Azoren

[212] Azoren (portug. Açores, »Habichtsinseln«, oder Ilhas Terceiras, engl. Azores oder Western Islands), portug. Provinz, bestehend aus neun Inseln und einigen Klippen im Atlantischen Ozean (s. nebenstehendes Textkärtchen), 1380 km westlich vom portugiesischen Kap Roca, zwischen 36°59´-39°44´ nördl. Br. und 27°35´-33°27´ westl. L. Sie bilden einen 630 km langen Zug in der Richtung von SO. nach NW., in drei Gruppen, deren mittlere Fayal, Pico, San Jorge, Graciosa und Terceira umfaßt, während San Miguel und Santa Maria mit den Felseneilanden Formigas die südöstliche und Flores mit Corvo die nordwestliche Gruppe bilden. Ihr Flächenraum beträgt 2388 qkm.

Die aus 4000 m Tiefe steil aus dem Meer aufsteigenden Inseln sind vulkanischen Ursprungs und bestehen aus basaltischen und trachytischen Laven, Tuffen, Bimssteinen und Schlacken; nur auf Santa Maria treten auch Versteinerungen führende jungtertiäre (obermiocäne) Kalksteine auf. Bezeichnend für die A. sind zahlreiche längliche oder kreisrunde Kraterkessel (Calderas), die öfter Seen einschließen. Die Oberfläche der Inseln ist bergig, durch tiefe Schluchten zerrissen und erhebt sich im Pico Alto auf Pico zu 2320, im Pico da Vara auf San Miguel zu 1089, in der Caldeira de Santa Barbara auf Terceira zu 1067, in der Caldeira auf Fayal zu 1021 m. Aus tiefen Spalten steigen zahlreiche Thermen und Solfataren auf. Vulkanische Ausbrüche und Erdbeben sind häufig beobachtet worden. Das Klima ist gleichmäßig und gesund; mittlere Temperatur auf Terceira: Januar 18°, April 20, Juli 25, Oktober 24, Jahr 21,6°; die größten in Ponta Delgada (San Miguel) beobachteten Extreme waren 12,3° und 22,7°. Jährliche Regenmenge: Angra 1077 mm, Delgada 857 mm (Maximum November, Dezember). Auf den Bergen fällt bisweilen Schnee. Die Feuchtigkeit der Luft ist sehr groß; heftige Stürme treten zu allen Zeiten, namentlich im Winter auf. Eine üppige immergrüne Vegetation bedeckt die Abhänge des vulkanischen Berglandes. Unmittelbar an das kultivierte Land schließt sich die Waldregion mit charakteristischen Lorbeergewächsen. Laurus canariensis, Persea indica, Oreodaphne foetens wachsen wild auf allen A. Daneben sind Picronia excelsa und der Fayal (Myrica Faya) typische Wald bäume. Nicht immer erreichen die Bäume infolge des Seewindes ihre gewöhnliche Größe und gehen häufig unmerklich in die immergrüne Strauchform der Macchien über, die selbst die höchsten Bergspitzen bekleiden. Darunter ist endemisch als einzige Konifere Juniperus brevifolia. Die eingewanderte Vegetation stammt aus Europa, nur ein einziger Strauch, Myrsine africana, aus Afrika. Das letzte[212] Gestrüpp an den höchsten Abhängen der Krater bildet die europäische Calluna. Der Drachenbaum (Dracaena Draco) ist nach den A. erst durch die Kultur verpflanzt. Die Fauna der A. hat enge Beziehungen zu Europa; von Säugern ist nur eine Fledermaus einheimisch; die Zahl der Vogelarten beträgt annähernd 60, die mit einer Ausnahme durchweg der paläarktischen Fauna angehören. Auch die Insekten zeigen die nächsten Beziehungen zu Europa. Nur unter den Landmollusken finden sich 60 Proz. endemischer Arten. Die Süßwasserfauna der Landseen schließt sich eng an die europäische an. Durch Schiffe eingeführte Kaninchen, Ratten und Mäuse sind auf den Inseln verwildert.

Karte der Azoren.
Karte der Azoren.

Die Bevölkerung der Inselgruppe (1900: 256,474 gegen 255,534 im J. 1890 und 269,401 im J. 1881) ist zumeist portugiesischer Abkunft; die hierher in frühern Zeiten gebrachten Mauren, Neger, Juden, Flamländer sind vollständig in jenen ausgegangen. In den Hafenstädten haben sich viele englische Kaufleute, Amerikaner und Brasilier niedergelassen. Eine rege Auswanderung findet nach Brasilien, den Vereinigten Staaten, Hawaï und den afrikanischen Besitzungen Portugals statt. Die Religion ist fast ausschließlich die katholische, ein Bischof residiert in Angra. Hauptbeschäftigung ist Ackerbau, der auf dem fruchtbaren Boden mit großem Fleiß, aber mit den primitivsten Werkzeugen betrieben wird. Leider ist das Land in den Händen weniger Besitzer. Hauptprodukte sind Mais, Weizen, Bohnen, süße Bataten, Orseille, Orangen, Ananas, Phormium tenax, Bananen, Zuckerrohr, Kaffee, Tee. Die Viehzucht ist beträchtlich; das Vieh ist von insular kleinem Wuchse. Der Walfischfang durch Amerikaner ergibt noch immer 150 Stück jährlich. Die Industrie ist von keinem Belang, dagegen der Handel ansehnlich. Eingeführt werden außer Rum, Zucker, Kaffee und Tee namentlich aus England allerlei Manufakturwaren; ausgeführt dagegen Branntwein, Ananas, Orangen, Rinder, Fische, Butter. Die besuchtesten Häfen sind Ponta Delgada, Angra auf Terceira und Horta. – Die Inseln zerfallen in drei Verwaltungsbezirke, ein jeder unter einem Gouverneur mit einem Rat und direkt von Lissabon refsortierend. Militärkommandanten sind auf San Miguel und Terceira stationiert. Die A. senden acht Deputierte nach Lissabon in die Cortes, Ponta Delgada vier, Angra und Horta je zwei. Auf die drei Verwaltungsbezirke verteilt sich die Bevölkerung (1. Dez. 1900) wie folgt:

Tabelle

Geschichte. Die A. wurden 1431 (die Formigas) und 1432 (Santa Maria) von dem Portugiesen Gonzalo Velho Cabral entdeckt; da man aber punische Münzen dort gefunden hat, waren die A. schon den Karthagern bekannt sowie später den Normannen und Arabern. 1441 wurde San Miguel, 1449 Terceira, San Jorge, Fayal und Corvo, 1453 Graciosa entdeckt. Die ersten Kolonien gründeten die Portugiesen auf Santa Maria und San Miguel. Nachdem Alfons V. Fayal an seine Tante Isabella, Mutter Karls des Kühnen, auf deren Lebenszeit abgetreten hatte, fanden sich Ansiedler aus Flandern ein; man nannte die A. deshalb auch Flämische oder Flandrische Inseln (Ilhas Flamengas). A. wurden sie von den vielen Habichten (portug. açor) genannt, welche die ersten Entdecker hier antrafen. Später wanderten aus Spanien vertriebene Morisken ein und führten eine hohe Blüte der Kultur herbei. Der Einverleibung Portugals durch Philipp II. von Spanien (1580) unterlagen auch die A. außer Terceira; aber im Juli 1582 siegte die spanische Flotte über die französische und den portugiesischen Kronprätendenten Antonio von Crato, und 1583 ward Terceira unterworfen.

Nach der Befreiung Portugals (1640) vertrieb die[213] portugiesische Regierung die hier angesiedelten Spanier und beschränkte den Verkehr der A. auf die Gestade des Tejo. Vergebens suchte Pombal die A. wieder zu heben; erst mit der Auswanderung des Hauses Braganza nach Brasilien (1808) trat größere Handelsfreiheit ein. Als 1828 Dom Miguel Portugals Krone an sich gerissen hatte, landete der pedristisch gesinnte Graf Villaflor mit 20 Offizieren auf Terceira, schlug Miguels Flotte zurück und gewann bald sämtliche A. 1832 erschien Pedro selbst mit einer Flotte vor Terceira; freudig verstärkten die Insulaner sein Heer, das am 8. Juli, 12,000 Mann stark, in Porto landete, 24. Juli 1833 Lissabon besetzte und bald darauf Dom Miguel aus Portugal vertrieb. Vgl. Hebbe, Nachrichten von den Azorischen Inseln (Weim. 1805); Hartung, Die A. in ihrer äußern Erscheinung und geognostisch geschildert (Leipz. 1860); Kerhallet, Description nautique des Açores (Par. 1865); Godman, Natural history of the Azores (Lond. 1870); de Bazan, La conquista de las Azores (Madr. 1885).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 2. Leipzig 1905, S. 212-214.
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