Heer [2]

[43] Heer, 1) Oswald, Botaniker und Paläontolog, geb. 31. Aug. 1809 zu Niederutzwil im Kanton St. Gallen, gest. 27. Sept. 1883 in Lausanne, studierte seit 1828 in Halle Theologie, nebenbei auch Naturwissenschaft, wurde 1831 als Geistlicher ordiniert, habilitierte sich aber 1834 als Privatdozent an der Hochschule in Zürich und erhielt 1836 die Professur der Botanik und Entomologie daselbst. 1832–36 verbrachte er einen großen Teil des Sommers in den Alpen, um die Höhenverbreitung der Pflanzen und Tiere zu studieren. 1834 beteiligte er sich bei der Gründung des Botanischen Gartens in Zürich und wurde 1835 dessen Direktor, 1843 gründete er den Verein für Landwirtschaft und Gartenbau des Kantons Zürich und präsidierte demselben 18 Jahre. Gleichzeitig gab er mit Regel die »Schweizerische Zeitschrift für Land- und Gartenbau« heraus und beschäftigte sich mit der Gründung der landwirtschaftlichen Schule des Kantons Zürich, deren Aufsichtskommission er während einer Reihe von Jahren vorstand. 1850 ging er nach Madeira, von wo er 1851 über Spanien und Südfrankreich zurückkehrte. Bei Errichtung des schweizerischen Polytechnikums erhielt er die Professur für spezielle Botanik. Auch war H. 20 Jahre Mitglied des Großen Rates des Kantons Zürich. Er schrieb: »Die Käfer der Schweiz« (Neuenb. 1838–1841); »Fauna coleopterorum helvetica« (Zürich 1838–41, 3 Tle.); »Der Kanton Glarus« (mit Blumen-Heer, St. Gallen 1846); »Insektenfauna der Tertiärgebilde von Öningen und Radoboj in Kroatien« (Leipz. 1847–53, 3 Bde.); »Flora tertiaria Helvetiae« (Winterth. 1854–58, 3 Bde., mit 150 Tafeln); »Das Klima und die Vegetationsverhältnisse des Tertiärlandes« (das. 1860); »Beiträge zur Insektenfauna Öningens« (Haarlem 1861); »Die Urwelt der Schweiz« (Zürich 1865, 2. Aufl. 1879); »Die Pflanzen der Pfahlbauten« (das. 1865); »Die sächsisch-thüringische Braunkohlenflora« (Berl. 1861); »Die Braunkohlenpflanzen von Bornstedt« (Halle 1869); »Die miocäne baltische Flora« (Königsb. 1869); »Beiträge zur Kreideflora« (Zürich 1869–72); »Arnold Escher von der Linth, Lebensbild eines Naturforschers« (das. 1873); »Die fossile Flora der Polarländer« (das. 1868–83, 7 Bde., mit 158 Tafeln); »Die vorweltliche Flora der Schweiz« (Winterth. 1876, Bd. 1); »Fossile Pflanzen von Sumatra« (Zürich 1875); »Contributions à la flore fossile du Portugal« (Lissabon 1881); »Beiträge zur fossilen Flora Sibiriens« (Petersb. 1878); »Miocäne Flora der Insel Sachalin« (das. 1878); »Über die nivale Flora der Schweiz« (Zürich 1883). Vgl. J. J. Heer und Schröter, Oswald H., Lebensbild eines schweizerischen Naturforschers (Zürich [885–87, 3 Tle.); Malloizel, Oswald H.; bibliographie et table iconographique (Stockh. u. Berl. 1888, Nachweis über alle in den Werken Heers beschriebenen fossilen Pflanzen und Tiere).

2) Joachim, schweizer. Staatsmann, geb. 25. Sept. 1825 in Glarus aus einer reichen Familie, der mehrere Landammänner von Glarus angehörten, gest 1. März 1879, studierte in Zürich. Heidelberg. Berlin und Paris, trat 1847 in den öffentlichen Staatsdienst und ward 1857 Landammann von Glarus, welches Amt er 18 Jahre bekleidete; er erwarb sich durch seine ausgezeichnete Verwaltung große Achtung und Einfluß. 1867 vertrat er die Schweiz sieben Monate lang als Gesandter beim Norddeutschen Bund in Berlin. Seit 1857 Mitglied des Nationalrats, dessen Präsidium er 1863 und 1869 bekleidete, wurde er 1875 von der Bundesversammlung in den Bundesrat gewählt, war 1876 dessen Vizepräsident und 1877 Bundespräsident. Kränklich geworden, legte er 1. Jan. 1879 sein Amt nieder. Er schrieb die Biographie des Rechtshistorikers Blumer sowie verschiedene geschichtliche Abhandlungen in den »Jahrbüchern des Historischen Vereins des Kantons Glarus«. Vgl. G. Heer, Landammann und Bundespräsident Dr. J. H. (Zürich 1884; dazu biographische Nachträge und vaterländische Reden, das. 1885).

3) Jakob Christoph, Schriftsteller. geb. 17. Juli 1859 zu Töß im Kanton Zürich, besuchte das Seminar in Küßnacht, wirkte seit 1879 als Lehrer und übernahm 1891 die Redaktion des Feuilletons der »Neuen Züricher Zeitung«; 1899 wurde er als Redakteur der »Gartenlaube« nach Stuttgart berufen und lebt jetzt in Ermatingen in der Schweiz. Er veröffentlichte[43] Gedichte: »Blumen aus der Heimat« (Zürich 1893), Reisebilder: »Ferien an der Adria« (Frauens. 1888), »Im Deutschen Reich« (Zürich 1894), »Streifzüge im Engadin« (Frauens. 1898), in dem Sammelwerk »Land und Leute« den Band »Schweiz« (Bielef. 1899, 2. Aufl. 1902), »Freiluft. Bilder vom Bodensee« (Konst. 1903), »Blaue Tage. Wanderfahrten« (das. 1904) und mit andern das Prachtwerk »Der Vierwaldstätter See und die Urkantone« (Zürich 4898; franz. u. engl., das. 1900), außerdem einen »Führer für Luzern, Vierwaldstätter See und Umgebung« (13. Aufl. 1904). Vor allem aber hat er sich durch seine Romane: »An heiligen Wassern« (Stuttg. 1898, 17. Aufl. 1904), »Der König der Bernina« (das. 1900, 19. Aufl. 1904) u. »Felix Notvest« (das. 1901, 8 Aufl. 1903) sowie durch die Erzählungen »Der Spruch der Fee« (Leipz. 1901) und »Joggeli« (Stuttg. 1902) einen geachteten Namen gemacht. Er besitzt eine hervorragende Gabe zur Naturschilderung und hat in den beiden ersten Romanen den Reiz des Hochgebirges seiner Heimat, in »Felix Notvest« den der ebenen Schweizerlandschaft mit großer Anschaulichkeit und seiner Stimmungsmalerei zur Darstellung gebracht.

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 9. Leipzig 1907, S. 43-44.
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