1. Bei Pest und in Kriegszeit gibt's die meiste Neuigkeit.
2. Die Pest baut da ihr Nest, wo man sie ruhig brüten lässt.
Also vorzüglich da, wo der Glaube herrscht, dass sie nur die ergreifen könne, denen der Tod durch sie bestimmt sei; da, wo jeder nur an sich denkt und allgemeine Schutzmassregeln gegen sie nicht getroffen werden. Ein Sprichwort, das sich in allen Ländern des nördlichen Afrika verbreitet findet, charakterisirt die Araber als vollendete Egoisten, die zuletzt nur an sich denken. Der herrschende Fatalismus ist ihrem Egoismus zu Hülfe gekommen. Alle Anstrengungen gegen das Uebel sind ihnen Auflehnungen gegen Gott, sogar ein zu lebhaftes Mitleiden mit den vom Unglück Betroffenen. Ein Sprichwort, das ein naives und vollständiges Bekenntniss der Ansicht ist, welche nicht gegen das Uebel ankämpft, sondern ihm alles preisgibt, wenn nur der eigene Kopf verschont bleibt, lautet: »Die Pest ist ins Land gekommen, o mein Gott mache, dass sie meinen Stamm verschone! Die Pest ist in deinen Stamm gekommen, o mein Gott mache, dass sie meinen Duar verschone! Die Pest ist in deinen Duar gekommen, o mein Gott mache, dass sie mein Zelt verschone! Die Pest ist in deinem Zelte, o mein Gott mache, dass sie meinen Kopf verschone.«
3. Die Pest erfasst die am ersten, welche sich vor ihr fürchten.
Die Russen: Wer die Pest fürchtet, ist vor ihr nicht sicher. (Altmann VI, 393.)
4. Die Pest fürchtet sich vor der Apotheke nicht.
5. Die Pest stösst am eh'sten an, die eine gute Diät han.
D.h. hier nicht etwa mässig leben, sondern in Gegentheil einen guten Tisch, eine fette Küche führen.
6. Die Pest stosst die am ersten an, die sich thun weit von dan. – Gruter, III, 22; Lehmann, II, 85, 170.
7. Die Pest währte sieben Jahr, aber niemand starb vor seiner Zeit. – Tendlau, 947.
Fatalistische Anschauung.
8. Drey zeiten jagen pestem aus: bald weit, spat in und aus dem Hauss, bald mach dich weg, weit zeuch davon und letzlich langsam wider kom. – Coler, 1072a.
Wol ein so sicheres Schutzmittel gegen die Pest, wie das Impfen gegen die Pocken. Die Russen: Wer im Pesthause nichts zu schaffen hat, der halte sich ihm fern. Ferner: Zur Pestzeit gelten die Pocken für keine Krankheit. (Altmann VI, 476 u. 492.)
9. Gegen die Pest hilft am sichersten ein neu Paar Schuhe, gebraucht, bis sie brechen.
»Die Pest belangend, lehrt ein genfischer Apostel in zween Quästionen, es sey nichts bessers dafür, dann ein gut new par Schuh vnd dieselben von dannen gebraucht biss sie brechen.« (Fischart, Gesch., in Kloster, VIII, 376.) Das preussische Sanitätscollegium wollte sie, ungefähr wie die jetzigen Medicinalcollegien die Blattern durch Kuhpockengift, mit Arzneien bezwingen und trug im Jahre 1709 beim Könige darauf an, dass für die, welche ihr Gebräu und Gemisch verschmähten, Galgen erbaut werden möchten, um sie im Sarge daranzuhängen. (Hausblätter, Stuttgart 1867, Hft. 5, S. 367.)
10. In der Pest ist das Beste: Lauf bald weit und komm langsam wieder.
Der Standpunkt, sich gar nicht mit ihr zu befassen, sie also gewähren zu lassen, weder die Ursachen ihrer Entstehung, noch Bekämpfungsmittel zu erforschen. Von dieser Auffassung geleitet, sagten die Karthager (Punier) mit Bezug auf das Verhalten zu streitsüchtigen Menschen, von denen man den Frieden um jeden Preis kaufen müsse, sprichwörtlich: Die Pest ist vor der Thür und sucht einen Nummus, gib ihrer zwei, so zieht sie ab.
Frz.: Remede en peste sur tout art, c'est fui tôt, loin et revient tard. (Kritzinger, 528a.)
11. Mancher will die Pest heilen und stirbt selbst am Aussatz. – Sprichwörtergarten, 358.
Die andere arzneien wollen, ohne sich selbst helfen zu können.
[1214] 12. Wenn die Pest ein Pfennig von dir fordert, so gib ihr zwei und lass sie laufen. – Sutor, 865.
13. Wenn man die Pest mit in die Stube nimmt, so ist sobald kein auffhören. – Petri, II, 664.
D.h. wenn sie gegen den Winter anfängt.
*14. Dass du die Pest kriegst!
15. Man soll die Pest verfolgen, aber nicht den Arzt.
Lat.: Malum occultum perniciosissimum. (Sailer, Sprüche, 108, 55.)
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