Baptisten

[357] Baptisten (griech., »Täufer, Tausende«), gemeinsamer Name für diejenigen christlichen Sekten, welche die Taufe unmündiger Kinder verwerfen und nur die ihren Glauben selbst Bekennenden durch Untertauchen taufen. Ihr Vaterland ist England, wo zuerst 1633 B. nach ihrer Abtrennung von den Independenten (s. d.) als besondere Kirchengemeinschaft erwähnt werden. 1689 erlangten die B. durch die Toleranzakte Wilhelms III. gleiche Duldung wie die übrigen Dissenters. 1691 spalteten sie sich in General Baptists, d. h. solche B., die hinsichtlich der Lehre von der Gnadenwahl der Lehrweise der Arminianer (s. d.) folgten, und Particular Baptists, die an den streng calvinistischen Beschlüssen der Dordrechter Synode festhielten. Obwohl der Lehrunterschied noch besteht, ist die Spaltung seit 1891 aufgehoben. Die Mitgliederzahl betrug Ende 1901: 372,998. Im J. 1639 verpflanzte Roger Williams, der Begründer des Staates Rhode-Island, den Baptismus nach Nordamerika. Hier bestehen neben den Regular Baptists (entsprechend den Particular Baptists), deren Zahl sich Ende 1901 auf 4,269,073 belief, eine Anzahl kleinerer Parteien, nämlich 1) die Anti-Mission Baptists (missionsfeindliche B.), nach deren Lehre Gott seine Erwählten auch ohne die Predigt des Wortes zur Bekehrung bringen kann; 2) die Free Will Baptists und General Baptists (entsprechend den General Baptists, 111,310 Mitglieder); 3) die Seventh Day Baptists (B. des siebenten Tages, 10,104 Mitglieder) betrachten den Sonnabend (daher Sabbatarian Baptists) als Tag der Ruhe und des Gottesdienstes; 4) die Six principle Baptists (B. der sechs Grundsätze) haben ihren Namen von den Hebr. 6,1 u. 2 angeführten sechs Anfangs- oder Grundlehren des Christentums; 5) die Church of God (Gemeine Gottes, 38,000 Mitglieder), die in Verfassung und Predigtweise den Methodisten nahesteht; 6) die German Baptists (bekannter unter dem Namen der Tunkers, 115,194 Mitglieder), die nur das Untertauchen der Täuflinge in einen Fluß oder Teich für schriftgemäß halten; 7) die Christians (oder Christian Connection, 109,278 Mitglieder), auch Unitarian Baptists genannt, weil sie die Lehren[357] von der Dreieinigkeit u. a. verwerfen; 8) die Disciples of Christ (Jünger Christi, nach ihrem Stifter auch Campbelliten genannt, 1,179,541 Mitglieder), erkennen als Glaubensvorschrift nur an, wofür sich ein ausdrückliches »So spricht der Herr« anführen läßt; sie sind eigentlich nur wegen ihrer Taufweise zu den B. zu rechnen, in ihrer Tauf- und Heilslehre weichen sie von ihnen ab. Die Gemeindeverfassung aller B. ruht auf dem Grundsatz freiwilliger Vereinigung; alle haben mehr oder minder strenge Kirchenzucht mit Ausschließung aus der Gemeinde. Bedeutend ist die Tätigkeit der meisten Gruppen in allen Richtungen der äußern und der innern Mission. Die Gesamtzahl der angeführten amerikanischen B. (in Nord-, Mittel- und Südamerika) betrug Ende 1901: 6,159,425.

Auch in den andern Erdteilen (Asien, Afrika, Australien) und auf dem europäischen Kontinent haben die B. Eingang gefunden. Die erste Gemeinde in Deutschland wurde 1834 von dem Bibelagenten Oncken in Hamburg (gest. 1884) gegründet. Anfangs hart verfolgt, erlangten die B. seit Gründung des Deutschen Reiches fast überall Freiheit der Religionsübung, an manchen Orten, namentlich in Preußen, auch Korporationsrechte (Hamburg schon 1858, Barmen 1877, Berlin 1879 etc.). Ende 1901 betrug ihre Zahl 30,669 in 168 Gemeinden. In Horn bei Hamburg haben sie eine theologische Lehranstalt, in Kassel ein Verlagshaus. In den übrigen europäischen Ländern gibt es etwa 86,000 B. Vgl. Crosby, History of the English Baptists from the Reformation to the beginning of the reign of George I (1738–40, 4 Bde.); Clifford, The English Baptists who they are and what they have done (Lond. 1881); Newman, A history of the Baptists in the United States (New York 1895); »The Baptist history series« (American Baptist Publication Society, Philadelphia); Lehmann, Geschichte der deutschen B. (Hamb. 1896–1900, 2 Tle.); zur Statistik: »The Baptist handbook« (für England); »The American Baptist yearbook«; Statistik des Bundes der Baptistengemeinden in Deutschland (Kassel, erscheint jährlich).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 2. Leipzig 1905, S. 357-358.
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