierlei Tuch.

»Die Madle gengan aufs zwarala Tuach.« (Hügel, 168b.)


[1355] *91. Sie seind eins tuchs. (S. Faden 39 und Zwillich.) – Franck, II, 92b.

Von derselben Art, haben gleichen Sinn und Charakter. (S. Schmer 22.)


*92. Tweierlei Dauk up'n Lîwe hen.Schambach, II, 335.


*93. Ut dem Dauke in't Plätt' kuemen. (Westf.)

1) Ein Tuch, Plaid, ein Mantel der Bergschotten. – Wenn durch Aenderung nichts verändert wird.


*94. Zweierlei Tuch tragen.

Von Beamten und Soldaten. Im Harz: Zwäerlä Tuch trahn. (Lohrengel, II, 523.)


[Zusätze und Ergänzungen]

95. Je länger man das grünberger Tuch trägt, desto gröber wird es.

Eine witzige Anwendung von diesem Sprichworte machte eine Dame. Ein Herr, der sie lange nicht gesehen hatte und sie im Theater traf, sagte zu ihr: »Unbegreiflich ist es, wie Sie es machen, dass Sie nicht älter werden. Sie kommen mir vor, wie eine cremoneser Geige, die desto schöner wird, je länger sie gespielt wird.« – »Und Sie«, erwiderte die Dame, »kommen mir vor, wie das grünberger Tuch, das u.s.w.«


*96. An das grüne Tuch gesetzt werden.

In Gunst kommen, bevorzugt werden. – » .... zum Unterschied derer, die da felices, Hahn im Korbe seyn, an das grüne Tuch gesetzt werden, und bei den Jungfrauen durchschlagen.« (Schaltjahr, III, 652.)


*97. Du hôst kurios Tuch am Rock.Michel, 261; Nefflen, 455.

Bist ein sonderbarer, wunderlicher Mensch.


*98. Ich wil jhm gut Tuch machen.Ayrer, IV, 2764, 32.

Als Drohung.


*99. Sein Tuach ist in der Wolle g'färbt.Nefflen, 465.

Man kann sich auf ihn verlassen.


Quelle:
Karl Friedrich Wilhelm Wander (Hrsg.): Deutsches Sprichwörter-Lexikon, Band 1. Leipzig 1867.
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