[512] Paul, weltliche Fürsten, 1) P. I. Petrowitsch, Kaiser von Rußland, geb. 1. Okt. 1754, gest. 23. März 1801, Sohn des Groußfürsten Peter, nachmaligen Zaren Peter III., und seiner Gemahlin Katharina, bekundete in seiner frühen Jugend Offenheit und Geradheit des Charakters; doch schlugen diese Eigenschaften durch die despotische Erziehung seiner Mutter allmählich in Härte und Verschlossenheit um, die durch die Erinnerung an die Ermordung des Vaters verschärft wurden. 1773 ward er vermählt mit der Prinzessin Wilhelmine (Natalia Alexejewna) von Hessen-Darmstadt und nach deren Tode 1776 mit der Prinzessin Sophie Dorothea (Maria Feodorowna) von Württemberg, deren Bräutigam, Erbprinz (später Großherzog) Ludwig von Hessen-Darmstadt, gegen eine jährliche Pension von 10,000 Rubeln verzichtete. Katharina II. hielt P. von Regierungsgeschäften fern. 1781 machte er mit seiner Gemahlin unter dem Namen eines Grafen von Norden eine anderthalbjährige Reise durch Europa. Darauf lebte er von neuem in gezwungener Untätigkeit in Gatschina bei Petersburg. Eben damit umgehend, ihren Sohn zugunsten ihres Enkels Alexander testamentarisch von der Thronfolge auszuschließen, starb Katharina 17. Nov. 1796. P. zeigte am Anfang seiner Regierung Gutmütigkeit und Gerechtigkeitsliebe. Bald jedoch äußerten sich die Folgen des Druckes, den P. fast 40 Jahre lang ausgestanden. Die Furcht vor der französischen Revolution und das ihm anerzogene Mißtrauen verursachten polizeiliche Willkür, scharfe Zensurverordnungen, Verbot der Einfuhr fremder Bücher und des Eintritts fremder Reisenden und eine grausam strenge Disziplin im Heere. Pauls Willkür kannte zuletzt keine Grenzen. Ebenso launenhaft wie in der innern Politik zeigte er sich in der äußern. Die durch die Franzosen vertriebenen Malteserritter fanden Aufnahme in Rußland; ja P. ließ sich 16. Dez. 1798 trotz des Widerspruchs des Papstes zum Großmeister derselben wählen. Der Abscheu gegen die französische Revolution bestimmte ihn bald nach dem Frieden von Campo Formio 1798 zur Teilnahme am Kriege gegen Frankreich. Bald aber faßte P. wieder Mißtrauen gegen den Kaiser Franz II. und besonders gegen Pitt, und da Bonaparte dem Stolz des russischen Herrschers zu schmeicheln verstand, trennte sich P. 1799 von der Koalition; Ludwig XVIII. und alle Emigrierten, die in Rußland ein Asyl gefunden, mußten das Land[512] verlassen. Die Mißstimmung Pauls gegen England erreichte 1800 den höchsten Grad, als die Engländer die indessen den Franzosen wieder entrissene Insel Malta ihm, als dem Großmeister des Ordens, nicht ausliefern wollten. Er legte Beschlag auf alle in russischen Häfen befindlichen englischen Schiffe und schloß mit Schweden, Dänemark und Preußen einen gegen England gerichteten Neutralitätsvertrag. Die despotische Regierungsweise und der Plan, den Prinzen Eugen von Württemberg, seinen Neffen, zu adoptieren und seine Gemahlin sowie seine Söhne Alexander und Konstantin verhaften zu lassen, veranlaßten eine Verschwörung, um P. zur Abdankung zu zwingen. Unter den 30 Verschwornen waren besonders tätig Graf Pahlen, Fürst Platon Subow, die Grafen Nikolaus und Valerian Subow, General Bennigsen und General Uwarow. Am 23. März 1801 abends ließ Pahlen die Truppen vor dem Michailowschen Palast auf stellen; die übrigen Verschwornen, die Subows an der Spitze, drangen nachts 11 Uhr in Pauls Schlafzimmer ein. Als der Kaiser die von Subow verlesene Abdankungsurkunde nicht sofort unterzeichnete, erdrosselten ihn die Verschwornen nach verzweifeltem Widerstand mit seiner eignen Schärpe. Maria Feodorowna hatte dem Kaiser neun Kinder geboren: Alexander (s. d. 17), der folgende Kaiser, Konstantin (s. d. 13), Alexandra (geb. 9. Aug. 1783, vermählt mit dem Erzherzog Joseph, Palatin von Ungarn, gest. 4. März 1801 in Ofen), Helene (geb. 1784, vermählt mit dem Erbprinzen Friedrich Ludwig von Mecklenburg-Schwerin, gest. 1803), Maria (geb. 1786, Großherzogin von Sachsen-Weimar, gest. 1859), Katharina (geb. 1788, Königin von Württemberg, gest. 1819), Anna (geb. 1795, verwitwete Königin der Niederlande, gest. 1865), Nikolaus (s. d. 2), Alexanders I. Nachfolger, und Michael (geb. 8. Febr. 1798, gest. 9. Sept. 1848). Ein schönes Denkmal ließ die Kaiserin ihrem Gemahl in Pawlowsk errichten. Vgl. Kobeko, Der Cäsarewitsch P. 17541796 (deutsch, Berl. 1886); Bienemann, Aus den Tagen Kaiser Pauls (Leipz. 1886); R. R., Kaiser Pauls I. Ende (Stuttg. 1897); Schiemann, Die Ermordung Pauls und die Thronbesteigung Nikolaus' I. (Berl. 1902); Graf Golovkine, La cour et le règne de P. I (Par. 1905); Mrs. Grant, Mother of czars: Sketch of life of Maria Feodorowna, wife of P. I., etc. (Lond. 1905).
2) Friedrich Wilhelm, Herzog von Württemberg, Reisender und Naturforscher, geb. 25. Juli 1797 zu Karlsruhe in Schlesien, gest. 25. Nov. 1860 in Mergentheim, Sohn des Herzogs Eugen von Württemberg (s. Eugen 2), Neffe des Königs Friedrich I. von Württemberg, erhielt am Hofe seines Oheims eine militärische Erziehung, trieb zugleich mathematische und naturwissenschaftliche Studien und trat 1815 als Hauptmann in preußische Dienste. Auf einer Reise nach Nordamerika (182224) durchforschte er besonders die Flußgebiete des Mississippi und Missouri und nahm dann seine Entlassung aus preußischen Diensten. Auf einer zweiten Reise (182932) besuchte er Mexiko und die südlichen Staaten der Union; 1839 bis 1840 beteiligte er sich an der von Mehemed Ali ausgesandten Expedition zur Erforschung des obern Nils. Auf einer dritten Reise nach Amerika (18491856) durchzog er es von Kanada bis zur Magalhãesstraße. Eine vierte Reise (185759) führte ihn nochmals nach dem untern Mississippi, von dort nach Australien und Neuseeland, von wo er über Ceylon und Ägypten zurückkehrte. Er veröffentlichte: »Erste Reise nach dem nördlichen Amerika« (Stuttg. 1835).
3) P. Alexandrowitsch, russ. Großfürst, geb. 3. Okt. 1860 in Zarskoje Selo als fünfter (jüngster) Sohn des Zaren Alexander II. und der Maria Alexandrowna von Hessen, vermählte sich 13. Juni 1889 mit Alexandra von Griechenland und nach deren Tod (24. Sept. 1891) morganatisch in Livorno 9. Okt. 1902 mit Olga, geschiedener Pistohlkors, geborner Karnowitsch. Weil diese Verbindung gegen das russische Hausgesetz verstieß, wurde sie vom Ministerium des kaiserlichen Hauses für nichtig erklärt und P. verbannt. Aber nach der Ermordung des Großfürsten Sergius (s. d.) fand im Februar 1905 die Rehabilitation statt: P. wurde als Generaladjutant seines kaiserlichen Neffen nach St. Petersburg berufen und seine Gattin, die 1904 durch den Prinz-Regenten Luitpold von Bayern zur Gräfin von Hohenfelsen erhoben worden war, in Gnaden angenommen.