[362] Favre (spr. fāwr'), 1) Pierre, auch Faber und Lefèvre genannt, einer der Stifter des Jesuitenordens, geb. 1506 zu Villaret in Savoyen, gest. 1. Aug. 1546 in Rom, studierte seit 1527 in Paris, wo er sich Loyola (s.d.) anschloß und 1534 mit ihm das Gelübde auf dem Montmartre ablegte. Später Professor der Theologie in Rom und Parma, wohnte er 1541 dem Reichstag in Regensburg bei und verbreitete sodann in Deutschland den neuen Orden; unter anderm stiftete er 1544 das Jesuitenkollegium zu Köln, später die Ordenshäuser zu Valladolid und Coimbra. Sein Leben beschrieb Nic. Orlandini in der »Historia Societatis Jesu« (Rom 1615; besonders gedruckt, Lyon 1617).
2) Antoine F., Freiherr von Peroyes, bekannter unter dem Namen Antonius Faber, berühmter franz. Rechtsgelehrter, geb. 4. Okt. 1557 in Bourg-en-Bresse, gest. 22. Febr. 1624 in Chambéry, studierte in Paris und Turin, wurde 1581 zum Oberrichter von Bresse und 1610 zum Präsidenten des Senats von Savoyen ernannt. Seine »Opera juridica« (»De erroribus pragmaticorum«, 3 Teile, »Rationalia in Pandectas«, »Codex Fabrianus« u. a.) erschienen gesammelt Lyon 165863, 10 Bde. Vgl. Mugnier, Histoire et correspondance du premier président F. (Par. 1903, Bd. 1).
3) Jules, franz. Staatsmann, geb. 21. März 1809 in Lyon, gest. 20. Jan. 1880 in Versailles, nahm an der Julirevolution eifrigen Anteil, wurde Advokat in Lyon, dann, seit 1836, in Paris und tat sich durch republikanischen Eifer hervor. Nach der Februarrevolution von 1848 wurde er zum Generalsekretär im Ministerium des Innern, dann zum Unterstaatssekretär des Auswärtigen ernannt. An den Arbeiten der Nationalversammlung nahm er als Abgeordneter bedeutenden Anteil. Er stand an der Spitze der Opposition gegen Ludwig Napoleon, dessen Staatsstreich 2. Dez. 1851 seiner politischen Laufbahn für einige Zeit ein Ende machte. Seine Verteidigung Orsinis machte ihn von neuem bekannt. Als Deputierter im Gesetzgebenden Körper seit 1858 war F. das Haupt der Opposition gegen das Kaiserreich, der sogen. Unversöhnlichen; er war ein vortrefflicher Rhetor, aber ohne wirkliche staatsmännische Eigenschaften. 1867 wurde er zum Mitglied der Akademie erwählt. In der denkwürdigen Sitzung vom 15. Juli 1870 gehörte F. zu den wenigen, die den Kriegsfall durch den Verzicht des Prinzen von Hohenzollern auf den spanischen Thron für beseitigt erklärten und den von Ollivier geforderten Kredit nicht genehmigten. Nachdem er durch seinen Antrag auf Absetzung der Napoleonischen Dynastie den Anstoß zur Revolution vom 4. Sept. gegeben, wurde er Mitglied der Regierung der nationalen Verteidigung und übernahm das Ministerium des Auswärtigen. Aber er bewies einen geringen Einblick in die Verhältnisse. In seinen zwei Rundschreiben vom 6. und 17. Sept. erklärte er, nicht einen Fußbreit Landes, nicht einen Stein seiner Festungen werde Frankreich abtreten. Unter solchen Umständen konnte seine Zusammenkunft mit Bismarck in Ferrières (19. u. 20. Sept.), die den Abschluß eines die[362] Vornahme von Wahlen zur Konstituierenden Versammlung ermöglichenden Waffenstillstandes zum Zweck hatte, keinen Erfolg haben. Nach dem Scheitern der Waffenstillstandsverhandlungen blieb F. in Paris und übernahm nach Gambettas Abreise auch das Innere. Er erhielt dann Ende Januar 1871 die für ihn besonders schmerzliche Aufgabe, die Kapitulationsverhandlungen in Versailles zu führen. Hierbei beging er in seinem kurzsichtigen Optimismus den großen Fehler, den Waffenstillstand nicht auf die Bourbakische Armee auszudehnen und die Entwaffnung der Pariser Nationalgarde abzulehnen. Bei den Wahlen vom 8. Febr. in die Nationalversammlung gewählt, ward F. 19. Febr. von Thiers wiederum auf den Posten eines Ministers des Auswärtigen berufen und führte mit Thiers und Picard die Verhandlungen des Präliminarfriedens von Versailles und endlich gemeinsam mit dem Finanzminister Pouyer-Quertier die Verhandlungen des definitiven Friedens von Frankfurt. Seit der Unterzeichnung dieses Friedens, dem schwersten Opfer seines glühenden Patriotismus, war er ein gebrochener Mann. Er schied bald aus dem Ministerium und trat sowohl in den Kammern wie als Advokat nur selten mehr auf. F. veröffentlichte in seinen letzten Jahren: »Rome et la République française« (1871); »Le Gouvernement de la défense nationale« (187275, 3 Bde.); »Conférences et discours littéraires« (1873); »De la réforme judiciaire« (1877). Gesammelt erschienen nach seinem Tode: »Discours parlementaires« (1881, 4 Bde.), »Plaidoyers politiques et judiciaires« (1882, 2 Bde.) und »Plaidoyers et discours du bâtonnat« (1892, 2 Bde.), herausgegeben von seiner Witwe, sowie »Mélanges politiques, judiciaires et littéraires« (hrsg. von Maritain, 1882).
4) Louis, Ingenieur, geb. 29. Jan. 1826 in Chêne-Bourg bei Genf, gest. 19. Juli 1879, erlernte das Zimmerhandwerk und bildete sich dann in Frankreich als Eisenbahningenieur aus. Durch die Lösung eines schwierigen praktischen Problems legte er in Lyon den Grundstein für seine weitere Laufbahn, und bald beteiligte er sich als selbständiger Unternehmer an den großen Eisenbahnbauten der damaligen Zeit. 1872 siegte er bei der Konkurrenz um die Erbauung des Gotthardbahntunnels und übernahm die Verpflichtung, den Tunnel in acht Jahren zu vollenden. Mit Überwindung zahlreicher technischer und finanzieller Schwierigkeiten führte er das Werk der Vollendung entgegen, starb aber vor Erreichung des Stollendurchschlags im Gotthardtunnel. In Göschenen wurde ihm 1889 ein Denkmal errichtet.