Chopin

[91] Chopin (spr. schŏpäng), Friedrich Franz, Klavierspieler und Komponist, geb. 1. März 1809 (22. Febr. 1810) in Zelazowa Wola bei Warschau als Sohn eines aus Nancy eingewanderten Franzosen und einer Polin (Cryzanowska), gest. 17. Okt. 1849 in Paris, erhielt den ersten musikalischen Unterricht von dem Böhmen Zywny, während ihm Fürst Anton Radziwill, der sein Talent erkannt hatte, die Mittel zur Erwerbung höherer Schulbildung gewährte. Später vollendete er seine Ausbildung im Klavierspiel und in der Komposition unter Elsner, dem Direktor des Warschauer Konservatoriums. 1829 trat er in Wien zuerst öffentlich auf und erregte durch seinen ausdrucksvollen Vortrag alsbald die Aufmerksamkeit der Kenner. Kurz vor Ausbruch der Revolution 1830 begab er sich abermals nach Wien und 1831 von da nach Paris, das fortan sein dauernder Wohnsitz blieb. Eine Stellung hat C. nie bekleidet, auch als Virtuos trat er nur selten auf, erwarb sich seinen Unterhalt durch Klavierunterricht und erfreute sich des freundschaftlichen Verkehrs mit Liszt, Heine, Balzac u. a. Von 1836 bis kurz vor seinem Ende war er mit Liebesbanden an die Schriftstellerin George Sand gefesselt. Leider ließ ihn dieselbe im Stich, als ein Brustleiden, dessen Anfänge bis 1837 zurückreichen, einen drohenden Charakter annahm (1847). Ein Denkmal wurde C. 1894 in seiner Geburtsstadt errichtet. In Chopins künstlerischer Persönlichkeit vereinigen sich der ritterliche Sinn und der geschichtliche Schmerz des Polen, die leichte Anmut und Grazie. des Franzosen, der romantische Tiefsinn des Deutschen, zu einem Ganzen von solcher Originalität, daß seine Musik, obwohl lediglich für das Klavier erdacht, doch auch über das Gebiet dieses Instruments hinaus befruchtend wirken konnte. Seine charakteristischen Eigenschaften finden sich in allen seinen Kompositionen, gelangen jedoch besonders entschieden da zum Ausdruck, wo der Künstler die Fesseln der Sonatenform abwirft und seiner Phantasie volle Freiheit läßt, wie z. B. in seinen Etüden, [91] Notturnos, Präludien, Impromptus, Tänzen (Walzer, Polonäsen, Mazurkas) und namentlich in seiner herrlichen »Fantaisie« (Op. 49). Doch muß ausdrücklich hervorgehoben werden, daß diese Arbeiten bei aller Freiheit der Tongestaltung doch die höchste formale Vollendung zeigen, und daß C., wenn er, wie in seinen berühmten Konzerten in E moll und F moll sowie in seinem Trio Op. 8, die klassischen Formen reproduziert, auch diese mit völliger Meisterschaft beherrscht. Ein thematisches Verzeichnis seiner in mehreren Gesamtausgaben erschienenen Kompositionen, von denen außer den oben genannten hier noch die Don Juan-Variationen über »La ci darem la mano« als sein erstes Aufsehen erregendes Werk sowie eine Sammlung von 17 polnischen Liedern für eine Singstimme mit Klavierbegleitung hervorzuheben sind, erschien Leipzig 1852 bei Breitkopf u. Härtel (neu bearbeitet 1888). Vgl. Karasowski, Friedrich C., sein Leben, seine Werke und Briefe (3. Aufl., Berl. 1881; polnisch, mit neuen Briefen, 1882); Liszt, Frédéric C. (4. Aufl., Leipz. 1890; deutsch von La Mara, 2. Aufl., das. 1896), eine geistvolle Charakteristik seiner Werke; Barbedette, F. C., essai de critique musicale (2. Aufl., Par. 1869); Niecks, Frederick C. as a man and musician (Lond. 1889, 2 Bde.; deutsch von Langhans, Leipz. 1890); Wille by, Frederick C., a biography (Lond. 1892); E. Gariel, C. La tradicion de sa musica (Mexiko 1895); Kleczynski, Chopins größere Werke (deutsch, Leipz. 1898); Huneker, C., the man and his music (Lond. 1900).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 4. Leipzig 1906, S. 91-92.
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