Scheibe

1. Weit von der Scheibe bleibt bei gesundem Leibe.


2. Wer die Scheibe der Wahrheit nicht sieht, der kann sie nicht treffen.Lehmann, 494, 50.


3. Wer nach eiserner Scheibe schiesst, dem prallt die Kugel ins Gesicht.


4. Wer sich zur Scheibe stellt, wird vom Schuss gefällt.


*5. Die Scheiben einschlagen.

Was dahinter ist, enthüllen, blosslegen, auch aus der Zurückhaltung hervortreten, mit der Thür ins Haus fallen, z.B.: »Der Prinz Napoleon hat in der Senatssitzung vom 2. März 1861 «die Scheiben eingeschlagen », indem er die Schlussfolgerung zu der Broschüre des Herrn von Laguerronnière lieferte.« (Bresl. Zeitung, 1861, Nr. 109.)


*6. Die Scheiben zählen.Eiselein, 546.

Langeweile haben.


*7. Ea hod die gounzi Schaiben vafald. (Steiermark.) – Firmenich, II, 770, 170.

Er hat die ganze Scheibe verfehlt. (Braun, I, 3813.)


*8. Ich will dir auch einmal eine Scheibe einsetzen.Kirchhofer, 135; Eiselein, 546; Körte, 5270b; Simrock, 8956.

Eine Ehre erweisen. Von der alten Sitte, dem, der ein neues Haus gebaut hatte, gemalte Fensterscheiben mit Jahreszahl, Wappen u.s.w. zu schenken.


*9. Ja, Scheibe! (Breslau.)

Ausruf, wenn etwas fehlgegangen oder misrathen ist, z.B. beim Kegelspiel; oder wenn jemand Falsches gesagt hat. Die Redensart ist dem Schützenwesen entnommen, wo ein Schuss in die »Scheibe« als schlecht gilt, denn er sollte in den Spiegel gehen. Scheibe steht als Gegensatz zu Spiegel. Man vernimmt den obigen Ausruf auch wol mit dem Zusatz: »Mit Beta«, womit man in feinern Kreisen das deutsche ß wegen seiner Aehnlichkeit mit dem griechischen ß verhüllend einschmuggelt. In untern Schichten sagt man statt Scheibe in demselben Sinne: Ja, Scheisse! Man hört aber auch in derselben Bedeutung den Ausruf: Ja, Kirschkuchen! Vielleicht entdeckt uns jemand, wie der Volkswitz dazu kommt, für dieselbe Sache drei so verschiedene Formen zu wählen.


*10. Neben die Scheibe schiessen.Eiselein, 546.


[Zusätze und Ergänzungen]

11 Wenn die Scheib' im Gang ist, soll man sie nicht stehen lassen.

Dies Sprichwort steht in der Reimchronik des Ottokar von Horneck (Ende des 13. und Anfang des 14. Jahrhunderts), die Pertz als dritten Band seiner Sammlung österreichischer Schriftsteller herausgegeben hat.


Quelle:
Karl Friedrich Wilhelm Wander (Hrsg.): Deutsches Sprichwörter-Lexikon, Band 4. Leipzig 1876.
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