Periōde

[589] Periōde (griech., »Umlauf, Kreislauf«), in der Astronomie soviel wie Umlaufszeit; sodann der Kreislauf der Zeit, daher überhaupt ein Zeitraum. – In der Mathematik nennt man periodisch eine Funktion, wenn es eine konstante Zahl ω gibt, die so beschaffen ist, daß die Funktion f(x) ihren Wert nicht[589] ändert, wenn man das Argument x um ω vermehrt, daß also für jedes x die Gleichung f(x+ω) = f(x) besteht; die Zahl ω selbst nennt man eine Periode oder einen Periodizitätsmodul der Funktion; z. B. haben die trigonometrischen Funktionen sinx und cosx die reelle P. 2π (s. Trigonometrie), die Exponentialfunktion (s. d.) die imaginäre P. 2πi etc.

In der Meteorologie heißt P. (gleichbedeutend mit Gang) der in bestimmten Zeiten regelmäßig wiederkehrende Verlauf einer Erscheinung. Meist unterscheidet man eine tägliche, jährliche oder säkulare P., wenn sich die meteorologische Erscheinung an jedem nächsten Tag, in jedem folgenden Jahr oder nach einer Reihe von je gleichviel Jahren in gleicher Weise wiederholt. Dabei ist die P. durch Mittelwerte aus einem längern Zeitraum ausgedrückt; sie gibt also ein Durchschnittsbild des Verlaufs. Periodische Schwankung ist die Differenz der extremen Stundenmittel (z. B. der kältesten und wärmsten Tagesstunde), aperiodische Schwankung ist die mittlere Differenz der absoluten Extreme (z. B. des höchsten und tiefsten Thermometerstandes). Die P. kann rechnerisch durch trigonometrische Reihen dargestellt werden. Vgl. H. Meyer, Anleitung zur Bearbeitung meteorologischer Beobachtungen (Berl. 1891).

In chronologischer Hinsicht wird P. häufig in der Bedeutung von Zyklus (s. d.) angewendet, ist aber eigentlich ein durch Wiederholung oder Verbindung zweier oder mehrerer Zyklen entstehender Zeitabschnitt. Diese Perioden werden hauptsächlich gebraucht, um verschiedene Zeitberechnungsarten untereinander auszugleichen. Die bekanntesten sind: die chaldäische P., Saros oder P. der Finsternisse, bestehend aus 223 synodischen Monaten (s. Monat), nach deren Ablauf die Finsternisse in derselben Weise wiederkehren; die Hundssternperiode oder Sothisperiode der Ägypter von 1460 Jahren, zur Ausgleichung des bürgerlichen Jahres von 365 Tagen mit dem genauern Sonnenjahr von 3651/4 Tagen, so genannt, weil im ersten Jahre derselben (1322 v. Chr.) der Frühaufgang des Hundssterns (Sirius) und die Nilüberschwemmung wieder mit dem Anfang des ägyptischen Jahres (1. Thoth) zusammenfielen; die Victorianische P. von 532 Jahren, auch Osterkreis genannt, nach deren Ablauf das Osterfest wieder auf denselben Monatstag fällt, die Metonische P. oder der Metonische Zyklus (Mondzirkel, güldene Zahl) von 19 Jahren oder 6940 Tagen, zur Ausgleichung der Sonnen- und Mondjahre; die Kalippische P. von 76 Jahren (gleich 4 Metonischen Zyklen weniger 1 Tag); die Hipparchische P. von 304 Jahren (gleich 4 Kalippischen Perioden weniger 1 Tag); die P. der Ägypter von 25 Jahren, der Apiskreis, und von 500 Jahren, die Phönixperiode; die P. des Sonnenzirkels von 28 Jahren, nach deren Ablauf Wochen- und Monatstage wieder zusammentreffen; die P. der Indiktionen (Römerzinszahl) von 15 Jahren; die P. der Hedschra von 30 Jahren, von denen 19 Jahre 354 Tage und die übrigen als Schaltjahre 355 haben, und die Julianische P., die Joseph Scaliger aufstellte, indem er nach Julianischen Jahren (daher der Name) den Sonnen-, Mond- und Indiktionenzyklus (zu 28,19 und 15 Jahren) zu einer P. verband, die mit dem Jahre beginnt, mit dem alle drei Zyklen zugleich anfangen. Die Anzahl der Jahre dieser P. ist 28. 19. 15 = 7980; ihr erstes Jahr ist das Jahr 4713 v. Chr.

In der Geschichte versteht man unter Perioden die durch die Epochen (s. d.) gegebenen Abschnitte in der geschichtlichen Entwickelung. Da es in dem fortlaufenden Fluß der Geschichte keine natürliche Begrenzung gibt, so hat jede Einteilung in Perioden etwas Willkürliches und wird durch das individuelle Urteil des Betrachters oder durch den Gesichtspunkt, unter dem man die Geschichte behandelt, bestimmt. In der Universalgeschichte unterscheidet man allgemein die drei Hauptperioden des Altertums, des Mittelalters (s. d.) und der Neuzeit, von der man noch die neueste Zeit (seit der ersten französischen Revolution) abzusondern pflegt.

In der Grammatik versteht man unter P. vorzugsweise einen kunstvoll gegliederten Satz, spricht aber auch von nackten Perioden, die aus einem einzigen Hauptsatz bestehen. Die eigentlichen, ausgeführten Perioden entstehen, wenn einzelne Teile eines Hauptsatzes sich zu Nebensätzen erweitern und somit diesen einen Hauptsatz zum Mittelpunkt des Ganzen machen. Die zusammengesetzten Perioden gehen aus der Verbindung mehrerer Hauptsätze hervor. Da nächst der lag ischen und grammatischen Richtigkeit rhythmische Bewegung Haupterfordernis einer guten P. ist, so unterscheidet man in dieser Beziehung fallende und steigende Perioden. Zu den erstern gehören alle die, in denen der Gedanke, der das Ganze trägt, gleich zu Anfang steht, während alle Beziehungen, Bestimmungen und weitern Ausführungen nachfolgen. Zu den letztern, auf die manche Grammatiker den Namen P. überhaupt beschränken, gehören alle Formen, in denen der Anfang eine Vorbereitung auf das Folgende ist, in denen Erwartung und Befriedigung, Spannung und Lösung sich so als Gegensätze einander gegenüberstehen, daß ein Verständnis erst mit dem Schluß des Ganzen möglich wird. Der vordere Teil einer solchen P. heißt Vorderglied oder Hebung (Protasis, Arsis), der andre, mit dem der Gegensatz beginnt, Hinterglied oder Senkung (Apodosis, Thesis). In zusammengesetzten Perioden kommen oft mehrere Hebungen und Senkungen vor, und man spricht dann von mehrgliederigen Perioden. Die Periodologie oder die Lehre vom Periodenbau bildet einen der wichtigsten Teile der Stilistik. – In der Metrik versteht man unter P. die aus der Verbindung mehrerer Verse sich ergebende höhere Einheit; sie kann (bei kurzen Strophen) identisch sein mit der Strophe, in der Regel aber besteht diese aus zwei oder mehreren Perioden. – In der Musik heißt P. ein abgeschlossener, sich in Vorder- und Nachsatz gliedernder Satz, in der Regel von acht Takten Umfang. Die gesamte musikalische Formgebung beruht in der logischen Verknüpfung einer Anzahl solcher Perioden, die aber keineswegs immer einfache Aneinanderreihung ist, vielmehr mancherlei Komplikationen zuläßt (Erweiterung der P. durch Dehnung besonders des Nachsatzes, Ineinanderschiebung vom Ende der einen und Anfang der folgenden P., Bekräftigung von Schlüssen durch Wiederholungen etc.). Über den musikalischen Periodenbau vgl. H. Chr. Koch, Versuch einer Anleitung zur Komposition (Rudolstadt 1782–93, 3 Bde.); R. Westphal, Allgemeine Theorie der musikalischen Rhythmik seit J. S. Bach (Leipz. 1880); H. Riemann, Katechismus der Kompositionslehre (3. Aufl., das. 1904, 2 Tle.) und System der musikalischen Rhythmik und Metrik (das. 1903); Prout, Musical form (Lond. 1893). – In der Physiologie ist P. gleichbedeutend mit Menstruation.

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 15. Leipzig 1908, S. 589-590.
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