1. Am Gesicht erkennt man den Menschen.
»Das Verhältniss der Seele zum Gesicht ist von den Physiognomen noch so wenig erklärt, als von den Botanikern das Verhältniss der Staubfäden zum Kelche.« (W. Menzel, Streckverse, 158.)
Böhm.: Každá tvář na jevĕ. (Čelakovský, 267.)
Engl.: Face to face, the truth comes out. (Bohn II, 91.)
2. Am Gesicht erkennt man den Säufer.
Frz.: A la trogne on connaît l'ivrogne. (Cahier, 1728.)
3. Am Gesicht kennt man den Mohren, an den Worten den Thoren. – Kirchhofer, 235.
4. Am Gesicht sieht man, was einer im Schilde führt.
Böhm.: Hned se vydá, tváří, co se v srdci vaří. (Čelakovský, 266.)
Lat.: Sua quemque inscribit facies. (Gaal, 697.)
Poln.: Twarz łacno wynurzy, co się w sercu burzy. (Čelakovský, 266.)
5. Aufs blosse (ehrliche) Gesicht borgt man nicht.
Lat.: Fronti nulla fides. (Juvenal.) (Binder II, 1207; Kruse, 350; Philippi, I, 164.)
6. Aus einem schönen Gesicht kann man keine Butter schlagen.
Von der Schönheit kann man nicht leben.
7. Das gesicht bringt böse gedancken. – Henisch, 1562, 32; Petri, II, 61.
8. Das Gesicht, das man dem Spiegel vormacht, macht er nach. – Parömiakon, 1127.
9. Das Gesicht einer schönen Frau sagt: veni mecum, und das einer hässlichen: noli me tangere.
Frz.: Le beau visage d'une femme s'apelle veni mecum et le laid noli me tangere. (Kritzinger, 719a.)
Holl.: Een leelijk aangezigt is bewaard voor geile zinnen. (Harrebomée, I, 2.)
10. Das Gesicht ist der Schattenriss der Seele.
11. Das Gesicht ist der Spiegel der Seele.
Böhm.: Tvář mysli zrcadlo; vydá hned, co tam padlo. (Čelakovský, 266.)
Holl.: Het gelaat is de spiegel der ziel. (Harrebomée, I, 216.)
Kroat.: Zercalo jesu oči, koje kažú serdca moći. (Čelakovský, 266.)
Poln.: Twarz (oko) umysłu źwierciadło; wyda wnet, co tam padło. (Čelakovský, 266.)
12. Das Gesicht ist der Titel des Menschen.
Böhm.: Z tváři mysl září. (Čelakovský, 267.)
Engl.: In the fore-head and the eye the index of the mind does lie. (Čelakovský, 266.)
Frz.: Face d'homme fait vertu.
Span.: En la frente y en los ojos se lee la letra del corazon. (Čelakovský, 267.)
13. Das Gesicht ist ein falscher Wicht. – Mayer, II, 93.
Frz.: Visage masqué, coeur à nu. (Cahier, 1051.)
It.: Il volto sciolto, i pensieri stretti. (Cahier, 3164.)
14. Das Gesicht ist nicht übel, sagte der Affe, als er einem Buben in den Arsch sah.
Holl.: Dat is een mooi gezigt, zei de papegaai, en hij zag een klein-kindergatje. (Harrebomée, I, 206.)
[1618] 15. Das Gesicht lügt nicht.
Böhm.: Twářka není lhářka. (Čelakovský, 267.)
16. Das Gesicht setzt Manchen auff die Narrenbanck. – Petri, II, 61.
17. Des Gesicht verräth den Mann, was er hinter den Ohren kann.
Böhm.: Obličej jest človĕka zrádce. (Čelakovský, 267.)
18. Das Gesicht verräth den Wicht. – Eiselein, 232.
Frz.: Au vis se découvre souvent le vice. (Leroux, I, 186.)
Lat.: Heu quam difficile est crimen non prodere vultu. (Eiselein, 232.)
19. Das Gesicht verräth ihn (den Thäter). – Eisenhart, 604; Simrock, 3529.
Oft ist das Gesicht der Verkündiger dessen, was im Herzen vorgeht, und man kann von demselben auf das Innere Schlüsse machen; daher legten die frühern Rechtsgelehrten das Sprichwort dahin aus, dass nach demselben auch die ganze äussere Gestalt des Menschen, besonders aber das Gesicht mit seinen Veränderungen zu den Anzeigen gehören, welche einen Verdacht auf jemand begründen. Aber gar oft ist der Schluss vom Aeussern aufs Innere ein Trugschluss; und in unsern Tagen wird kein richterliches Erkenntniss mehr auf so schwankende und unsichere Unterlagen gegründet. Zur Zeit der Hexenprocesse glaubte man freilich, dass eine hässliche Gestalt, eine widrige Gesichtsbildung das sicherste Merkmal eines bösen Gemüths sei.
Holl.: Het gelaat spreekt van de daad. (Harrebomée, I, 216.)
It.: È mal giudicar gli uomini alla ciera.
Lat.: Rubet auditor, cui frigida mens est, criminibus tacita sudant praecordia culpa. (Juvenal.) – Te prodet facies, turpiter cum facies. (Binder I, 1739; II, 3292; Egeria, 295; Philippi, II, 217; Seybold, 601.)
20. Das Gesicht verräth, was man in sich hat.
Lat.: Est facies testis, quales intrinsecus estis. (Binder II, 977; Schreger, 36.)
21. Das gesicht verrhät den Mann, wie es im Hertzen mit jhm stehet. – Henisch, 1562, 33.
22. Das Gesicht war eher als das Porträt. (Surinam.)
Unser: Das Ei muss nicht klüger sein wollen als die Henne.
23. Das runzligste Gesicht wird glatt, wo 's Geld die Fülle hat.
Der Araber sagt: Das Antlitz der Magd glättet der Güter Menge.
24. Das schönste Gesicht bekommt Runzeln.
25. Das schönste Gesicht hat Flecken.
Holl.: Schoone aangezigten hebben vlekken. (Harrebomée, I, 3.)
26. Dat 's 'n recht Gesicht, säd' de Bûr, as de Swînkopp up'n Disch kêm. – Hoefer, 198.
27. Dem kann man schon am Gesicht ansehen, dass es ein Mohr ist, sagte das Mädchen, als ein Neger vorüberging.
28. Der ein blöd Gesicht hat, der übersieht viel. – Lehmann, 97, 19.
29. Ein betrübtes Gesicht bittet genug.
It.: Faccia pietosa dimanda molta cosa. (Pazzaglia, 88, 4.)
30. Ein doppelt Gesicht, halber Wicht.
Holl.: Wacht u voor een' man met twee aangezigten. (Harrebomée, I, 3.)
31. Ein ehrlich Gesicht hat mehr Glauben als ein guter Kopf.
32. Ein ehrlich Gesicht ist der beste Reisepass.
Holl.: Een goed gelaat is de beste geleibrief. (Harrebomée, I, 216.)
33. Ein freundlich Gesicht, das beste Gericht. (S. ⇒ Gerngesehen.) – Blum, 179; Steiger, 240; Kirchhofer, 150; Körte, 2089; Simrock, 3530; Braun, I, 770.
Böhm.: Laskavá tvář milejší než koláč. (Čelakovský, 414.)
Engl.: Welcome is the best cheer. (Gaal, 695.)
Frz.: La chere et ioye de l'hoste vault grande viande. (Bovill, II, 209.)
It.: La vivanda vera è l'animo, e la ciera. (Gaal, 695.)
Lat.: Animus et vultus verae dapes. (Gaal, 695.) – Dat bene, dat multum, qui dat cum munere vultum. – Hospitis in mensa vultum, non fercula pensa. – Laetus hospitis vultus grandis cibus. (Bovill, II, 209.)
34. Ein freundlich Gesicht hat oft den Teufel im Nacken.
Holl.: Een blij gelaat, maar het hart meent het niet. (Harrebomée, I, 216.)
It.: Bella ciera, bel tradimento. – Chi mi fà più carezze, chè non suole, o che tradito m'hà, ò che tradir mi vuole. (Pazzaglia, 354, 2.)
35. Ein Gesicht schämt sich vorm andern. – Schlechta, 495.
36. Ein hässlich Gesicht gewinnt durch Schminke nicht.
[1619] Um die fruchtlosen Bemühungen zu bezeichnen, natürliche Mängel und schlechte Eigenschaften zu verhüllen, haben die Aegypter das Sprichwort: Es ist doch dein Gesicht, du Kummervolle, trotz Putz und Zierart. (Burckhardt, 702.)
37. Ein hübsches Gesicht der Frau muss man sehn in Grün oder Blau. (Ven.)
Einfluss der Farben auf den Schmuck der Frauen.
38. Ein hübsches Gesicht ist der Punz eine grosse Hülfe. (Ostpreuss.)
39. Ein rein Gesicht bedarf des Wassers nicht.
Böhm.: Čisté (pĕkné) tváři málo vody třeba. (Čelakovský, 303.)
40. Ein reizendes Gesicht hat viel Gewicht.
Engl.: A good face needs no bond, and a bad one deserves none. (Gaal, 696.)
41. Ein schön Gesicht braucht keine Schminke.
Engl.: Faire faces need no paint. (Bohn II, 352.)
42. Ein schön Gesicht ist betrügliche Waare.
Dän.: Tidt er vanskab sind under fagert skind. (Bohn I, 400.)
Frz.: Belle chère (beau visage) et coeur arrière. (Leroux, I, 138.)
Holl.: Het gelaat bedriegt. (Harrebomée, I, 216.)
43. Ein schön gesicht vnd eigensinniger Kopf gehen gemeinlich miteinander. – Lehmann, 149, 189.
44. Ein schön Gesicht wird keine alte Jungfer.
It.: Chi nasce bella nasce maritata. (Pazzaglia, 30.)
45. Ein schönes Gesicht ist die beste Empfehlung.
Dän.: Fagert ansigt faaer lov nok, dog man selv tier stille. (Bohn I, 367.)
Engl.: A faire face is half a portion. (Bohn II, 91.)
It.: Un viso avvenente è un muto eloquente. (Gaal, 696.)
Lat.: Formosa facies muta commendatio est. (Gaal, 696.)
46. Ein schönes Gesicht ist ein heimlicher Verräther. – Winckler, XII, 95.
47. Ein schönes Gesicht ist halbe Mitgift.
Der Litauer bemerkt aber sehr richtig: Aus schönem Gesicht lässt sich keine Butter schlagen. (Reinsberg I, 110.) Der Finne sagt: Schönheit legt man nicht in den Kessel. Der Este: Mit Schönheit füllt man keine Grapen. Aus Schönheit kocht man keine Suppe. Der Lette: Schönheit füllt den Magen nicht. Der Pole: Schönheit kann man nicht in Thaler schneiden. (Reinsberg I, 111.)
It.: Chi nasce bella, nasce maritata. (Cahier, 2623.)
48. Ein schönes Gesicht ist so gut wie ein Trommelschläger. – Winckler, IX, 71.
49. Ein schönes Gesicht verkauft oft ein räudig Gesäss.
Holl.: Een schoon aangezigt veilt lompe leden. – Een schoon aangezigt verkoopt wel een' schurftigen aars. (Harrebomée, I, 2.)
50. Einem verschleierten Gesicht ist nicht zu trauen.
Dasselbe behaupten auch die Russen. (Altmann V, 109.)
51. Er muss ein scharpff gesicht haben, der ein Jungkfraw kennen soll. – Henisch, 1562, 26; Lehmann, II, 135, 36; Petri, II, 841.
Holl.: Hij moet een scherp gezigt hebben, die eene maagd zal kennen. (Harrebomée, I, 237.)
52. Es ist nicht stets ein schönes Gesicht, was der Schleier deckt (oder: was hinter dem Schleier steckt).
53. Frechem Gesicht traue nicht.
Frz.: A face hardie une preuve ne nuit. (Cahier, 845.)
54. Glatte Gesichter und schöne Gestalten kommen nicht stets zu Falten. – Parömiakon, 2918.
Nicht jeder, der schön und gesund aussieht, erreicht ein hohes Alter.
55. Hinter einem frommen Gesicht verbirgt sich der Teufel.
Die Neger Surinams, um zu sagen: Man kann einem Menschen nicht ins Herz sehen, haben das Sprichwort: Ich kenne dein Gesicht, aber nicht dein Herz.
Span.: Cara de beato, y uñas de gato. (Bohn I, 208.)
56. Hübsche Gesichter führen am liebsten hässliche spazieren.
Man will auch die Bemerkung gemacht haben, dass geistreiche Männer gern in der Umgebung von Schwachköpfen leben.
57. In ein vernünftig Gesicht gehört auch eine rechte Nase.
58. Jämmerlich Gesicht bedarf der Bitte nicht.
59. Je hässlicher das Gesicht, je falscher schilt man den Spiegel.
60. Je schöner das Gesicht, je näher will man es sehen.
[1620] 61. Man kann's am Gesicht wol sehen, ob einer oft Ostereier gegessen hat.
Lat.: Facies tua computat annos. (Juvenal.) (Binder I, 499; II, 1066; Philippi, I, 148; Tappius, 28a.)
62. Man siehets am Gesicht, was einer im Schilde führt. – Schottel, 1113b.
Frz.: Le visage montre ce qu'on a dans l'ame. (Kritzinger, 464b.)
63. Man sieht wol am Gesicht, was am Ehehimmel geschicht.
Wie die Ehe beschaffen ist. »Einer schlecht Verheiratheten sieh nur ins Gesicht.« (Reinsberg I, 147.)
64. Mancher hat ein so scharf Gesicht, dass er andern durch den Säckel lugt. – Eiselein, 232.
65. Mancher hat zwei Gesichter, mit einem auf der Gasse ist er Cato, mit dem andern im Hause ist er Nebulo. – Geiler.
66. Mann siehets nit im gesicht, wann einer ein böss Würmlein im Zahn hat. – Lehmann, 80, 31.
Shakespeare lässt im Macbeth (I, 4) Duncan sagen: »Kein Wissen gibt's, der Seele Bildung im Gesicht zu lesen.«
67. Nicht jeder, dessen Gesicht schwarz ist, kann sagen: Ich bin ein Hufschmied. – Burckhardt, 591.
68. Nicht zu jedem Gesicht sagt man: Willkommen. – Burckhardt, 610.
69. Niemand hat so scharf Gesicht, dass er dem andern in den Beutel sieht. – Simrock, 3533.
70. Niemand schändet sein eigen Gesicht. – Sailer, 142; Simrock, 3582.
71. Sauere Gesichter schneiden, kann die Dankbarkeit (der Gehorsam) nicht leiden.
Träge Dankbarkeit und erzwungener Gehorsam haben keinen Werth.
72. Sauere Gesichter und sauerer Kohl stossen auf. – Frischbier2, 1250.
73. Scharpff Gesicht, scharpffen Zorn und scharpffe Klawen find man nur bei Adlern. – Oec. rur., 612.
74. Schön Gesicht hat gross Gewicht. – Körte, 2090.
75. Schön Gesicht verkauft einen grindigen Arsch.
Lat.: Forma decens foedas vendit prurigine nates. (Binder I, 571; II, 1175; Seybold, 188.)
76. Schöne gesichter haben viel richter. – Lehmann, 707, 49; Simrock, 3531; Eiselein, 232; Körte, 2091; Braun, I, 771.
77. Um mein Gesicht zu bedecken, nehm' ich anderer Leute Hände nicht. (Surinam.)
Ich bedarf fremder Hülfe nicht, ich kann mir selber helfen.
78. Von schönem Gesicht lebt man nicht.
Böhm.: Hledĕ na bladkou tvářičku syt nebudeš. (Čelakovský, 387.)
Poln.: Na gładką žonę patrząc syt niebędziesz. (Čelakovský, 387.)
79. Wä êne em Gesêch lov, hät gemênlich 'ne Schälm in d'r Mau (Aermel). – Firmenich, I, 484, 110.
80. Was dem Gesicht ist das Auge, das ist die Klugheit der Seele.
81. Wenn das Gesicht mancher Aebte am Himmel stände, die Bauern würden Wetter läuten. – Klosterspiegel, 24, 49.
82. Wer ins Gesicht schlagen will, muss von vorn kommen. – Schuppius.
83. Wer ein blödes Gesicht hat, übersieht viel.
84. Wer ein schwaches Gesicht hat, muss nahe sehen.
Die Chinesen sagen: Wer mich ins Gesicht beschimpft, kann ein ehrlicher Mann sein, aber wer mich bei jeder Gelegenheit lobt, ist ein Narr, der mich verachtet, oder ein Schurke, der mir einen Streich spielen will. (Cahier, 2195.)
85. Wer hat ein doppelt Gesicht, ist ein gefährlicher Wicht.
Frz.: Homme à deux visages n'agrée en villes ne villages. (Leroux, I, 163.)
86. Wer ins Gesicht lobt, ist ein Schmeichler oder will einer werden.
87. Wer kein Gesicht hat, kann schwer lachen.
Holl.: Wie geen gezigt heeft, kan niet lagchen. (Harrebomée, I, 3.)
88. Wer scharpff Gesicht vnnd guten Verstand hat, der sihet inwendig vnd ausswendig wol. – Lehmann, 55, 38.
[1621] 89. Wer wird sein eigen Gesicht (jüdisch: Ponim) verschände. – Tendlau, 721.
Ein Glied seiner eigenen Familie herabsetzen.
*90. A dorffem (er darf ihm) nich mie eiss Gesichte kummen. – Robinson, 589.
*91. A iss am Gesichte aasgefahren, wie eine birckne Rinde. – Gomolcke, 90.
*92. A macht a G'sechte wi a Hînla, wänn's g'schissa hôt, oan a Oarsch zusoamma zait. (Oesterr.-Schles.) – Peter, 444.
*93. A macht a G'sicht, als wollt' a einen fress'n. – Baumgarten.
Sieht sehr finster aus, blickt einen drohend, feindselig an.
*94. A (er) macht a G'sichte wie seben Mälen beser Wéig. (Sprottau.) – Firmenich, II, 298, 1.
*95. A schtît m'r recht am Gesichte. (Schles.) – Frommann, III, 246, 168.
*96. Ar mecht a G'sicht, wi drei Tôg Ragawatt'r. (Franken.) – Frommann, VI, 168.
Finster, böse.
*97. Auf sein ehrlich Gesicht.
*98. Auf sein G'sicht geb' i kan Pfenning. – Idiot. Austr., 77.
Er flösst kein Vertrauen ein, um Credit zu gewähren.
*99. D' machst j'a a G'sichte, wie de Kotze, wenn's dunnert (waterlecht). (Freistadt.) – Firmenich, II, 298, 2; für Franken: Frommann, VI, 168, 115 u. 415, 7.
*100. Das Gesicht ging ihm darüber aus dem Leim. – Mayer, II, 25.
Die Sache wurde ihm lächerlich. In Oberösterreich: Jetzt geht mir 's G'sicht aus'm Leim; in dem Sinne: Das ist zu arg, um ruhig zu bleiben; das hätte ich nicht erwartet.
*101. Das hat kein Gesicht. (Nürtingen.)
Die Sache ist nicht in der Ordnung.
*102. Das is e Gesicht wie von Flohnem1.
1) Flohnheim, ein Dorf in der Nähe von Mainz.
*103. Den het en Gesech, as et Jahr Söwentîn. (Meurs.) – Firmenich, I, 402, 113.
D.h. so mager wie dasHungerjahr 17.
*104. Den het en Gesech wie ein A-B-Plenksken1. (Meurs.) – Firmenich, I, 403, 216.
1) Plänkchen, d.i. ein kleines Gesicht.
*105. Der hat ein scharff gesichte, er sihet durch einen wetzker, dass nichts drynnen bleibt. – Agricola I, 622; Guttenstein, 107; Eyering, I, 473.
Witzige Umschreibung des Gedankens: er ist ein Dieb, Räuber, Schnapphahn.
Holl.: Hij heeft een scherp gezigt, hij ziet door eenen reiszak, zoo dat er niets inblijft. (Harrebomée, I, 237.)
*106. Der macht a G'sicht wêi der O'klopfer (Anklopfer) ba S'nt Séibald. (Nürnberg.) – Frommann, VI, 267 u. 415, 8.
Bezieht sich auf den bronzenen beweglichen Thürgriff (Anklopfer) an der Brautthür der Sanct-Sebalduskirche in Nürnberg, der wegen seines fratzenhaften Gesichts sprichwörtlich geworden ist.
*107. Dös ît'n wie von G'sicht g'schnît'n. (Franken.) – Frommann, VI, 168, 14.
Wenn z.B. ein Kind dem Vater sehr ähnlich ist.
*108. Du machst ein Gesicht wie 's Böndermännel (Pöntermännel). (Leipzig.)
Das Pöntermännel war das bekannteste der leipziger Wahrzeichen und hat seinen Namen von der lateinischen Ueberschrift »Ponitere« (werde von Reue erfüllt). Es diente übrigens nicht blos den vorüberziehenden Handwerksgesellen als Wahrzeichen, es war gleichsam auch das letzte Stationsmal für die zum Hochgericht oder zum Tode mittels des Rades und der Ertränkung durch die Pforten des alten Grimmaischen Thores wandelnden Delinquenten. Das Bild, wahrscheinlich aus dem Ende des 14. oder Anfang des 15. Jahrhunderts stammend, stellt eine zum Tode des Säckens vorbereitete Person dar, der die Hände übers Kreuz zusammengebunden sind, während der untere Theil des Körpers von einem Sacke fest umschlossen ist. Das Bild befand sich etwa in der Gegend des östlichen Theils des jetzigen Mauricianums, neben dem alten Schuldthurm, auf dessen Stelle sich seit 30-40 Jahren das Café français erhebt, und zwar war dasselbe an der Mauer einer Halle angebracht, welche den obern Theil des ehemaligen Pauliner Kirchhofs begrenzte. Was Dr. Grässe in seinem Sagenschatze von Leipzigs Wahrzeichen darüber mittheilt, ist nicht ganz richtig. (Vgl. den Artikel Städtewahrzeichen in der Illustrirten Zeitung, Leipzig vom 3. Jan. 1857, Nr. 705.)
[1622] *109. Du machst ja ein Gesicht wie ein Schneider in der sauern Gurkenzeit. – Freie Presse (Philadelphia 1852), Nr. 217.
*110. E hôt e Gesicht aus Feangdsuelen. – Frommann, V, 35, 58.
Ist schamlos.
*111. E hôt e Gesicht aus Läder. (Siebenbürg.-sächs.) – Frommann, V, 35, 58.
*112. E hôt niche (kein) Gesicht. (Siebenbürg.-sächs.) – Frommann, V, 35, 58.
*113. Einem das Gesicht ausblasen. – Eiselein, 232.
*114. Einem das Gesicht nicht gönnen. – Mathesy, 223a.
*115. Einem etwas am Gesicht ansehen. – Eiselein, 232.
Lat.: Ex fronte perspicere. (Eiselein, 232.)
*116. Einem etwas (besonders etwas Unangenehmes) ins Gesicht sagen.
Um auszudrücken, dass ein groseer Unterschied dazwischen sei, ob man jemand etwas ins Gesicht oder ob man es hinter seinem Rücken sage, haben die englischen Neger in Surinam das Sprichwort: Jemandes Gesicht und sein Rücken sind nicht eins. (Wullschlägel.)
*117. Einem wie aus dem Gesicht geschnitten sein. – Tendlau, 533.
*118. Er bekommt ein Gesicht, wie der untere Rand eines Topfes. – Tendlau, 542.
In Bezug auf plötzliche Veränderung des Gesichts vor Schrecken, Zorn u.s.w.
*119. Er hat ein doppeltes Gesicht.
Voltaire behauptet, alles in der Welt gleiche dem Janus und gewinne mit der Zeit ein doppeltes Gesicht.
Frz.: C'est un homme à deux visages. (Starschedel, 371.)
*120. Er hat ein Gesicht für Gott und ein anderes für den Teufel.
*121. Er hat ein Gesicht wie algäuer Leinwand, die nur auf einer Seite gebleicht ist. – Parömiakon, 315.
*122. Er hat ein Gesicht wie das katholische Vaterunser, ohne Kraft und Herrlichkeit.
Holl.: Hij heeft net een gezigt als een omgekeerd koolblad. (Harrebomée, I, 2.)
*123. Er hat ein Gesicht wie ein Affe.
Holl.: Hij heeft een gezigt als een aap (baviaan). (Harrebomée, I, 2.)
*124. Er hat ein Gesicht wie ein ausgeklatschter Bauernarsch.
Holl.: Hij heeft net een gezigt als een kippenhok, met den stront naar buiten. (Harrebomée, I, 314.)
*125. Er hat ein Gesicht (jüdisch: Ponim) wie eine Metze (so getüpfelt). – Tendlau, 536.
Der Pockennarbige.
Holl.: Hij heeft net een gezigt als eene paardenvijg, daar de kippen in gepikt hebben. (Harrebomée, I, 2.)
*126. Er hat ein g'stöppt's G'sicht. – Idiot. Austr., 77.
Ist sehr pockennarbig.
*127. Er hat ein scharf Gesicht, er sieht durch eine eichene Thür. – Simrock, 3534.
*128. Er hat sein Gesicht mit einem Fleischerschwamme gewaschen.
*129. Er hat sein Gesicht zur Wäsche gegeben.
Er wird nicht mehr schamroth.
Jüd.-deutsch: Der hot sein Ponim zu wäsche' gebe. (Tendlau, 374.)
*130. Er hat sich sein Gesicht fürs Frühstückgeld gekauft. (Ostpreuss.) – Frischbier, 255; Frischbier2, 1244.
Von einem, der sich durch Hässlichkeit auszeichnet.
*131. Er hat zwei Gesichter. – Eiselein, 232.
Ist um- oder vorsichtig, oder auch falsch, betrüglich. Wenn die englischen Neger in Surinam von jemand ausdrücken wollen: dem darf man nicht trauen, er ist falsch, so sagen sie: Er zeigt ein freundlich Gesicht, das hässliche verbirgt er mir.
Frz.: Faire faux visaige. (Leroux, II, 223.)
Lat.: Alter Janus. (Philippi, I, 22.) – Larvare vultum. (Bovill, II, 76.)
*132. Er macht ein Gesicht, als ob er Sauerampfer gegessen hätte. – Kirchhofer, 174.
Der Unfreundliche.
*133. Er macht ein Gesicht, als wenn er Essig gesoffen hätte.
*134. Er macht ein Gesicht, als wenn er mit Paulus im dritten Himmel wäre. – Parömiakon, 2211.
Stellt sich andächtig, spielt den Entzückten und Heiligen.
[1623] *135. Er macht ein Gesicht, als wenn er sauere Aepfel ässe.
Von einem, der sehr ernst aussah, sagten die Alten: Ex Academia venis. (Erasm., 86.)
*136. Er macht ein Gesicht, als wenn er tausend Teufel gefressen hätte.
*137. Er macht ein Gesicht, als wenn ihm die Nudeln nicht fett genug geschmalzen wären.
*138. Er macht ein Gesicht, als wollte er die Kinder erschrecken, dass sie die Fraiss bekommen. – Eiselein, 232.
*139. Er macht ein Gesicht wie acht Tage Regenwetter. – Für Franken: Frommann, VI, 168, 115; für Ostpreussen: Frischbier2, 1249.
*140. Er macht ein Gesicht wie der am Rathhaus. – Kirchhofer, 79 u. 331; Eiselein, 232.
Nämlich am Rathhause zu Schaffhausen, wo das Wappen der Stadt, ein schwarzer Widder mit goldenen Hörnern, unter dem ein menschlicher Kopf, in Stein gehauen, steht, der eher als der Widder zu dem obigen Sprichwort Veranlassung gegeben hat, um ein weinerliches und einfältiges Gesicht zu bezeichnen.
*141. Er macht ein Gesicht, wie der Esel, der Teig gefressen hat. (Schwaben.) – Braun, I, 772.
*142. Er macht ein Gesicht, wie der Fuchs, wenn er im Hintern floht. (Schweiz.) – Kirchhofer, 277.
*143. Er macht ein Gesicht wie der Hund, wenn er Bauchschmerzen hat. (Ostpreuss.) – Frischbier, 252.
*144. Er macht ein Gesicht wie der selige Mops.
So hörte ich diese Redensart in Hermsdorf.
*145. Er macht ein Gesicht, wie der Teufel in der Christnacht. (Altenburg.)
*146. Er macht ein Gesicht, wie der Weg von Stolpe nach Rummelburg.
Spott der Pommern auf den schlechten Weg zwischen den beiden genannten Orten. Von unzugänglichen, mürrisch aussehenden, sehr unfreundlichen Menschen.
*147. Er macht ein Gesicht wie die Katze im Namenbüchlein. – Kirchhofer, 286.
*148. Er macht ein Gesicht wie die Katze, wenn sie in die Spreu scheisst. (Ostpreuss.) – Frischbier, 254; Frischbier2, 1247.
*149. Er macht ein Gesicht wie die Katze, wenn's donnert. – Frischbier, 253.
Um den Ausdruck der Aengstlichkeit zu schildern. Diese Redensart ist in Deutschland sehr verbreitet, sie kommt in vielen Mundarten, in Schlesien, Baiern u.s.w., vor. (Frommann, VI, 418, 7.)
*150. Er macht ein Gesicht wie die Sau auf dem Pflaumenbaume. (Marienwerder.) – Frischbier2, 1248.
*151. Er macht ein Gesicht, wie die seufzende Creatur im Römerbriefe.
*152. Er macht ein Gesicht wie ein Essigkrug.
*153. Er macht ein Gesicht wie ein Kerker(Stock-)meister.
*154. Er macht ein Gesicht wie ein Molkendieb. (Leipzig.)
*155. Er macht ein Gesicht wie ein Nest voll Eulen.
*156. Er macht ein Gesicht wie ein Pfaff am Charfreitag. (Schweiz.) – Kirchhofer, 219.
*157. Er macht ein Gesicht wie eine Kreuzspinne. (Rottenburg.)
*158. Er macht ein Gesicht wie eine vertretene Schapf1. (Rottenburg.)
1) Ein Schöpfkübel an einer langen Stange.
*159. Er macht ein Gesicht wie Frost und böser Weg. (Altenburg.)
*160. Er macht ein Gesicht wie Marie.
Ein Mater-Dolorosa-Gesicht.
Jüd.-deutsch: Der macht als fort e Ponim wie die Schmarië1. (Tendlau, 408.)
1) Für Marie, da es Brauch bei den alten Juden war, heilige Namen durch Einschiebung irgendeines Buchstabens zu verändern.
*161. Er macht ein Gesicht wie sauere Krautbrühe. – Parömiakon, 1027.
*162. Er macht ein Gesicht wie sieben Meilen schlechter (böser) Weg. – Frischbier2, 1249.
[1624] *163. Er macht ein Gesicht, wie wenn er Grillen fressen möchte. (Nürtingen.)
So hungrig ist er.
*164. Er macht ein Gesicht, wie wenn er (in) Holzäpfel gessen (gebissen) hätte. (Salzburg.)
*165. Er macht ein Gesicht, wie wenn er Kreuzspinnen gefressen hätte. (Rottenburg.)
*166. Er macht ein Gesicht, wie wenn ihm der Hund (die Katze) das Fleisch davongetragen hätte.
*167. Er macht ein Gesicht, wie wenn ihm die Hündel das Brot weggefressen hätten. (Steiermark.)
*168. Er macht ein Gesicht wie zehn Pfund Donner. (Altenburg.)
*169. Er macht ein G'sicht, man könnt ihm mit einem Kuhfladen dazwischenkommen. – Kirchhofer, 360.
*170. Er macht ein G'sicht wie eine Kuh auf eine Erdbeere. – Kirchhofer, 360.
*171. Er macht ein langes Gesicht.
Holl.: Hij heeft een gezigt van eene el lang. (Harrebomée, I, 2.)
*172. Er macht es G'sicht, as wenn er Murheime (Hausgrillen) g'frässe hätte. (Solothurn.) – Schild, 81, 278.
*173. Er macht es G'sicht, wie sibe Tag Rägewätter. (Solothurn.) – Schild, 81, 279.
*174. Er macht es G'sicht, wie we-n-em schuldig wär. (Solothurn.) – Schild, 81, 280.
*175. Er macht es G'sicht, wie wenn-er i-n-e su- re-n-Oepfel bisse hätt. (Solothurn.) – Schild, 81, 281.
Holl.: Hij trekt een gezigt als een bok, die zure kornellen vreet. (Harrebomée, I, 2.)
*176. Er macht Gesichter wie Oder. (Glogau.) – Fülleborn, Breslauer Erzähler, 1800, S. 224.
*177. Er schlägt sich ins Gesicht, um seinen Nachbar zu ärgern.
Frz.: Se couper, s'arracher le nez pour faire dépit à son visage. (Lendroy, 1074.)
*178. Er schneidet ein Gesicht, wie ein Topf voll Teufel. – Riehl, Novellen, 408.
*179. Er sollte vom Gesicht bis zu den Zehen schamroth werden.
*180. Es ist ein Gesicht wie ein ausgeschnittener Kürbis.
Jüd.-deutsch: E Ponim wie e Schunre. (Tendlau, 535.)
*181. Es ist ein schönes Gesicht, isst aber böse Dinge. – Burckhardt, 715.
Von Personen, die zwar schön sind, aber nicht sittlich gut.
*182. Es ist wie ein Gesicht ohne Nase.
*183. Es läuft ihm übers Gesicht, wie Katzenpfoten über die See.
Von jemand, der leicht zornig wird.
*184. Hä hätt a Gesech we 'nen Bichspegel1. (Köln.) – Weyden, IV, 6.
1) Unter Beichtspiegel versteht man ein vollständiges Sündenverzeichniss.
*185. Hä määt e Gesêch we en Sau, de Bretzeln friss. (Köln.) – Firmenich, I, 473, 78.
*186. Hä macht e Gesicht, bi e Töpfe voll Mäus'. (Henneberg.)
*187. Hä mâked en Gesicht, as 'ne össige1 (ochsige) Katte. – Frommann, V, 65, 65.
1) Die Kuh ist ochsig, wenn sie den Ochsen begehrt; der Ausdruck ist scherzhaft auf die Katze angewandt.
*188. Hä mâked en Gesichte, as wan de Katte duenern härd. (Grafschaft Mark.) – Frommann, V, 59, 65; Woeste, 84, 73; für Altmark: Danneil, 96; für Ostpreussen: Frischbier2, 1246.
*189. Hä mâked en Gesichte, as wan de Katte Séur1 lecked. (Grafschaft Mark.) – Frommann, V, 59, 65.
1) Sûr = Essig.
*190. He heft en Gesicht, dat men woll kan »Du« to em seggen.
Er hat kein Ansehen. Wenn hingegen der osnabrücksche Bauer sagen will, dass man Respect vor jemand haben müsse, so spricht er: den mut man gy heten.
*191. He heft söck dat ôle Gesöcht op e Fröschbrigg fer fîf Grosche gekofft. (Samland.) – Frischbier2, 1251.
[1625] *192. He mäckt en Gesech, do soll me de kleine Kender met no Bed driewen. (Meurs.) – Firmenich, I, 406, 351.
*193. He makt e Gesöcht, als wenn de ôl Koh schîte wöll. (Natangen.) – Frischbier2, 1252.
*194. He makt en Gesech, as ennen Bûr, den Tandpîn (Zahnpein) het. (Meurs.) – Firmenich, I, 404, 232.
*195. He makt en Gesicht as in hundert Jahren kên Mod west is. (Holst.) – Schütze, II, 29.
Ein saueres, verdriessliches.
*196. He makt 'n Gesicht as de Bûr, den't Heu regnet het. (Oldenburg.) – Firmenich, I, 232, 16.
*197. He trock1 Gesichter as 'n Bolsse2 wenn't grummelt3. (Büren.) – Honcamp.
1) Zog.
2) Kater.
3) Grummeln = dumpf murmeln, entfernt donnern.
*198. Hei maket en Gesicht, as en Düpper voll Düwels. (Westf.)
*199. Hei maket en Gesicht, äs en Kearkenfenster. (Büren.) – Honcamp.
So lang.
*200. Hei maket en Gesicht, ässe de Iesel im Pardstalle. (Büren.) – Honcamp.
*201. Hei maket en Gesicht, me söll der Kinner met to Bedde jagen. (Büren.) – Honcamp.
*202. Hei sett en Gesicht up, as 'ne säute Plumm, de in Essig legt is. – Fritz Reuter, Stromtid (Wismar 1863), II, 89.
*203. Ich will ihm das nicht ins Gesicht sagen.
Frz.: Aller lui dire cela et vous chauffer au coin de son feu. (Lendroy, 464; Fr. Roux, Nouv. Dict., Halle 1789, s.v. Coin.)
*204. Ihr Gesicht verschmäht die Küsse nicht.
Holl.: Men kan wel zien aan haar gelaat, dat zij het minnen geenszins haat. (Harrebomée, I, 216.)
*205. In seinem Gesicht sieht man die aufsteigende Morgenröthe.
Vom Trinker.
*206. In seinem Gesicht steckt Arbeit. – Idiot. Austr., 77.
Es ist von Pocken sehr verunstaltet.
*207. Jemand nur von Gesicht kennen.
Nur oberflächlich kennen.
*208. Man kann's auf seinem Gesicht lesen.
Holl.: Het is op zijn gelaat te lezen. (Harrebomée, I, 216.)
*209. Man sieht dir's am Gesicht an, wie alt du bist.
*210. Mit dem Gesichte bulen. – Agricola II, 291.
*211. Mit'n ganza G'sicht lacha. (Würzburg.) – Sartorius, 163.
Zur Bezeichnung einer über das ganze Gesicht verbreiteten Freude oder Freundlichkeit.
*212. Sauere Gesichter und tückische Herzen. – Burckhardt, 716.
Der Morgenländer vergibt es eher jemand, dass er ein Schurke ist, als dass er die Miene annimmt, Schurken zu hassen.
*213. Schissem as Gesichte, wenn a (ock) sünste an gesunden Leeb hoat. – Gomolcke, 929; Robinson, 590.
*214. Séi maket en Gesicht asse 'ne Bruthe1. (Büren.) – Honcamp.
1) Eine mürrische, trotzige Person; bruthig, auch brathig, trotzig oder protzig.
*215. Sich a G'sicht mache wie a g'trennte Bettschueh. (Oberösterreich.) – Baumgarten.
*216. Sich selbst ins Gesicht schlagen.
Lat.: Bos adversus se ipsum pulverem movet. (Binder II, 366; Manutius, 622; Philippi, I, 64; Seybold, 59.)
*217. Sie haben verschiedene Gesichter, aber sie hängen mit den Schwänzen zusammen.
Die allgemeine Kirchenversammlung im Lateran 1215 unter dem Vorsitz des Papstes Innocenz III. erklärte im dritten Kanon: »Wir thun in den Bann und verfluchen alle Ketzer, wie sie auch heissen mögen, da sie zwar verschiedene Gesichter haben, aber mit den Schwänzen zusammenhängen.«
*218. Sie hat ein Gesicht wie Milch und Blut.
*219. Wenn ihr Gesicht ein Acker wäre, man fände das ganze Jahr Kornblumen darin. – Parömiakon, 2496.
Blaue Flecke; von einer Frau, die von ihrem Manne oft gemishandelt wird.
*220. Wenn man ihm ins Jesicht spuckt und sagt: et rejent, so jlobt er es. (Berlin.)
[1626] *221. Wenn sein Gesicht am Himmel stände, die Bauern würden zu Wetter läuten.
Noch aus jenen Zeiten, wo man mit dem Läuten der Glocken die Gewitter zu zertheilen wähnte. – In Aegypten sagt man von einem unfreundlichen Gesicht oder allgemein von jemand mit einem so abstossenden Aeussern, dass sogar niemand im Handel und Verkehr gern mit ihm zu thun hat: Sein Gesicht schneidet jeden Gewinn ab. (Burckhardt, 718.)
*222. Wenn sein Gesicht an der Küche (vor der Kirchthür) stände, es ginge kein Hund vorüber (in die Kirche). (S. ⇒ Angesicht 21.)
Um Form, Charakter u.s.w. des Gesichts zu bezeichnen, hat man auch die Redeformen: Arschbacken-, Milchsuppen-, Pausbacken-, Vollmondsgesicht, auch confiscirtes Gesicht oder Galgenphysiognomie. Man redet auch von einem sauern, bittersüssen, ellenlangen u.s.w. Gesicht.
223. Det Gesicht bräingt det Mädchen angder de Houf. (Siebenbürg.-sächs.) – Schuster, 338.
224. E' lädrä Gesicht drükt iwerôl durch. – Schuster, 1043.
225. Ein falsch vnd vnartig gesicht lass in deine geselschafft nicht. – Loci comm., 208.
Lat.: Si quaeras socium, nunquam iungas tibi luscum. (Loci comm., 208.)
226. Ein feines Gesicht ist eine theure Geschicht. – Schuller, 32.
Es kostet viel, weil in der Regel die feinen Gesichter den Putz und Kleiderstaat lieben.
227. Ein Gesicht ist nicht wie das andere.
Lat.: Facies non omnibus una est. (Ovid.) (Philippi, I, 148.)
228. Ein glattes Gesicht ist ein karge Mitgift. – Kotzebue, Ged., 3.
229. En îrlich Gesicht terf de San beschengen. – Schuster, 682.
[1340] 230. Es steht nicht jedem im Gesicht geschrieben, ob er zu hassen oder zu lieben.
231. Es wird ein verschieden Gesicht gemacht, wenn einer weint, der andere lacht.
232. Freundliches Gesicht und wenig Worte zieren das Weib an jedem Orte.
Lat.: Dulcibus et modicis ornatur femina verbis. (Seybold, 138.)
233. Ins Gesicht freundlich, aber im Herzen feindlich.
It.: Il volto leggiadro, il cuor però ladro. (Giani, 1779a.)
234. Lieb ohn gesicht gar leicht zerbricht. – Monatsblätter, 12, 191.
235. Nit mâg e Gesicht wü a Field vôl Teiwel. – Schuster, 1013.
236. Nit mâg e Gesicht wü e Schlidenteisselt. – Schuster, 1014.
237. Schön von Gesicht, birgt oft innen den Wicht.
It.: Bello in viso spesso dentro è tristo. (Giani, 1779.)
238. Schönes Gesicht das Herz besticht.
It.: Bella faccia il cuor allaccia. (Giani, 640.)
239. 'T Gesicht kummt nicht to de Plojen ût. – Stürenburg, 179a.
Seine Gesichtszüge verändern sich nicht, er verliert nicht die Fassung. Ploje = Falte, holl. plooi, engl. plait.
240. Unter einem glatten Gesicht ist oft viel Kummer verborgen.
*241. Ar is an Gesichte wie gemoult. – Larisch, 20.
Er ist im Gesichte wie gemalt. Sehr schön.
*242. Der macht ein Gesicht, als wenn er Maikäfer gefrühstückt hätte. – Klix, 23.
*243. Du machst a G'sicht wia der Palmesel. – Michel, 272.
Zu einem, der den Hochmüthigen spielen will und dadurch albern erscheint.
*244. Dumm Gesicht un kluke Kaldaune. (Oberharz.)
Sieht zwar einfältig aus, ist aber gescheit, hat kluge Gedanken.
*245. E sauersüss Gesicht machen. (Ulm.)
*246. Ein dummes Gesicht machen. – Lazarus, XVIII, 370.
*247. Ein Gesicht machen, dass man junge Katzen damit vergiften kann. – Gotthelf, Uli, 80.
*248. Ein Gesicht machen, es müsste eine Kuh daran ersticken. – Gotthelf, Käthi, 82.
*249. Ein Gesicht wie ein g'spiebenes Aepfelkoh.
Wie ausgespiener Apfelbrei. Ein Bleichgesicht.
*250. Ein Gesicht machen, wie eine Krähe, wenn sie studirt. – Gotthelf, Jakob, 174.
*251. Ein Gesicht machen, wie eine Kindbetterin, welche auf ihre Suppe wartet. – Gotthelf, Erzählungen, III, 188.
*252. Ein Gesicht machen, wie eine Staude voll Sauerkraut. – Gotthelf, Bauernspiegel, 230.
*253. Ein preussisches Gesicht machen. – Gotthelf, Erzählungen, IV, 212.
Ernst und kriegerisch aussehen.
*254. Ein spanisch Gesicht machen.
»Da machte er ein solch spanisch Gesicht, als ob er Duc de Alba wäre.« (Schuppius, Schriften, I, 114.)
*255. Einem das Gesicht zeichnen, dass man meine, der Teufel und seine Grossmutter hätten darauf geneujahrt. – Gotthelf, Käthi, I, 121.
*256. Einem ein Gesicht machen.
Ihm durch Mienen Verachtung, Spott ausdrücken.
*257. Em öss dat Gesöcht ön de Oge geschoret. – Frischbier, I, 446.
Er ist angetrunken.
*258. Er macht ein Gesicht, als woll er die Pfalz vergiften. – Glaubrecht, Erzählungen, 59.
*259. Er macht Gesichter, als wenn er landshuter Wein getrunken hätte. – Schaltjahr, IV, 580.
*260. Er hat ein Gesicht, dem viel zu glauben nicht.
»Fürwar, für war, dem angesicht ist vmbesehens zu glauben nicht.« (Waldis, II, 92, 21.)
*261. Er hat ein Gesicht wie ein borsdorfer Apfel.
Findet sich an einem kleinen niedlichen Kopfe mit vollen rothen Backen.
[1341] *262. Er macht a G'sicht wie-r-a Feld voll Teuffel. (Steiermark.)
*263. Er macht ein Gesicht als ob er Spinnen mett g'fressa hette.
Wenn jemand ein sehr mürrisches Gesicht macht.
*264. Er macht ein Gesicht, mit dem man ganz Lappland vergiften könnte. – Gotthelf, Käserei, 107.
*265. Er macht ein Gesicht, wie de' Affe, wenn er Teig frisst. – Klix, 23.
*266. Er macht ein Gesicht wie der Gerber, dem die Felle weggeschwommen sind.
*267. Er macht ein Gesicht, wie der Lichtfreund, wenn im Kalender Finsterniss steht. – Klix, 23.
*268. Er macht ein Gesicht wie der Teufel im Buche Hiob. – Gotthelf, Joggeli, S. 87.
*269. Er macht ein Gesicht wie eine betrübte Lohgerberei.
*270. Er macht ein Gesicht, als wenn ihm die Hühner die Butter vom Brote gefressen hätten.
*271. Er macht ein Gesicht wie ein verregneter Pfingstsonntag. – Wachenhusen, Hausfreund 1872, S. 448.
*272. Er macht ein Gesicht wie ein verstrupfter Dornhag.
*273. Hä möckt 'n Gesicht, we de Katt de Dêg fröäten hät. – Schlingmann, 521.
*274. He makt en Gesicht, as hadd em einer von achter ene Brill von Schauhsallen upset't.
*275. He mâkt en Gesicht, as hadde he unrîpe Slöhe (Schlehen) äten. – Piening, 44.
*276. He mökt 'n Gesicht as harren em de Höhner dat Brot nahmen. (Pommern.)
Als hätten ihm die Hühner das Brot genommen.
*277. He mökt 'n Gesicht, as wier em all' Peterzilj' verhaogelt.
*278. Ihr gsicht ist voller Hanentritt. – Ayrer, IV, 2393, 20.
*279. Ihr macht ein Gesicht, als hättet ihr Spinnen gefressen. – Hinkender Bote, 1870, S. 47.
*280. Sein Gesicht ist in sieben kalten Wintern nicht mehr Mode gewesen.
*281. Sein Gesicht wär nach der Ellen auszumessen: drei tagwerk G'sicht und zwei tagwerk Nasen.
*282. Sich eine ins Gesicht stecken.
»Wenn ich nur wenigstens die Tabackspfeife mit auf den Marsch genommen hätte, dass ich mir eine ins Gesicht stecken könnte.« (Eselsfresser, I, 146.)
Brockhaus-1911: Schiefes Gesicht · Zweites Gesicht · Gesicht · Hippokratisches Gesicht
Herder-1854: Zweites Gesicht · Hippokratisches Gesicht · Gesicht
Kirchner-Michaelis-1907: Gesicht
Meyers-1905: Hippokratisches Gesicht · Schiefes Gesicht · Zweites Gesicht · Gesicht [1] · Gesicht [2] · Gesicht [3]
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