1. Am Spiegel ist keine Frau hässlich, keine alt.
Jede glaubt, es liege am Spiegel, wenn das Gesicht nicht zusagt.
2. Auch neuer Spiegel glättet alte Runzeln nicht.
3. Besser den Spiegel zerbrechen, als sich davor anbeten.
4. De Spêgel lügt, de Schîn bedrügt. – Deecke, 6.
Dän.: Spejlet lyver, skin bedrager. (Prov. dan., 525.)
Lat.: Speculam mendax est splendor fallax. (Seybold, 577; Philippi, II, 196.)
5. Der beste Spiegel ist der, welcher verschönert.
Frz.: Il n'est si bon miroir que plus belle que soi. (Cahier, 2061.)
6. Der beste Spiegel ist ein alter Freund.
Engl.: The best mirror is an old friend.
7. Der reinste Spiegel läuft an, wenn er behaucht wird.
8. Der Spiegel der Geschichte ist der beste Wahrsager. – Kornmann, VIII, 90.
9. Der Spiegel frisst Thoren und spuckt Narren aus. (Leipzig.)
10. Der Spiegel gibt ein Bild und kennt (weiss) es selber nicht.
Er dient andern, ohne eigenen Genuss davon zu haben.
Frz.: Le mirouer porte en soy limaige la quelle il ne voit. (Leroux, II, 27.) – L'oueil voit sa semblance.
Lat.: Oculus videt quam non fert effigiem. – Speculum fert quam non videt imaginem. (Bovill, I, 191-192.)
11. Der Spiegel gibt selten guten Rath.
Engl.: What your glass tells you, will not be told by counsel.
12. Der Spiegel ist der Weiber bester Rathgeber. – Winckler, III, 2.
13. Der spiegel leugt, der schein treugt. – Franck, I, 30a; Gruter, I, 17; Eyering, I, 544; Petri, II, 107; Sutor, 328; Eiselein, 573; Simrock, 9698; Mayer, II, 93.
[691] 14. Der Spiegel lügt nicht.
Frz.: Vng mirouer ne scait mentir.
Lat.: Specula mentiuntur nunquam. (Bovill, III, 44.)
Span.: Lo que te dijere el espejo, no te lo diran en consejo. (Cahier, 3413.)
15. Der Spiegel sagt, was keiner unserer Freunde sagt.
Engl.: Your looking-glass will tell you, what none of your friends will.
16. Der Spiegel wird darumb nicht dunckler, wann schon ein Schmutzkolb darein sieht. – Fischart, Gesch., in Kloster, VIII, 7.
17. Der Spiegel wird drum nit hesslich, obschon hessliche Leut drein sehen. – Lehmann, 862, 44.
18. Die oft in den Spiegel sieht, spinnt wenig.
Holl.: Wie veeltijds spiegelen, zelden spinnen.
19. Ein falscher Spiegel gibt kein richtig Bild.
Mhd.: Ist der spiegel ungelîche man siht sich selben vunderliche, man dunkt sich ze kurz od ze lanc, ode ze breit ode ze kranc. (Welscher Gast.) – Swer sich besiht in spiegelglase den dunket krump sin selbes nase. (Freidank.) (Zingerle, 141.)
20. Ein guter Spiegel ist kein Fuchsschwänzer.
Frz.: Un bon miroir n'est pas flatteur. (Kritzinger, 459a.)
21. Ein guter Spiegel repraesentirt ein ding recht vnnd eben, also der guten verstandt hat. – Lehmann, 800, 38.
22. Ein Spiegel ohne Rahmen ist bald zerbrochen. – Parömiakon, 2438.
Empfiehlt strenge Beaufsichtigung der Kinder und der Jugend überhaupt. Abraham a Sancta Clara (Heilsames Gemisch-Gemasch) legt damit den Müttern sorgfältige Aufsicht ihrer Töchter ans Herz. »Du bist mir eine saubere Mutter«, sagt er; »eine Bruthenne ist viel gescheiter, weil sie ihre Jungen nicht von sich lässt. Lass deine Töchter nur zu Tage gehen, du wirst ein seltsames Kehraus erleben. Denn einer solchen Tochter küsst man anfangs die Hand, das ist nichts; nach der Hand schenkt man ihr ein Band, das ist nicht viel; nach dem Band kommt der Brand, das ist schon etwas; nach dem Brand kommt die Schand, das ist zu grob.«
23. Ein zerbrochener Spiegel wird nicht mehr so ganz als er gewesen ist.
Hüte dich vor einem versöhnten Freunde.
24. Es gibt keinen treuern Spiegel als einen alten Freund. – Gaal, 1435.
Frz.: Il n'y a meilleur miroir que le vieil ami. (Kritzinger, 459b.)
Lat.: Se gerit egregium speculum veteranus amicus. (Gaal, 1435.)
25. Es hat noch kein Spiegel einer Frau gesagt, dass sie hässlich sei.
Frz.: Jamais miroir n'a dit à une femme qu'elle fût laide. (Cahier, 1802.)
26. Es ist kein Spiegel, der nicht sagt, die Frau sei schön.
Frz.: Il n'y a pas de miroir au monde qui ait jamais dit à une femme qu'elle était laide. (Bohn, I, 25.)
27. Es ist kein Spiegel so rein, es wird ein Pünktlein drin sein.
Es wird wol selten eine Familie gefunden werden, in der es nicht ein misrathenes Glied gibt. Eine jüdisch-deutsche Redensart in Warschau sagt: A Pesill (= Verderbtes, Schlechtes) in der Mischpuhn (Familie) und meint damit Familienglieder, die misrathen, oder aus der Art geschlagen sind. Die Redensart wird häufig auch auf getaufte Glieder der Familie angewandt.
28. Es, sei ein Spiegel noch so gut, er macht nicht jung ein altes Blut.
Die Chinesen behaupten ebenfalls, dass auch ein guter Spiegel einen Gegenstand nicht schöner mache als er ist. (Cibot, 159.)
29. Es seynd mehr, die sich am Spiegel kreuzigen, als am Creuz spiegeln.
Lat.: Deus humilis factus est, erubescat homo fieri superbus. (Chaos, 955.)
30. Es steckt nicht im Spiegel, was man drin siehet. – Lehmann, 516, 74; Gaal, 1434; Körte, 5640; Simrock, 9697; Braun, I, 4174.
»In einem spiegel find man nicht die Ding, so man darinn sicht.« Bei Tunnicius (517): It is nicht in dem speigel, dat men dâr inne süt. (In speculo facies non est, quam lumine cernis.)
Holl.: Het is in den spiegel niet, was man daarin ziet. (Harrebomée, II, 288a.)
Lat.: Non est in speculo res quae speculatur in illo. (Loci comm., 72; Gaal, 1434.)
Schwed.: Det är ikke alt i spegelen som synes. (Grubb, 89.)
[692] 31. Im Spiegel sieht man die Gestalt, im Wein das Herz. – Simrock, 9699.
32. Im Spiegel sihet man des Menschen Gestalt, im Reden seinen Verstandt. – Lehmann, 643, 8.
33. Kîk nêt to völ in't Spegel, de olle Jöd steit achter dir un kîst1 di in de Nack. – Kern, 1447.
1) Fletscht die Zähne. – Warnung vor Eitelkeit.
34. Reinen Spiegel kann ein Hauch beflecken.
35. Schlage den Spiegel nicht, wenn die Nase schief steht.
36. Sieh nicht in den Spiegel bei Licht, der Schwarze guckt dir über die Schulter. – Körte, 5641.
Zu grosse Eitelkeit führt zu Thorheit.
37. Spiegel geben keine Schönheit.
Schwed.: See illa ut i en wacker speyel. (Grubb, 711.)
38. Vor dem Spiegel stehen bringt kein Garn zu Hemden.
Engl.: The more women look into their glasses, the less they look to their houses.
39. Wä en d'r Spêgel sît, kan 'm Gäck de Zeck (Zeit) vom Dâg (heute) sage. (Düren.) – Firmenich, I, 483, 62.
40. Was der Spiegel sagt, gehört nicht auf den Markt.
Engl.: What your glass tells you, will not be told by counsel. (Bohn II, 9.)
41. Was kan der Spiegel darzu, dass er einen Lützelhüpschen lützelhüpsch anzeigt! – Fischart, Gesch., in Kloster, VIII, 7.
42. Was zeitlich zum Spiegel wird, das zubricht gern. – Petri, II, 612.
43. Wenn der Spiegel reden könnte, so würde er manchem garstigen Bild seine Thorheit strafen. – Wirth, I, 99, 445.
44. Wenn man nachts in Spiegel sieht, so guckt der Teufel heraus. – Eiselein, 590; Braun, I, 4437.
45. Wenn man vorm Spiegel lacht, so lacht er mit.
46. Wenn me z' Nacht no im Spiegel luoget, so sieht än der Tüfel a. – Steiger, Sitten, 193.
»Sieht abends man beim Lichterschein noch in den Spiegel stolz hinein, schaut reizend wie ein Blumenstrauss, gifthauchend Satanas heraus. Und stört er deiner Seele Ruh', schliess' schnell und fest die Augen zu. Gelöscht die freche Kerze sei, den freveln Spiegel schlag' entzwei.«
47. Wenn nichts in den Spiegel hineinsieht, so sieht auch nichts heraus.
»Es bedarf eines unausgesetzten Hofirens bei den Grossen, wenn sie uns nicht vergessen sollen. Ihr Gedächtniss hat hierin Aehnlichkeit mit einem Spiegel, der nur so lange Eindruck aufnimmt als Gegenstände davor weilen.« (Fr. Schütz, Aphorismen, 118.)
48. Wie der Spiegel, so die Gestalt.
Lat.: Qualis domus, talis dominus. (Chaos, 268.)
49. Wie im Spiegel die Gestalt, so sieht man das Herz im Wein. – Körte, 5639.
50. Wie Spiegel, so Gesicht.
51. Zu solchem Spiegel gehört ein solcher Rahmen. – Parömiakon, 386.
52. Zuerst schau dich selbst im Spiegel! – Simrock, 9699a.
*53. E loat eangderm Spoägel. (Siebenbürg.-sächs.) – Frommann, V, 326, 286.
Er ist gestorben. (S. ⇒ Empfehlen.)
*54. Ein Spiegel (Muster) aller Ritterschaft. – Eiselein, 573; Braun, I, 4178.
Lat.: Quo non Hectorior, quo non Orlandior alter. (Eiselein, 573.)
*55. Einem den Spiegel vorhalten (zeigen). – Eiselein, 573; Körte, 5639b; Braun, I, 4177.
Frz.: Relever quelqu'un de sentinelle. ( Lendroy, 1369.)
*56. Einen spiegel hesslich ansehen. – Egenolff, 263b; Körte, 5639a.
*57. Er darff keins spiegels, er weyss wol, das er gelert oder schön ist. – Franck, I, 121b.
*58. Er hat beim Spiegel ein'n guten Sitz, wie Kaspar Vogt von der Schweidnitz. (Schles.)
Kaspar Vogt gehörte zu den durch ein Preisgedicht gefeierten Schützen, welche an dem Freischiessen zu Neisse im Jahre 1612 theilgenommen hatten. In dem [693] Siegesgesange heisst es in Bezug auf ihn: »Herr Kaspar Vogt von der Schweidnitz hat beim Spiegel einen guten Sitz. Denn er dass thut gewohnt sein, dass er scheusst in den Zirkel nein.« (Fülleborn, Bresl. Erzähler.)
*59. Er hat wol noch nie in Spiegel gesehen.
Weil er nicht weiss, dass er ein Narr ist. »Es sagte ein grosser Mensch, er habe sein Lebtag nie kein grossen Narren gesehen. Da widersetzte einer: So hast gewiss dein Lebtag nie in Spiegel gesehen.«
Lat.: Mos est stultorum, reprehendere facta bonorum. (Sutor, 923.)
*60. Er wird's nicht hinter den Spiegel stecken. – Braun, I, 4175.
I hab'n 'n Brief g'schrieba, dän wird'r nit an Spiegel stecka (Sartorius, 182), d.h. er wird, da sein Charakter darin enthüllt ist, den Inhalt möglich geheim halten. Von dem Brauch entlehnt, dass man Briefe und Karten an den Spiegel steckt, wo sie leicht gesehen und gelesen werden können.
*61. In den Spiegel sehen. – Eiselein, 573.
*62. Sie sehen in denselben Spiegel.
Holl.: Zij zien in denzelfden spiegel. (Harrebomée, II, 288a.)
*63. Sie sieht den Spiegel hässlich an.
*64. Tret vor den Spiegel vnd besehe dich selbst. – Lehmann, 187, 17.
*65. Was soll ein Spiegel dem Blinden.
Lat.: Nil graculo cum fidibus. – Quid coeco cum speculo?
Schwed.: Hwad gjör den blinde med speyelen. (Grubb, 343.)
66. Durch des Spiegels Gewalt werden die Weiber nicht alt.
It.: Allo specchio nè brutta ne vecchia.
67. Hängt ein grosser Spiegel an der Wand, such dir ein Weib auf anderm Land.
68. Im Spiegel äusserer Schein, das Herz erscheint im Wein. – Frieske, 11.
Spruch in der sechsten Nische des Weinkellers im neuen berliner Rathhause.
69. In des Spiegels Reich sind alle gleich.
70. Was nützt dem der Spiegel, der im Finstern sitzet! – Pers. Rosenthal, 308.
71. Was soll dem ein Spiegel, der keine Augen hat.
In Aegypten sagt man von denen, welche sich für Mangel an Genüssen mit leeren Träumereien trösten: »Traurig, dass sie nicht zwei Augen hatte, kaufte sie einen Spiegel für zwei Dirhems.« (Burckhardt, 204.)
*72. In hindern spiegel sehen lan. – Schade, Satiren, I, 55, 45.
Adelung-1793: Spiegel-Folie, die · Spiegel, der
Brockhaus-1911: Spiegel [2] · Spiegel [3] · Spiegel Salomonis · Rotierender Spiegel · Spiegel
Lueger-1904: Spiegel [3] · Spiegel- und Prismeninstrumente · Spiegel [1] · Spiegel [2]
Meyers-1905: Spiegel [2] · Spiegel [1] · Spiegel, Friedrich · Spiegel [3] · Rotierender Spiegel · Prismatischer Spiegel · Spiegel zum Desenberg · Spiegel Salomonis
Pataky-1898: Spiegel, Frl. Sophie
Pierer-1857: Spiegel [2] · Spiegel [1] · Spiegel [3] · Türkische Spiegel · Spiegel [4] · Metamorphotischer Spiegel · Maltesischer Spiegel · Optischer Spiegel · Sphärischer Spiegel · Sömmeringscher Spiegel
Buchempfehlung
Der junge Vagabund Florin kann dem Grafen Schwarzenberg während einer Jagd das Leben retten und begleitet ihn als Gast auf sein Schloß. Dort lernt er Juliane, die Tochter des Grafen, kennen, die aber ist mit Eduard von Usingen verlobt. Ob das gut geht?
134 Seiten, 7.80 Euro
Buchempfehlung
Biedermeier - das klingt in heutigen Ohren nach langweiligem Spießertum, nach geschmacklosen rosa Teetässchen in Wohnzimmern, die aussehen wie Puppenstuben und in denen es irgendwie nach »Omma« riecht. Zu Recht. Aber nicht nur. Biedermeier ist auch die Zeit einer zarten Literatur der Flucht ins Idyll, des Rückzuges ins private Glück und der Tugenden. Die Menschen im Europa nach Napoleon hatten die Nase voll von großen neuen Ideen, das aufstrebende Bürgertum forderte und entwickelte eine eigene Kunst und Kultur für sich, die unabhängig von feudaler Großmannssucht bestehen sollte. Dass das gelungen ist, zeigt Michael Holzingers Auswahl von neun Meistererzählungen aus der sogenannten Biedermeierzeit.
434 Seiten, 19.80 Euro