Selbstlader

[315] Selbstlader, Feuerwaffen, in denen Öffnen des Verschlusses, Auswerfen der abgeschossenen Hülfe, Spannen, Laden und Schließen durch die Kraft der Pulvergase selbsttätig geschehen, so daß der Schutze nur das Zielen, Abziehen und Magazinfüllen zu besorgen hat. Der Vorteil der S. für das Gefecht beruht weniger auf ihrer sehr großen Feuergeschwindigkeit, die schon bei den modernen Infanteriegewehren vollauf genügt und, zu hoch gesteigert, leicht Schwierigkeiten im Munitionsersatz nach sich zieht, als vielmehr in der geistigen und körperlichen Entlastung des Schützen beim Gebrauch der Waffe. Er kann seine Aufmerksamkeit fast ausschließlich dem Zielen und Beobachten zuwenden, und die Ermüdung ist, da der Rückstoß durch den Betrieb des Mechanismus zum großen Teil aufgezehrt wird, wesentlich geringer als bei andern Waffen. Abgesehen vom Maschinengewehr (s. d.) sind S. bisher meist in Gestalt von Pistolen konstruiert und eingeführt, doch macht auch die Konstruktion von Selbstladegewehren große Fortschritte. – Es sind fünf Systeme zu unterscheiden: 1) der Lauf ist rückwärts verschiebbar und mit dem Verschluß gekuppelt; beide gleiten beim Schuß zunächst gemeinsam zurück, trennen sich dann, und während der Lauf durch Federdruck wieder vorgeschoben wird, setzt der Verschluß seinen Rückgang allein fort, wirft dabei die leere Hülfe aus und wird dann durch eine andre Feder wieder nach vorn gedrückt und verriegelt, nachdem die Schlagfeder gespannt und die oberste Patrone aus dem Magazin in den Lauf eingeführt ist.

Die erste Patrone steckt im Lauf, Kniegelenk K ist gestreckt. Fig. 1. Borchardt-Luger-Pistole, schußbereir.
Die erste Patrone steckt im Lauf, Kniegelenk K ist gestreckt. Fig. 1. Borchardt-Luger-Pistole, schußbereir.

Hierzu gehören Modelle von Maxim (Maschinengewehr), Mauser (Mauser-Selbstlader), v. Mannlicher (s. Tafel »Handfeuerwaffen III«, Fig. 34), Freddi, Mieg, Borchardt (Luger), Kromar, Schwarzlose, Maudry, Woodgate und Griffith, Clausius, Hauss. Die Borchardt-Luger-Pistole (Parabellum-Pistole der deutschen Waffen- und Munitionsfabriken in Berlin) zeigt Fig. 1 u. 2. 2) Der Lauf ist festgelagert; der Verschluß gleitet allein zurück, sonst sind die Vorgänge wie bei dem System unter 1), z. B. v. Mannlicher, Bergmann, v. Dormus, Dreyse (Rheinische Metallwaren- und Maschinenfabrik), Browning (Fig. 3), Reblé.

Lauf und Verschluß haben sich getrennt, Verschlußstück V ist in seiner hintersten Stellung, das Kniegelenk in seiner höchsten, die Verschlußschließfeder Vs ist gespannt und wird im nächsten Moment durch die Schließfederkuppelungskette Sk das Kniegelenk K und das Verschlußstück V wieder nach vorn ziehen. V nimmt die vor den Lauf getretene Patrone P mit vor und schiebt sie in den Lauf. Fig. 2. Borchardt-Luger-Pistole nach dem Auswerfen der abgeschossenen Hülse, vor dem Wiederladen.
Lauf und Verschluß haben sich getrennt, Verschlußstück V ist in seiner hintersten Stellung, das Kniegelenk in seiner höchsten, die Verschlußschließfeder Vs ist gespannt und wird im nächsten Moment durch die Schließfederkuppelungskette Sk das Kniegelenk K und das Verschlußstück V wieder nach vorn ziehen. V nimmt die vor den Lauf getretene Patrone P mit vor und schiebt sie in den Lauf. Fig. 2. Borchardt-Luger-Pistole nach dem Auswerfen der abgeschossenen Hülse, vor dem Wiederladen.

Eine Umänderung der Browning-Pistole (Hahn statt Schlagbolzen), die Colt-Browning-Pistole zeigt Fig. 4 (Ansicht) auf S. 316. Kolben zurück, der den Verschluß öffnet und eine Feder spannt, die nach dem Spannen etc. den Verschluß wieder schließt (v. Mannlicher, Cei-Rigotti, Freih. v. Odkolek, Clair, Unge). 4) Lauf und Verschluß sind gelagert wie bei 3), der Gasdruck treibt die Patronenhülse oder deren Zündhütchen zurück, setzt dadurch den Schlagbolzen in Bewegung und dieser betätigt den Mechanismus (Kruka, Raschein, Roth). 5) Der Lauf ist nach vorwärts verschiebbar angeordnet;[315] im Ruhestand drückt ihn eine starke Feder mit der hintern Öffnung gegen eine feste Stoßplatte, die den Verschluß bildet; beim Schuß reißt das Geschoß den Lauf mit nach vorn und spannt dadurch die Feder, die nach Auswerfen der Hülfe den Lauf wieder bis zur Stoßplatte zurücktreibt, wobei er sich über die unterdessen aus dem Magazin hervorgetretene neue Patrone schiebt (Konstruktionen v. Mannlicher, Wesson). Die Konstruktionen unter 1), 2) und 3) haben den Nachteil, daß sich Lauf und Verschluß schon in einem Moment trennen, in dem das Geschoß den Lauf noch nicht verlassen hat. Der Gasdruck darf deshalb nur so groß sein, daß ihn die Messinghülse der Patrone aushält, was zweifellos eine Schwäche dieser Waffen bedeutet. – Die Zahl der Patronen, die mit einem Griff geladen werden können, ist je nach Wunsch der Besteller sehr verschieden: 5, 6, 7, 8, 10, 12, 20, 25 oder auch mehr; die meisten Konstrukteure richten ihre Waffen auf je nach Wunsch verschieden große Magazine ein.

Beim Schuß geht Patronenhülse mit Schlagbolzen s und Schlitten S zurück. Der Hebel h, oben drehbar mit S verbunden, unter in einen Schlitz des Schlagbolzens S reichend, nimmt die Zugstange Z mit. Zwischen deren Kopf K und dem Widerlager W wird die Schlagfeder F gespannt. S tritt mit seiner Nase n hinter den Arm a des Abzugsstollens, so daß beim nächsten Abziehen die unterdes heraufgetretene und durch Z in den Lauf gezogene Patrone abgefeuert werden kann. Fig. 3. Browning-Pistole, Durchschnitt, entspannt.
Beim Schuß geht Patronenhülse mit Schlagbolzen s und Schlitten S zurück. Der Hebel h, oben drehbar mit S verbunden, unter in einen Schlitz des Schlagbolzens S reichend, nimmt die Zugstange Z mit. Zwischen deren Kopf K und dem Widerlager W wird die Schlagfeder F gespannt. S tritt mit seiner Nase n hinter den Arm a des Abzugsstollens, so daß beim nächsten Abziehen die unterdes heraufgetretene und durch Z in den Lauf gezogene Patrone abgefeuert werden kann. Fig. 3. Browning-Pistole, Durchschnitt, entspannt.

In Deutschland ist die Selbstladepistole Parabellum M/04 von 7,65 mm Kaliber für die Offiziere der Maschinengewehrabteilungen eingeführt, auch sonst vielfach im Gebrauch; eine nach demselben System konstruierte Pistole von 9 mm Kaliber mit Spitzgeschoß ist seit 1906 bei der deutschen Marine eingeführt. Selbstladegewehre sollen, wie auch sehr

Fig. 4. Colt-Browning-Pistole, Ansicht.
Fig. 4. Colt-Browning-Pistole, Ansicht.

wahrscheinlich, zahlreich in Erprobung sein. In Österreich-Ungarn sind in den letzten Jahren acht verschiedene Selbstladepistolen erprobt worden, die Einführung von Maschinengewehrabteilungen ist endgültig beschlossen (vgl. Österreichisch-Ungarische Monarchie, Textbeilage, S. 212). Italien dürfte ebenfalls Selbstladepistolen eingeführt haben oder bald einführen. Ein Selbstladegewehr von Cei-Rigotti soll erprobt werden, das, mit 60 Patronen geladen, eine Feuergeschwindigkeit von 150 Schuß in der Minute erreichen soll, wobei die Totalschußweite über 3000 m, die Anfangsgeschwindigkeit 660 m wäre. Frankreich, dessen Lebel-Gewehr nicht mehr modernen Anforderungen genügt, und das schon lange Versuche mit Selbstladegewehren machte, soll ein solches von 6,7 mm Kaliber angenommen und die Herstellung im Frühjahr 1907 begonnen haben. Rußland hat außer dem Maschinengewehr noch keine S. eingeführt. In Dänemark ist bei der Kavallerie das Rekyl-Gewehr von Madsen (Rückstoßgewehr, ein kleines Maschinengewehr) eingeführt. Jede Eskadron hat 3 Gewehre und ein Munitionspferd. Das Gewehr soll nur 6 kg wiegen, also die Bewegungen des Reiters nicht behelligen, die Feuergeschwindigkeit 750 Schuß in der Minute, die Anfangsgeschwindigkeit 720 m betragen. Das Magazin faßt 25 Patronen, die Bedienung ist wie die des Maschinengewehres. Der Packsattel mit Munition faßt 96 Magazine = 2400 Patronen und wiegt 122 kg, jeder Gewehrreiter führt auch noch 200–300 Patronen mit. Die Waffe soll auch in Schweden und Norwegen angenommen sein, in England, Frankreich, Amerika und der Türkei erprobt werden. Entspricht sie den Beschreibungen, so wäre sie geeignet, große Umwälzungen herbeizuführen, da sie eine sehr schwache Truppe zu höchster Feuerkraft befähigt, ohne so viel Personal und Material zu beanspruchen wie das fahrbare Maschinengewehr. Ähnlich scheint das Rexar-Gewehr (Nordamerika) zu sein. Ferner wird in Dänemark ein 6,5 mm-Selbstladegewehr Bang M/03 mit 30–40 Schuf; Feuergeschwindigkeit in der Minute erprobt. – Sonst sind S. in fast allen Armeen an Stelle der frühern Revolver (s. d.), die mehr und mehr abkommen, in Einführung begriffen. – Vgl. Wille, Waffenlehre (3. Aufl., Berl. 1905, 3 Bde. und Ergänzungsheft); Berlin, Handbuch der Waffenlehre (das. 1904); Wille, Selbstspanner (das. 1896), Mauserselbstlader (das. 1897), v. Mannlichers Selbstladekarabiner und Karabinerpistole M/01 (das. 1902) und v. Mannlichers Selbstladepistole M/01 (das. 1902); v. Kromar, Repetier- und automatische Handfeuerwaffen der Systeme v. Mannlicher (Wien 1900); Parra, Pistolets automatiques (Par. 1899); Günther, Bergmanns Rückstoßlader (Berl. 1900); v. Loebells Jahresberichte über die Veränderungen und Fortschritte im Militärwesen (das.); »Kriegstechnische Zeitschrift« (das.).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 18. Leipzig 1909, S. 315-316.
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315 | 316
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