[87] Dolch (Gnippe, Diglitz, Dielitz, Telitz), kurze Stoßwaffe mit Griff, meist zwei-, auch ein- und dreischneidig, kam schon in der Stein-, dann in der Metallzeit vor. Bei den heutigen Naturvölkern tritt der D. vielfach und in mancherlei Formen auf. In Afrika ist er ausnahmslos aus Eisen gefertigt und meist zweischneidig; nur die Dolchmesser der Neger von Bihé (Fig. 1) sind einschneidig. In Oberguinea, dem Sudan und in Nordostafrika wird er nicht selten mittels eines Lederringes am Ober- oder Unterarm getragen. Auch die Kaffern befestigen ihn mittels eines Riemens am Arme. Seiner Entstehung nach geht der D. auf zwei Anfänge zurück: den blattförmigen Steinsplitter und den Pfriem oder Dorn aus Holz, Knochen und Horn. Während viele unsrer europäischen und sämtliche afrikanischen Dolche ihrer weit fortgebildeten Stahl- oder Eisenklinge wegen ihren Ursprung nur noch in den seltensten Fällen nachweisen lassen, finden wir in andern Erdteilen auch heute noch ganz urwüchsige, an unsre Pfahlbaukultur gemahnende Formen. Sie stellen zum allergrößten Teil den Beginn der zweiten Entwickelungsreihe dar. Bei den Feuerländern werden Dolche einfach durch Zuschärfen von Gehörnen gebildet, und selbst bei den Indern haben sich bis in die Neuzeit hinein Dolche aus Antilopenhorn erhalten, die Madu (Fig. 2) oder Maru, auch Singhauta genannt wurden (von Singh = Gazelle). Ost hat man die beiden Hörner zu einem sehr seltsamen Doppeldolche (Fig. 3) verbunden. In Brasilien stellt man große Dolche aus dem Holze der Stachelpalme her, ebenso wie bei den Maori auf Neuseeland. Hier heißen sie Pahu, sind etwa 0,5 m lang und werden in einem Fellüberzug getragen. Aus Kasuarknochen, die mit Kerbschnitzereien verziert werden, bestehen die Dolche in mehreren Bezirken Neuguineas.
Auch das Stilett geht auf eine Urform aus Holz oder Horn zurück. Der D. der Malaien (Kris, s. Tafel »Malaiische Kultur II«, Fig. 15, 18, 19) hat gewöhnlich eine flammenförmige Klinge, deren Spitze nicht selten vergiftet wird. Sehr merkwürdig durch die Art des Griffes ist der indische Khuttar (s. Tafel »Ostindische Kultur II«, Fig. 10), eine anscheinend sehr alte Waffe. Die dreieckige Dolchklinge geht hier in zwei durch Querstangen verbundene Schienen aus, die den gabelförmigen Griff bilden. Noch seltsamer an Gestalt und von kaum begreifbarem Nutzen sind die altindischen Doppeldolche (Fig. 4).
Auch die alten Völker, wie Ägypter etc., kannten den D.; hier entwickelte er sich häufig zur Prunkwaffe, und in Rom galt er vielfach als Hoheitszeichen, z. B. beim Kaiser, dem Praefectus praetorio, den Kriegsobersten etc. als Zeichen der Macht über Leben und Tod. Die Tribuni militum trugen das Parazonium (Fig. 5) am Gürtel, meist nur als Auszeichnung. Nach Deutschland brachten erst im 16. Jahrh. die Slawen den D. (tulich, H. Sachs schreibt Dollich), den hier auch die[87] Femrichter geführt haben sollen. Zur Ritterzeit gehörte der D., der im Gürtel steckte oder an der rechten Brustseite in einer Kette herabhing, zur Bewaffnung, während das Volk im Norden sich des einschneidigen Messers (Sax) noch lange bediente. Der D. der Merowinger (s. Sax) bildet den Übergang zum einschneidigen Kurzschwert (Skarasax). In Frankreich diente der D. (Miséricorde, deutsch Gnadegott) dazu, den im Zweikampf überwundenen Gegner, wenn er nicht um Gnade bat, zu töten. Eine eigne Art ist der Linkehanddolch (Fig. 6), dessen Klinge sich durch Federdruck in drei Klingen aus einer zerlegte und zum Auffangen der Klinge des Gegners diente. In Süd- und Mittelitalien ist der D. als Stilett, dreischneidig, mit nicht über 5 cm langer Klinge, beim Volk, den Briganten etc. sehr verbreitet. In neuerer Zeit verschwand der D. mehr und mehr; von regulären Truppen trug als letzte die venezianische Artillerie den D. In einigen Marinen wird er noch jetzt als Seitengewehr getragen, und seit 1901 führen ihn die Seeoffiziere der deutschen Marine als Interimswaffe mit schwarzem Bandkoppel; ebenso tragen ihn die Kadetten und Fähnriche zur See, auch tragen ihn Feuerwehroffiziere etc. als Dienstwaffe. Bei irregulären Truppen und der Bevölkerung des Orients lebt er auch heute noch als Waffe fort. Vgl. Kuppelmayr, Zur Geschichte des Dolches (»Zeitschrift des Münchener Altertumsvereins«, neue Folge, Bd. 5); Klemm, Werkzeuge und Waffen (Leipz. 1854); Specht, Geschichte der Waffen (Berl. 186976, 2 Bde.); Demmin, Die Kriegswaffen in ihrer historischen Entwickelung (2. Aufl., Leipz. 1886); Jähns, Entstehung und Bedeutung der Waffen (»Deutsche Revue«, Bd. 18, Heft 13); Derselbe, Entwickelungsgeschichte der alten Trutzwaffen (Berl. 1899).
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