1. Die Kugel ist durch die Kirche. (Holl.)
Um anzudeuten, dass etwas nicht mehr ungesehen gemacht werden kann. Wol daher, weil man im Kriege die kirchlichen Gebäude so viel als möglich zu schonen suchte und dass man, wenn diese angegriffen wurden, auch noch weniger andererseits Nachsicht zu erwarten hatte.
2. Die Kugel laufft noch, es darff wol noch mehr Kegel geben. – Lehmann, 174, 44 u. 752, 53; Eiselein, 399; Simrock, 6012; Braun, I, 2047.
3. Eine Kugel bleibt eine Kugel, wenn man auch ein paar Sandkörner darauf streut.
4. Eine Kugel, die in den Spiegel soll, musst du aus eigener Büchse schiessen.
5. Eine silberne Kugel nützt mehr als tausend eiserne.
6. Es drehen sich nicht alle Kugeln gleich schnell.
»Die geistige Erdkugel«, sagt L. Börne (Pariser Briefe), »dreht sich alle Jahrhunderte nur einmal um die Sonne.« Man soll daher bei Arbeiten auf dem Gebiete des geistigen Lebens die Geduld nicht verlieren.
7. Für den keine Kugel gegossen ist, den trifft auch keine.
8. Iss keine Kugel, brauchst du keinen Branntwein. (S. ⇒ Kuchel 1.) – Tendlau, 66 u. 712; Blass, 10.
9. Ist die Kugel aus der Karthaune, so gehört sie dem Teufel. – Illustr. Familienjournal, I, 213b.
[1662] 10. Ist die Kugel einmal abgeschossen, sie kommt nicht wieder in den Lauf zurück.
Lat.: A calce revocari. (Philippi, I, 4.)
11. Kommet die Kugel an die Kegel, so gibts Bürtzelns. – Lehmann, 755, 6.
12. Lass die Kugel auslaufen und beiss in einen sauern Apfel, sagt Klaus Narr. – Mathesy, 327b.
Empfiehlt Geduld, Muth, Beharrlichkeit.
13. Lass die kugel ausslauffen vnnd beiss derweil in Sauren Apfel. – Lehmann, 242, 47.
14. Man kann die Kugel in den Mund nehmen und doch mit den Händen Gott loben. – Parömiakon, 2021.
Die Banditen Italiens beten ja auch den Rosenkranz, ehe sie an ihr Werk gehen; und der Graf Chorinski betete zu Gott, als seine Geliebte, Ebergenyi, nach München reiste, um dort seine Gattin zu vergiften (1868), dass er ihr Werk gelingen lassen möge.
15. Man soll die Kugel noch giessen, mit der man will schiessen.
16. Mit silbernen Kugeln ist gut Wildpret schiessen.
Die Bulgaren sagen: Mit einer silbernen Kugel schiesst man leicht einen goldenen Büffel. (Altmann IV.)
17. Nicht jede Kugel kommt ans Ziel.
18. Nicht jede Kugel trifft. – Eiselein, 399; Körte, 3535; Simrock, 6010; Braun, I, 2049.
Ein Sprichwort, mit dem man junge Soldaten tröstet. Der berühmte Marschall von Sachsen soll sogar in seinen Träumereien die Behauptung ausgesprochen haben, dass zur Tödtung eines Soldaten im Kriege wenigstens so viel Blei gehöre, als das Gewicht seines Körpers betrage. Aus statistischen Notizen neuerer Zeit hat man die Ueberzeugung gewonnen, dass der Marschall durch seine. Bemerkung keine Uebertreibung ausgesprochen habe. In einer der blutigsten Schlachten der jüngsten Zeit kamen auf jeden Blessirten etwa 700, auf jeden Todten gegen 4200 Kugeln, d.i. 250 Pfund Blei. (Vgl. Breslauer Zeitung, 1864, Nr. 469, S. 2617.) Das Sprichwort hat aber auch den Sinn: Es gelingt nicht jedes Unternehmen, man erreicht nicht stets den Zweck, den man erreichen will.
Lat.: Non semper feriet, quocunque minabitur arcus. (Horaz.) (Binder, I, 1202; II, 2230; Faselius, 174; Philippi, II, 41; Masson, 222.)
Span.: Más son los amenazados que los heridos.
Wer einen Zweck ohne gehörige Mittel erreichen will.
20. Olle Kuggeln dreppet nit. (Waldeck.) – Curtze, 355, 518.
21. Wann man mit Silbern Kugeln schiesst, so ist ein Vestung bald gewonnen. – Lehmann, 289, 23.
Der Glaube der Russen und anderer slawischen Völkerstämme an die ausserordentliche Wirkung der edeln Metalle spricht sich in sehr vielen ihrer Sprichwörter aus. So sagen die Kleinrussen: Mit einem silbernen Ruder fährt man auch glücklich über die Fälle des Dnjepr. Die Weissrussen: Wenn deinem Kalbe erst ein silbernes Euter gewachsen ist, dann wirst du leicht goldene Milch daraus melken können. (Altmann V, 100.)
22. Wenn alle Kugeln drêpen sollen, möchte de Düwel Zaldate sîn, sä' dat Mäken, as et bi'n Knechte lagg. (Hildesheim.) – Hoefer, 707.
23. Wenn alle Kugeln treffen sollten, möchte der Henker (Teufel) Soldat sein. – Simrock, 611.
Aehnlich die Russen, die wünschen, dass dann die Verleumder Soldaten sein möchten. (Altmann VI, 464.)
24. Wenn die Kugel aus dem Rohr und das Wort aus dem Munde ist, so sind sie beide des Teufels. – Reinsberg III, 80; H. Kurz, Sonnenwirth (Frankfurt a.M. 1853), S. 6.
Böhm.: Vystřeliv kouli nechytíš. (Čelakovský, 79.)
25. Wenn die Kugel lang vmlaufft, so wirds einmahl Kegel geben. – Lehmann, 22, 12 u. 755, 5.
26. Wenn die Kugel nicht tödtet, so verwundet sie doch.
Span.: Si esta bala á la pared no pega, á lo menos dexará señal. (Bohn I, 257.)
27. Wenn jede Kugel träfe ihren Mann, wo nähmen die Könige ihre Soldaten her dann?
28. Wer mit goldenen Kugeln schiesst, der trifft gewiss. – Gaal, 1365; Simrock, 6013; Reinsberg II, 106; Masson, 128.
Dän.: Naar man skyder med sølv og guld-lod, er fæstningen snart vunden. (Prov. dan., 509.)
Engl.: He that fights with silver arms, is sure to overcome. (Gaal, 1365.)
Lat.: Argento radient hastae, sic cuncta domabis. (Gaal, 1365.)
[1663] 29. Wo man mit goldenen Kugeln schiesst, kann keine Festung widerstehen. (S. Gold ⇒ 51 u. ⇒ 184, Hammer ⇒ 7 u. ⇒ 8.) – Parömiakon, 1765.
Schon manche Festung mag durch solche Kugeln genommen worden sein.
Frz.: Qui combat avec les armes d'argent est sûr de vaincre. (Masson, 129.)
Schwed.: Hwadh giör icke Gullet? – När man skiuter medh silfwerlodh, så är Fästningen snart wunnen. (Grubb, 591.)
*30. Die Kugel in Bewegung setzen (oder: zum Rollen bringen).
Den Anstoss in einer Sache geben, die Initiative ergreifen.
*31. Die Kugel ist im Rollen.
Die Sache ist eingeleitet und im Gange.
*32. Die Kugel rollt noch.
Die Sache ist noch im Gange, man kann noch keinen Ausgang wissen.
Holl.: De kloot rolt nog. – De laatste kloot ligt nog. (Harrebomée, I, 417b.)
*33. Die Kugel war für ihn nicht gegossen.
Holl.: Die kogel was voor hem niet gegoten. – Op den kogel, waarmede iemand getroffen wordt, staat zijn naam geschreven. (Harrebomée, I, 428b.)
*34. Die kugel wirt über mich waltzen. (s. ⇒ Gelten 20.) – Franck, II, 81a; Sailer, 78.
Ich werde dabei am meisten zu leiden haben.
*35. Die schwarze Kugel kommt immer in seine Hände.
Das Schicksal ist ihm immer ungünstig.
*36. Eine Kugel den Berg hinabrollen.
Sie rollt wol von selbst. Wo alles von selbst geht, darf man nicht treiben.
*37. Eine Kugel zur Beute empfangen. – Schottel, 1118a.
*38. Einem eine Kugel auf die Haut jagen. – Schottel, 1112b.
*39. Einem eine Kugel durch den Kopf jagen.
Holl.: Iemand een' kogel schenken. (Harrebomée, I, 428b.)
40. Einem Kugel und Ketten anlegen.
Ihn ins Zuchthaus schicken, weil dort schwere Verbrecher geschlossen sind und ausserdem eine Kugel tragen.
*41. Er ist zwischen Kugel und Zil kommen. – Tappius, 73b; Franck, II, 64b; Körte, 3585a.
Lat.: Inter sacrum et saxum. (Erasm., 257; Philippi, I, 206; Tappius, 73a.)
*42. Man hat jn mit einer guldin kugel geworffen (getroffen). – Franck, I, 32b; Körte, 1585b; Braun, I, 2050.
*43. Mit silbernen Kugeln schiessen.
Holl.: Hij schiet met zilveren hagel. (Harrebomée, I, 273.)
Lat.: Argenteis hastis pugnare. (Tappius, 231b; Philippi, I, 40; Hauer, M2.)
*44. Mit zehn Kugeln nach Einem Ziele schiessen. – Altmann VI, 514.
*45. Ohne Kugel schiessen. – Parömiakon, 1056.
Blind; mit unzureichenden Mitteln nach etwas streben.
*46. Wie die Kugel aus dem Rohr. – Eiselein, 399; Braun, I, 2048.
*47. Wo die Kug'l rollt und wo's Wass'l' rinnt. (Tirol.) – Frommann, VI, 37, 78.
Da wird auf Bergrücken die Grenzlinie angenommen.
48. Der Kügel1 geruth (geräth) nuch die Gäst. (Jüd.-deutsch. Warschau.)
1) Beliebte jüdische Mehlspeise. Hausfrauenregel.
49. Die kleinste Kugel schiebt viel Kegel.
50. Die Kugel ist ein Tölpel, das Bajonnet ist brav.
Ein Satz Suworow's, der zum soldatischen Sprichwort in Russland geworden ist.
51. Einer Kugel, die man kommen sieht (hört), weicht man aus.
Die Russen: Der erwartete Pfeil hat kein Ziel. (Altmann VI, 461.)
52. Wenn neun Kugeln gefehlt, die zehnte kann treffen.
Die Russen: Wenn neun Pfeile den Zobel nicht treffen, kann ihn der zehnte treffen. (Altmann VI, 426.)
53. Wer mit silbernen Kugeln will schiessen, verschiesst viel und verschiesst wenig. – Schuppius, Schriften, I, 882.
*54. A hat de Kugel kricht. (Friedland in Böhmen.)
Er hat eine Kugel bekommen, d.h. er ist eingekerkert worden.
*55. Er gibt eine weisse Kugel für eine falsche Rechnung.
Man hatte bei den alten Griechen die Gewohnheit, dass die Richter ihre Meinungen durch kleine Steine abgaben, die sie in einen Topf warfen, wobei die weissen die Gutheissung eines gemachten Vorschlags oder die Lossprechung des Angeklagten bedeuteten.
Lat.: Album calculum addere. (Plinius.) – Candido lapíllo notare. (Hanzely, 42.) – Creta notare. (Hanzely, 42.) – Album errori calculum adjicere. (Philippi, I, 16.)
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