Bagirmi

[266] Bagirmi (Baghirmi), mohammedan. Negerreich in Zentralafrika (s. Karte bei »Guinea«), in der französischen[266] Einflußsphäre, wird begrenzt von Bornu, Wadai und dem Tsadsee, zwischen 12°30´-8°30´ nördl. Br. und 14°30´-18°30´ östl. L., und ist 183,400 qkm groß (ohne die Heidenländer nur etwa 50,000 qkm). Das Land ist durchaus eben und dacht sich von SO. nach NW. zum Tsadsee ab, nur im O. an der Landesgrenze haben die Gebiete der Kuka und Sokoro einen felsigen Charakter. Die mittlere Erhebung des Landes beträgt nur 300 m. Die Westgrenze bildet der Schari, der sich hier vielfach verzweigt (Ba Batschikam, Ba Ili) und mehrere ansehnliche Flüsse (Logone, Aukadebbe) aufnimmt. Der fette, bei reichlicher Bewässerung sehr fruchtbare, mit Kalk gemischte Sandboden gibt reiche Ernten von Durra, Mais, Sorghum u. a. Eisen liefern die südlichsten Distrikte, Natron der Tsadsee, Bahr el Ghazal und der Fitrisee, Salz Bornu und Wadai (s. Karte »Äquatorialafrika«). Die Bewohner (s. Tafel »Afrikanische Völker I«, Fig. 15), vor den Kriegen mit Wadai und Bornu 1–11/2 Mill., bestehen zu drei Vierteln aus einem schwer zu bestimmenden Mischvolk, zu einem Viertel aus Arabern, Bornuleuten, Kuka, Bulala und Fulbe. Sie zeichnen sich (besonders die Frauen) durch schönen Wuchs und gefälligere Züge vor ihren westlichen Nachbarn aus, ihre guten Anlagen sind aber durch fortwährende Kriegführung sehr beeinträchtigt worden. Als Weber, Färber und Sattler zeigen sie viel Geschick. Eine Hauptbeschäftigung sind Sklavenjagden. Die Sprache (s. »Afrikanische Sprachen«) ist nach Fr. Müller ganz isoliert, nach Lepsius entfernt verwandt mit den Bantusprachen Südafrikas. Durch die Kämpfe mit Wadai und mit dem Usurpator Rabah wurde B. schwer erschüttert; 1897 schloß der Sultan durch Gentil einen Schutzvertrag mit Frankreich. Seit 5. Sept. 1900 gehört B. administrativ zum Militärterritorium der Länder- und Schutzgebiete des Tsadsees. Hauptstadt ist Massenja (s. d.). – Im 15. und 16. Jahrh. war die Landschaft am Ba Batschikam im Besitz von kleinen heidnischen Stämmen, eingewanderten Fulbe und Arabern, die den Bulala tributpflichtig waren. Um 1530 kamen von O. her, wahrscheinlich aus Kenga, Fremde, die das Land von den Bulala frei machten und die Hauptstadt Massenja gründeten. Als erster König des ganzen Landes wird Birni Besse (1522–36) genannt. Unter Abdallah (1568–1608) wurde der Islam eingeführt und das Reich besonders durch Burkomanda (1635–65) und Mohammed el-Amin Hadschi (1751 bis 1785) erweitert; aber im 18. Jahrh. übte Bornu eine Oberhoheit über B. aus, und 1806 ward Abd er Rahmân Gauranga I. durch Sabun von Wadai getötet, B. dem Nachbarreiche tributpflichtig. Der friedfertige Abd el-Qadir (1840–58) fiel im Kampfe gegen den fanatischen Mekkapilger Ibrahim Scherif ed-Din, nachdem 1852 Barth mehrere Monate in seiner Hauptstadt geweilt hatte. Als sein Sohn Mohammedu, genannt Abu Sekkin, die Lehnsherrschaft von Wadai abzuschütteln versuchte, eroberte dessen König Ali 1870 Massenja und setzte 1871 des geflohenen Königs Großoheim Abd er Rahmân ein. Diesem folgte um 1885 der in Wadai erzogene Bruder Mohammedus, Gaurang (a II.). 1893 wurde B. durch Rabeh (s. d.) erobert; nur in Massenja hielt sich Gaurang, der sich 1897 unter den Schutz der Franzosen stellte, im Herbst 1899 aber von neuem durch Rabah vertrieben ward. Die Hilfe der Franzosen und Rabahs Tod ließen Anfang 1900 den König wieder aufatmen. Vgl. Barth. Reisen in Nord- und Zentralafrika, Bd. 5 (Gotha 1858); Nachtigal, Reisen in die südlichen Heidenländer (in der »Zeitschrift der Gesellschaft für Erdkunde«, Berl. 1873); Derselbe, Sahara und Sudân, Bd. 2 (das. 1881); Rohlfs, Quer durch Afrika (Leipz. 1874–75, 2 Bde.); Schurtz im 3. Bande von Helmolts »Weltgeschichte« (das. 1901).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 2. Leipzig 1905, S. 266-267.
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