Guāno

[479] Guāno, unter dem Einfluß der Luft, aber bei Ausschluß von Regen entstandene Zersetzungsprodukte der Exkremente von Seevögeln. Guanolager von großer Mächtigkeit fanden sich hauptsächlich auf Inseln der Westküste Südamerikas (Chincha-, Ballestas-, Guanapé-, Macabi- etc. Inseln); auch die südwestliche Küste Afrikas und andre Punkte der Erde boten einzelne Fundorte von Bedeutung; jedoch war und ist noch jetzt die chilenische und peruanische Küste mit den vorgelagerten Inseln, auf denen der G. Schichten von 7–30 m Mächtigkeit bildete, die Hauptbezugsquelle für G., wenn auch die Ergiebigkeit der Guanolager nachgelassen hat. Die südlichste der drei Chinchainseln, die 5 Mill. Ton. G. geliefert hatte, wurde Anfang der 1870er Jahre verlassen, aber alsbald nahmen die Vogel von ihren alten Brut- und Wohnplätzen wieder Besitz, und gegen Mitte der 1890er Jahre konnte von neuem G. gesammelt werden. Man hat beobachtet, daß in 11/4 Jahr etwa 2000 T. G. produziert werden. Der Peruguano besteht fast nur aus den Exkrementen von Vögeln aus den Ordnungen der Ruderfüßer (Pelecanus thajus Mol., Carbo Gaimardi Less., C. albigula Brandt, Sula variegata Tschudi, Plotus anhinga L.), der Langflügler (Rhynchops nigra L., Larus modestus Tschudi, Puffinuria Garnotii Less., Sterna inca Less) und der Taucher (Spheniscus Humboldtii Meyen). Die untersten Schichten der Guanolager bestehen meist aus Exkrementen und Knochen von Seehunden, Seelöwen; auch sind im G. zahllose meerbewohnende Diatomeen etc., versteinerte Eier, Federn und die Reste von Vögeln, Fischen und Seesäugetieren aufgefunden worden. Die frischen Exkremente sind schmutzigweiß und trocknen zu einer festen Kruste ein, die bei einer Stärke von etwa 20 cm in der untern Schicht sich verfärbt und allmählich die Beschaffenheit des Guanos annimmt. Feuchtigkeit beschleunigt die Zersetzung. G. bildet eine gelbbraune, erdige und feste Masse, riecht stark eigentümlich und deutlich ammoniakalisch, löst sich unter Brausen nicht vollständig in Salzsäure, entwickelt[479] mit Kalilauge viel Ammoniak, beim Erhitzen brenzlige Dämpfe und hinterläßt eine weiße Asche, die in 100 Teilen etwa 1,56–2,03 Kali, 34–37 Kalk, 2,56 bis 2 Magnesia und 41–40 Phosphorsäure enthält. Die nähern Bestandteile des Peruguanos sind:

Tabelle

Außerdem finden sich im G. geringe Mengen von Guanin, Xanthin, Salpetersäure und Fett, an zufälligen Bestandteilen Gesteinstrümmer und Konkretionen aus konzentrischen Lagen einer weißen kristallinischen Substanz, die im wesentlichen schwefelsaures Kali und schwefelsaures Ammoniak enthalten. Peruguano enthält vorwiegend in Wasser lösliche Salze; mithin kann er sich nur in Gegenden bilden, in denen die Luft einen sehr geringen Wassergehalt besitzt und Regen fast niemals fällt. Wo dagegen massenhaft abgelagerte Exkremente der Einwirkung von Wasser ausgesetzt sind, müssen wesentlich andre Produkte entstehen (s. unten). Die äußere Beschaffenheit des Guanos, besonders das Vorkommen der Konkretionen, macht eine Zubereitung durch Sieben und Zerkleinern vor dem Gebrauch erforderlich. Die Guanoeinfuhr wird gegenwärtig durch die Firmen der Anglo-Kontinentalen (vormals Ohlendorffschen) Guanowerke in Hamburg betrieben, die den gemahlenen und gesiebten Peruguano mit einem feststehenden Gehalt an Stickstoff (7 Proz.), Phosphorsäure (14 Proz.) und Kali (2 Proz.) in den Handel bringen. Die größte Menge des Guanos wird jetzt zunächst mit Schwefelsäure behandelt, um die Phosphorsäure löslich zu machen, und kommt als Peruguanosuperphosphat oder aufgeschlossener G. in den Handel. Diese Ware enthält Stickstoff 7 Proz., Gesamtphosphorsäure 10 bis 12 Proz., wasserlösliche Phosphorsäure 7–9,5 Proz., Kali 1–2 Proz., außerdem im wesentlichen schwefelsaures Ammoniak. Die gleichmäßige garantierte Zusammensetzung sowie die Verhinderung der Verflüchtigung der Stickstoffverbindungen haben die Verwendung dieses Fabrikats gegenüber dem rohen G. wesentlich gesteigert. Äußerlich ist der aufgeschlossene G. dem gemahlenen sehr ähnlich, nur riecht er nicht nach Ammoniak. In geringerer Quantität kommen noch nach Europa (fast ausschließlich nach England und Schottland) Ichaboeguano (Westküste Afrikas) mit bis 13 Proz. Stickstoff und etwa 20 Proz. Phosphorsäure, Saldanhabai-Guano (Westküste des Kaplandes) mit 6–8 Proz. Stickstoff und 8–10 Proz. Phosphorsäure, Patagonischer G. (Südamerika) mit 4–6 Proz. Stickstoff und 15–20 Proz. Phosphorsäure.

Die Schiffe, die G. verladen, sind ungeeignet zum Transport andrer Ladung und dürfen noch weniger Passagiere befördern. Wird die Ladung durch Seewasser feucht, dann können unter der Schiffsmannschaft tödlich verlaufende Erkrankungen vorkommen. Beim Auf- und Abladen des Guanos tritt höchst lästiger Staub auf, der zum Vorbinden von Schwämmen und Tüchern, die vorteilhaft mit Essig getränkt werden, zwingt. In Wunden kann Guanostaub Blutvergiftung herbeiführen. Guanoniederlagen sind in der Nähe bewohnter Stadtviertel nicht zu dulden. Beim Wohnen über solchen Niederlagen hat man Taubheit, erschwerte Sprache und eigentümliche rosen rote Flecke auf der Stirn beobachtet. Aufstreuen von Gips, Torfstreu, Gerberlohe auf die Guanosäcke bindet das entweichende Ammoniak.

Über das Vorkommen des Guanos und seine von alters her übliche Benutzung als Dünger berichtete zuerst Garcilasso de la Vega 1604 in seinen »Comentarios reales«. Die Inkakönige erließen Verordnungen zum Schutz der Vögel und bedrohten das Betreten der Inseln während der Brütezeit mit dem Tode. Die einzelnen Guanolager waren für gewisse Provinzen des Landes bestimmt. Noch zu Anfang des 19. Jahrh. waren beständig 50 kleine Schiffe beschäftigt, den G. auf das Festland zu bringen. 1802 besuchte A. v. Humboldt die Chinchainseln und brachte die ersten Guanoproben nach Europa, aber erst seit 1840 wurde G. Handelsgegenstand. Die erstaunlichen Erfolge, welche die Landwirtschaft mit dem G. erzielte, steigerten die Nachfrage ganz außerordentlich. 1856 wurden 324,000 und 1870: 522,000 Tonnen nach Europa eingeführt. Dabei wurden die wertvollsten Lager bald erschöpft, schon 1847 tauchten andre Guanosorten, wie Ichaboe-, Bolivia-, Saldanha-, Baker-, Jarvisguano, auf, man stellte künstlichen G. aus Knochenmehl, Asche und Ammoniaksalzen her und belegte auch Fledermausexkremente, Präparate aus Fischen, Waltieren, Garneelen (Garnat-, Granatguano) und Abfälle von der Fleischextraktfabrikation mit dem Namen G.

Außer den beschriebenen Guanosorten mit hohem Stickstoffgehalt findet man andre, die sich durch hohen Phosphorsäuregehalt auszeichnen. Diese Guanophosphate (Phosphatguanos) dürften durch Überflutungen entstanden sein. Der G. wurde, bevor er weggespült werden konnte, durch Meeressand bedeckt, der die weitere Auslaugung nicht hinderte. Es blieben dann die unlöslichen Phosphate zurück, deren starker Gehalt an Chloriden auf die Einwirkung des Meerwassers hinweist. In den Guanodepots von Huanillos befinden sich 100 m über dem heutigen Meeresspiegel in Schluchten, die deutlich erkennen lassen, daß sie vom Meer überflutet waren, Lager von Phosphatguano, bedeckt mit Sand und Gerölle, während talabwärts in der Nähe des Meeres echte Stickstoffguanos vorkommen. Auf der Insel Lobos de Afuera findet sich unter stickstoffreichem G., der stark mit Sand gemischt ist, eine stellenweise mit Muschelkalk durchsetzte Sandschicht, die etwa 0,5 Proz. Stickstoff enthält, und unter dieser ein Phosphatguano mit nur 2 Proz. Stickstoff und 30, selbst 33 Proz. Phosphorsäure. Offenbar deuten diese Vorkommen auf periodische Hebungen und Senkungen der südamerikanischen Westküste. Man benutzt die Guanophosphate zur Darstellung von Superphosphat. Viele Lager dieser Phosphate sind bereits erschöpft und vom Markt verschwunden, doch werden ähnliche Sorten oft noch unter dem alten Namen geführt. Die wichtigsten Guanophosphate sind. Bakerguano, von der Koralleninsel Baker im Stillen Ozean, war gelblichbraun mit weißen kristallinischen Körnern, enthielt 70–80 Proz Phosphat (etwas lösliche Phosphorsäure); das Lager ist erschöpft, doch gehen ähnliche Massen von andern Inseln (Fray Bentos etc.) unter dem alten Namen. Avesguano, von den Avesinseln an der Küste Venezuelas, hellbraun, dem Bakerguano ähnlich, enthält[480] 0,21 Proz. Stickstoff und 72,86 Proz. phosphorsauren Kalk. Browse Island-G., von der Insel gleichen Namens an der Westküste Australiens, enthält 55–60 Proz. Phosphat; Fanningguano, nordöstlich der Phönixinselgruppe gewonnen, hellfarbig, mit 68–75 Proz. Phosphat; Malden-Island-G., von der Nordwestküste Australiens, mit etwa 70 Proz. Phosphat; Mejillonesguano von der Halbinsel Leading Bluff an der Südgrenze von Bolivia, einst das wichtigste Guanophosphat, enthielt 7 Proz. organische Substanz und 65–75 Proz. Phosphat; das Lager ist seit 1883 erschöpft. Sydney-Island-G., dem Bakerguano äußerlich ähnlich, braun, feinpulverig, mit leicht zerreiblichen Krusten, enthält 74 Proz. Phosphat. Weitere derartige Vorkommen sind Howland-, Jarvisguano, Sombrero-, Navassa-, Curassaophosphat. Deutschland führte 1900: 269,077 dz G. und 125,315 dz künstlichen G. ein. Vgl. Meyn, Die natürlichen Phosphate (Leipz. 1873).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 8. Leipzig 1907, S. 479-481.
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