Montierung

[485] Montierung der eisernen Brücken nennt man jene Arbeiten zur Herstellung des eisernen Ueberbaues einer Brücke, die an der Baustelle selbst zur Ausführung kommen und die Zusammenfügung der von der Werkstätte (Brückenbauanstalt) gelieferten Bestandteile der Brückenkonstruktion betreffen.

Nur die Träger kleiner Brücken (Blechbrücken) können fertig von der Werkstätte versendet und am Orte der Brücke aufgeteilt werden; größere Träger zerlegt man in Teile, deren Größe von den Transportverhältnissen abhängt. Der definitiven Aufstellung einer Brücke muß aber immer eine provisorische Montierung der Brückenträger in der Werkstätte (auf der sogenannten Zulage) vorausgehen, um ein genaues Passen der einzelnen Teile in der fertigen Brücke zu erreichen.

Die Aufstellung einer eisernen Brücke kann auf verschiedene Art erfolgen und richtet sich nach dem Konstruktionssystem des Unterbaues, vor allem aber nach den örtlichen Verhältnissen an der Brückenbaustelle Die am häufigsten angewendete Methode besteht in dem Einbau eines provisorischen Gerüstes (Montierungsgerüstes) in die Brückenöffnung, auf dem alsdann die Eisenkonstruktion aufgestellt und zusammengefügt wird. Verschiedene Umstände, und zwar entweder technische Schwierigkeiten oder Rücksicht auf die Kosten, können zur Wahl andrer Aufstellungsarten veranlassen, bei welchen die Brückenöffnungen von Gerüsten größtenteils frei bleiben. Man kann hiernach, und zwar insbesondere zunächst bei Balkenbrücken, folgende Arten des Montierungsvorganges unterscheiden:

1. Montierung auf festen, in die Brückenöffnung eingebauten Gerüsten, die meist ganz aus Holz sind oder zur Freihaltung größerer Oeffnungen (Schiffsdurchlässe) eiserne Hilfsträger enthalten.

2. Montierung entfernt von der definitiven Lagerstelle und nachträgliches Einbringen der fertigen Tragkonstruktion, und zwar entweder a) durch Verschieben auf Gerüsten in der Brückenachse oder dazu senkrecht b) durch Einschieben kontinuierlicher Träger die in der Verlängerung der Brückenachse aufgestellt und dann mit freier Auskragung über die Pfeiler geschoben werden, c) durch Einfahren auf Prahmen, endlich d) durch Hebung der Brückenkonstruktion von der Talsohle aus.

3. Frei schwebende Montierung ohne festes Gerüste: die Brückenträger werden in diesem Falle mit freier Auskragung in die Brückenöffnung vorgestreckt, wozu es natürlich notwendig in, daß ihre Enden verankert sind oder durch das Gegengewicht seitlicher Spannweiten gehalten werden.

Die festen Montierungsgerüste [1]–[4] sind in der Regel hölzerne Jochbrücken mit einfachen oder verstärkten Balken oder mit Sprengwerken als Träger des Arbeitsbodens. Wenn es angeht, wird man die Knotenpunkte der aufzustellenden Eisenkonstruktion direkt auf die Holzjoche des Gerüstes stützen, um möglichst geringe Senkungen zu erzielen. Bei Strombrücken ist aber eine so nahe Stellung der Joche schon mit Rücksicht auf die Wasserabflußverhältnisse nicht zulässig. Häufig erfordert auch die Schiffahrt die Freihaltung größerer Oeffnungen im Montierungsgerüst. Es kommen dann zweckmäßig eiserne Hilfsträger zur Anwendung. Diese können sich auch bei hohen Gerüsten (Viadukten) als wirtschaftlich vorteilhaft erweisen; selbstverständlich müssen dann besondere Montierungsgerüste zur Aufstellung dieser Hilfsträger vermieden werden. Die Plattform des Gerüstes wird einige Dezimeter unter die Unterkante der Eisenkonstruktion gelegt und so breit gehalten, daß neben den Tragwänden noch etwa 1 m verbleibt. Auf derselben werden zunächst die Untergurte der Träger ausgelegt, wobei die Höhenlage mittels Klötzen Keilen und Schraubenwinden reguliert wird. Zur Montierung der höhergelegenen Trägerteile kann entweder ein festes Obergerüst, d.i. eine Einrüstung der ganzen Tragwände mit Arbeitsboden in der Höhe der oberen Gurtung und etwa auch noch in[485] Zwischenetagen [1], [4] benutzt werden, oder es erfolgt (Fig. 1 und 2) die sackweise Aufstellung mit Hilfe von verschiebbaren Bockgestellen und fliegenden Gerüsten [2]. Bei Anwendung von Bolzenverbindungen anstatt fetter Nietenanschlüsse werden die Aufstellungsarbeiten natürlich wesentlich vereinfacht und erleichtert, und hieraus erklärt sich die Raschheit, mit der im allgemeinen die amerikanischen Brücken aufgestellt werden können. Beispiele in [5].

Wird die Brücke mehr oder weniger entfernt von der Baustelle fertig aufgestellt und dann auf kleinen Wagen über die Pfeiler eingefahren, so ist zwar allerdings auch ein die Pfeiler verbindendes Gerüst notwendig; dies wird aber nur während des Einfahrens der Konstruktion, also nur kurze Zeit benutzt. Man ist hierdurch von Hochwässern, Einwirkung des Windes u.s.w. mehr unabhängig und die eigentlichen Montierungsarbeiten können an einem hierfür günstigeren Platze vor sich gehen. Der Transport von fertig montierten Brückenkonstruktionen auf längere Strecken ist jedoch durch deren Größe beschränkt (die längsten Brückenüberbauten, die auf diese Art auf weitere Strecken transportiert und eingefahren wurden, hatten rund 50 m Länge), indem die Brücke während des Transportes nur an zwei Stellen auf Wagen gelagert werden kann, sofern nicht das Transportgleis vollkommen gerade und ohne Gefällsbruch angelegt wird Häufiger als das Einfahren von Brücken in der Längsrichtung findet das seitliche Einschieben Anwendung, besonders bei Auswechslungen von alten Brückenkonstruktionen gegen neue, die ohne Störung des Verkehrs vor sich gehen sollen, Es wird diese Aufstellungsart zuweilen aber auch dann gewählt, wenn mehrere gleiche Träger nebeneinander aufzustellen sind, um mit dem Gerüst für einen Träger auszukommen und an den Kosten der Gerüstung zu sparen. Die Aufstellung der neuen Konstruktion erfolgt hierbei auf einem neben den Pfeilern erbauten Gerüst, und bei der Verschiebung ruht diese nahe ihren Stützpunkten auf Rollvorrichtungen, die über die Pfeiler geschoben werden. Diese Roll Vorrichtungen laufen hierbei auf Rädern (Fig. 3a und 3b), auf Walzen oder Kugeln (Fig. 4a, 4b und 4c). Beispiele in [6], [7].[486]

Die Einschiebung kontinuierlicher Träger in der Längsrichtung mit freier Austragung gewährt allerdings durch den Wegfall des Unterstützungsgerüstes unter Umständen beträchtliche Ersparnis an den Montierungskosten. Man darf aber nicht übersehen, daß bei dem freien Hinüberschieben in einzelnen Teilen der Brückenträger sehr hohe Inanspruchnahmen entstehen können. Man sucht denselben zwar durch Anbringung eines entsprechend weit ausladenden Schnabels an dem vorderen Trägerende entgegenzuwirken, aber immerhin sind in einzelnen Teilen oft Ueberanstrengungen vorhanden. – Besonders gefährlich kann ein während der Ueberschiebung auftretender heftiger Sturm werden, und es ist dabei schon vorgekommen, daß die Brückenkonstruktion von einer Katastrophe ereilt wurde (Viadukt de la Tardes und Brücke von Douarnenez). Bei der Verschiebung ruht die in der Verlängerung der Brückenachse montierte Brücke auf einer entsprechenden Anzahl von Rollen, und es ist hierbei von Wichtigkeit, daß diese Rollen möglichst gleich beladet sind, da sonst bei nicht ganz festem Untergrunde die Verschiebung nur mit großem Kraftaufwand vor sich gehen könnte. Man hat deshalb die Rollen, wie bei der Weichselbrücke bei Warschau u.a., auch auf hydraulische Pressen gesetzt, die den Druck ausgleichen. Beispiel einer Brückeneinschiebung in [8]. Mit der festen gewordenen Anwendung kontinuierlicher Träger für Brücken von mittleren und großen Spannweiten sind Brückeneinschiebungen ohne durchgehendes Gerüst in Deutschland und Oesterreich in neuerer Zeit nicht mehr zur Ausführung gekommen.

Das Einfahren fertiger Brückenträger auf Pontons kann unter Umständen als zweckmäßiges Mittel erscheinen, um die Herstellung von Montierungsgerüsten, die heftigen Strömungen oder einem Eisgang ausgesetzt sind oder in tiefes Wasser zu stehen kämen, zu ersparen. Die Brücke wird in diesem Falle an einer mehr geschützten Stelle in der Nähe des Ufers montiert und hierauf durch untergefahrene Pontons, deren Tauchung durch Ballastwegnahme vermindert wird, von den Rüstungen abgehoben. Nach dem Einfahren in die Brückenöffnung erfolgt das Niederlassen der Konstruktion auf die Pfeiler durch Belasten der Pontons. Bei Gewässern mit Ebbe und Flut kann der Flutwechsel zum Heben und Senken der Brücke benutzt werden. Beispiele: Weserbrücke bei Bremen, Niemenbrücke bei Kowno, neue Taybrücke, Oliveninselbrücke in Pola, Jacksonvillebrücke in Nordamerika u.a. Soll der Brückenüberbau auf eine größere Höhe bis zu seinen definitiven Auflagern gehoben werden, was beim Einfahren auf Schiffen, aber auch bei andern Aufstellungsarten, wenn man beispielsweise bei großer Höhenlage der Brücke am Montierungsgerüst sparen will, notwendig werden kann, so werden hierzu Schraubenwinden, Kräne und bei großen Trägern (Britanniabrücke, neue Taybrücke) hydraulische Pressen benutzt.

Bei der frei schwebenden Montierung werden die Brückenträger von den Widerlagern oder Pfeilern aus frei auskragend vorgebaut. Es ist hierzu natürlich notwendig, daß die Träger mit ihren Enden verankert sind oder durch das Gegengewicht seitlicher Spannweiten gehalten werden. Diese Methode der Aufstellung findet in neuerer Zeit für die Ueberbrückung tiefer Schluchten oder reißender Gewässer zweckmäßige Anwendung. Sie eignet sich vorzugsweise zum Aufstellen des Mittelfeldes kontinuierlicher Träger und kontinuierlicher Gelenkträger, bei welchen die Seitenfelder als Gegengewichte wirken. Das großartigste Beispiel hierfür ist die Firth-of-Forth-Brücke [9]; ferner sind zu erwähnen: in Amerika, wo diese Aufstellungsart bei den Cantileverbrücken sehr häufig geübt wird, die neue Niagarabrücke [10] u.a., in Oesterreich der Moldauviadukt bei Cervena [11] (Fig. 5). Bei der im Bau befindlichen Brücke über den St. Lorenzstrom zu Quebec einer Auslegerbrücke mit 549 m Mittelöffnung, also mit der größten derzeit bestehenden Spannt weite, hat allerdings dieser Montierungsvorgang infolge Ausknickens der unteren Druckgurte der Seitenöffnung kürzlich zu einer großen Katastrophe, nämlich zum totalen Einsturz der[487] bis nahe zur Mitte aufgestellten Konstruktion geführt [12]. Enthält das mit freier Auskragung zu montierende Mittelfeld (wie bei den obigen Beispielen) zwei Gelenke bezw. einen zwischen zwei Konsolenarmen frei schwebend gelagerten Einzelträger, so ist eine provisorische Verbindung an Stelle des Gelenks notwendig, wobei auf die bei der auskragenden Montierung auftretenden Spannungen Rücksicht zu nehmen ist. Besser verfährt man allerdings, wenn man dort, wo es angeht, den Zwischenraum zwischen den Kragträgerenden durch Hilfsträger überbrückt und hierauf den mittleren Träger montiert oder diesen durch ein festes Gerüst unterbaut, da sonst bei größeren Einzelträgern durch die frei auskragende Montierung eine stellenweise Verstärkung der Querschnitte bedingt wird. In einigen wenigen Fällen sind auch Balkenträger über bloß eine Oeffnungsweite auf diese Art aufgestellt worden (Dalelfbrücke in Schweden, Columbiabrücke bei Rock Island).

Bei der Aufstellung der Bogenbrücken und der steifen Hängebrücken wird vielfach in derselben Weise wie bei den Balkenbrücken verfahren und mit Vorliebe das Montieren auf festen Rüstungen gewählt [13]. Letztere sind natürlich der Bogenform entsprechend zu konstruieren. Man hat aber hier noch häufiger als bei den Balkenträgern durchgehende Rüstungen zu vermeiden gesucht und die Montierung mit freier Auskragung zur Anwendung gebracht. Die von den Kämpfern aus vorgebauten Bogen sind an die Pfeiler oder an einstweilige Pfeileraufsätze zu verankern und in verschiedenen Punkten an Rückhaltekabel anzuhängen. Für diese Art der Montierung, die schon bei der Mississippibrücke bei St. Louis, beim Garabitviadukt, bei der Dourobrücke zu Oporto, der Nocebrücke [14] angewendet wurde, bestehen hervorragende Beispiele aus neuerer Zeit in der Kaiser-Wilhelm-Brücke bei Müngsten [15] und der neuen Straßenbrücke über den Niagarafluß [16] (Fig. 6) Endlich ist noch das Montieren mit Hängerüstungen zu erwähnen, das derart bewirkt wird, daß zwei oder mehrere Hilfskabel über das zu überbrückende Tal gespannt und an diese die Arbeitsbrücken angehängt werden. Dieser Vorgang kommt insbesondere bei großen Kabelhängebrücken zur Anwendung.


Literatur: [1] Lechbrücke bei Kuilenburg, Zeitschr. des Oesterr. Ing.- u. Arch.-Ver. 1872. – [2] Brücke über die Aemmä-Elf in Finnland, ebend. 1890. – [3] Trisanaviadukt der Arlbergbahn, Zentralbl. d. Bauverw 1884. – [4] Neue Weichselbrücke bei Dirschau, Zeitschr. f. Bauwesen 1895. – [5] Varrugasviadukt, Engineering 1872; Portageviadukt, ebend. 1876. – [6] Donaubrücke der Oesterr Nordwestbahn, Zeitschr. des Oesterr. Ing.- u. Arch.-Ver. 1879. – [7] Ferdinandsbrücke in Graz, ebend. 1883 – [8] Iglawaviadukt, Allg. Bauztg. 1870; Donaubrücke bei Stadlau, ebend. 1870. – [9] Brücke über den Firth-of-Forth, Engineering 1887, Zeitschr. d. Ver. deutsch. Ing. 1888. – [10] Neue Niagarabrücke, Journ. of the Amer. Soc. of Civ. Eng. 1885, Zeitschr. d. Ver. deutsch. Ing. 1884. – [11] Moldauviadukt bei Cervena, Zeitschr. des Oesterr. Ing.- u. Arch.-Ver. 1890. – [12] Der Einsturz der Quebecbrücke, Engineering News 1907. – [13] Rheinbrücke zu Bonn, Zeitschr. d. Ver. deutsch. Ing. 1899. – [14] Noceschluchtbrücke, Zeitschr. des Oesterr. Ing.- u. Arch.-Ver. 1889. – [15] Kaiser-Wilhelm-Brücke bei Müngsten, Zeitschr. d. Ver. deutsch. Ing. 1897. – [16] Neue Straßenbrücke über den Niagarafluß, Zeitschr. des Oesterr. Ing.- u. Arch.-Ver. 1899. – Ferner eingehende Abhandlung über Montieren der eisernen Brücken in Handb. der Ing.-Wiss., II: Brückenbau, 6. Abt., 3. Aufl., 16. Kap.; daselbst auch ausführliche Literaturangaben.

Melan.

Fig. 1.
Fig. 1.
Fig. 2.
Fig. 2.
Fig. 3a.
Fig. 3a.
Fig. 3b.
Fig. 3b.
Fig. 4a.
Fig. 4a.
Fig. 4b.
Fig. 4b.
Fig. 4c.
Fig. 4c.
Fig. 5.
Fig. 5.
Fig. 6.
Fig. 6.
Quelle:
Lueger, Otto: Lexikon der gesamten Technik und ihrer Hilfswissenschaften, Bd. 6 Stuttgart, Leipzig 1908., S. 485-488.
Lizenz:
Faksimiles:
485 | 486 | 487 | 488
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