Ätna

[56] Ätna (vielleicht v. griech. aithō, entflammen, brennen, also »Feuerberg«; ital. Etna, bei den Sizilianern Mongibello, vom ital. monte und arab. dschebel, das ebenfalls »Berg« bedeutet), 3279 m hoher Vulkan auf der Insel Sizilien (s. die Karte), der höchste Europas, besteht aus einem einzigen ungeheuern, aber flachen Kegel, dessen Umfang an der fast kreisförmigen Basis 145 km beträgt. Der Berg erhebt sich in isolierter Lage nordwestlich von Catania und wird westlich und südlich vom Tale des Simeto, nördlich von dem des Alcantara scharf begrenzt; nur im NW. stellt die Wasserscheide zwischen beiden Flüssen als flacher Rücken von 850 m Höhe die Verbindung mit den übrigen Gebirgen der Insel her. Die Seiten des außerordentlich flachen Kegels haben eine sehr sanfte Böschung von 2–5°, die nach oben wächst, aber 6–8° nicht übersteigt. Der elliptische Zentralkegel erhebt sich aus einer Fläche, dem Piano del Lago, noch 300 m hoch mit einer Böschung von 20–30°. Durch einen Einsturz des östlichen Kegelmantels ist die Valle del Bone entstanden, ein gewaltiges Kesseltal, das seinen Ursprung am Gipfelplateau selbst nimmt. Ausbrüche aus dem Zenkralkegel und seinem Kraker sind selten, meist lassen nur verstärkter Rauch und Aschenregen die erhöhte Tätigkeit im Innern erkennen. Die Ausbrüche sind meist seitliche, die Lavamassen durchbrechen den aus losem Material aufgebauten Mantel des Berges, noch ehe sie bis zum Gipfel emporgestiegen sind; es bilden sich radiale Spalten und am untern Ende des Risses ein oder mehrere Lateral- oder Schmarotzerkegel, die den Berg rings umgeben, am dichtesten an der Südseite und in dem Gürtel von 1000–2000 m Höhe. Die Zahl dieser Kegel, denen[56] die Lava entströmt, beträgt über 200. In der Valle del Bove ist die Struktur des Berges am besten zu erkennen; mehrere hundert regelmäßige Schichten von dunkler Lava wechseln mit Lagern von Tuff und Konglomerat ab. Trotz seiner Höhe und seines Schneereichtums ist der Ä. infolge seiner eigentümlichen geologischen Bauart in seinen obern und mittlern Abhängen überaus quellenarm. Der Berg gleicht einem riesigen Filter, der das Wasser bis zu den tiefern Tuffen und tonigen Massen hindurchläßt, wo dann starke Quellen hervorbrechen, die höchsten in 400 m Höhe. In Bezug auf die Vegetation lassen sich am Ä. drei Gürtel unterscheiden: die bebaute Region, die bis 1400 m reicht, die besten Sorten Agrumen, Getreide, Öl und Wein liefert und besonders an der Süd- und Ostseite fortwährend im Emporsteigen begriffen ist; die bewaldete Region, die einen Gürtel von 12 km Breite bildet, mit streckenweise noch ziemlich dichter Waldung (Kastanien, dann Eichen, zuletzt Pinien), bis 2200 m; endlich die kahle Region, eine Wüste von Lavaströmen und Aschenfeldern, die im Winter mit Schnee bedeckt ist. Eine eigentliche Alpenflora findet sich am Ä. nicht. Der oberste Kegel ragt ganz kahl in die Höhe.

Karte des Ätna und seiner Umgebung.
Karte des Ätna und seiner Umgebung.

Gewöhnlich besteigt man den Ä. von Catania aus über Nicolosi. Man übernachtet in der Casa Etnea oder Inglese, 2942 m ü. M., einem von Mario Gemellaro, dem hochverdienten Ätnaforscher, mit Unterstützung englischer Offiziere 1811 errichteten, 1887 erweiterten Gebäude, in dem sich ein Observatorium für astronomische und meteorologische Beobachtungen befindet. Ostwärts davon liegt die Torre del Filosofo, der Rest eines Schutzhauses aus der Zeit Hadrians, nach Empedokles benannt, der hier eine Beobachtungsstation gehabt und sich in den Krater gestürzt haben soll. Die Besteigung des Kraterkegels ist wegen der jedem Schritt weichenden Asche sehr ermüdend. Am Rande des Kraters, dessen größter Durchmesser (1900) 527 m beträgt, steht man unmittelbar über dem Schlunde des Vulkans; die Tiefe des Kraters, die gleich der Höhe des Kraterrandes wechselt, betrug 1900252 m. Die Aussicht vom Gipfel ist unvergleichlich.

Der Ä. gehört zu den jüngsten geologischen Bildungen der Insel Sizilien; er begann seinen Kegel zuerst unterseeisch in einer weiten Bucht aufzubauen, die tief in die Ostseite Siziliens eindrang. Sein absolutes Alter ist zu nur 50,000 Jahren geschätzt worden, und da im Mittel der letzten drei Jahrhunderte auf ungefähr je 10 Jahre ein Ausbruch kommt, so würden also ca. 5000 Ausbrüche diesen gewaltigen Kegel, dessen Volumen man zu 2,08 geogr. Kubikmeilen berechnet hat, und der den Vesuv um das 20fache übertrifft, aufgebaut haben. Von den Ausbrüchen des A. vor Beginn unsrer Zeitrechnung sind die von 396 und 122 v. Chr. historisch beglaubigt. Einer der gewaltigsten Ausbrüche war der vom 4. Febr. 1169, an welchem Tage zugleich ein Erdbeben Sizilien und Kalabrien erschütterte; weitere namhafte Ausbrüche fanden 1329, 1536, 1537 statt; das 17. Jahrh. war an furchtbaren Ausbrüchen reicher als irgend ein andres, von 1603–20 war der Berg fast in beständiger Tätigkeit, und 1669 erfolgte die bedeutendste und zerstörendste aller bisher bekannten Eruptionen. Nach vorausgegangenen Erderschütterungen bildete sich 11. März oberhalb Nicolosi ein riesiger Spalt, an dessen unterm Ende durch Aufschüttung von Schlacke und Asche die beiden Monti Rossi entstanden. Die herausströmenden Lavamassen wälzten sich in einer Breite von 4300 m gegen S.; ein Arm richtete sich gegen Catania, drückte die Stadtmauer ein und floß durch den westlichen Stadtteil ins Meer. Ein Teil des Hafens wurde ausgefüllt, die Küste weit vorgeschoben. Erst im Juli endete der Ausbruch. Ein Lavastrom von 15 m Mächtigkeit und von einem Volumen von 980 Mill. cbm bedeckte 50 qkm Landes; zwölf Städte und Dörfer waren ganz oder teilweise durch die Lava, sechs andre durch die Erdbeben zerstört. Im 18. Jahrh. sind namhafte Ausbrüche die von 1763, 1787 und 1792, im 19. die von 1809, 1819, 1852, 1865, 1874, 1879 und 1886. Gut bezeugt und in Einzelheiten geschildert sind uns 98 von sehr verschiedener Dauer, wovon 16 im vorigen Jahrhundert. Vgl. Ferrara, Descrizione dell' Etna (Palermo 1818); Smyth, Descriptive memoir ol the resources, inhabitants and hydrography of Sicily (Lond. 1824); Rodwell, The Etna, a history of the mountain and its eruptions (das. 1878); Silvestri, Un viaggio all' Etna (Rom 1879), und namentlich W. Sartorius von Waltershausen, Atlas des Ä. (Götting. u. Weim. 1848–6 1), und nach den Manuskripten des letztern: »Der Ä.«, herausgegeben und vollendet von A. v. Lasaulx (Leipz. 1880, 2 Bde.); Chaix, Carta volcanologica et topografica dell' Etna (Basel 1892); Strobl, Flora des Ä. (in der »Österreich. botanischen Zeitschrift«, 1886–87).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 2. Leipzig 1905, S. 56-57.
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