[705] Speiseröhre (Schlund, Oesophagus), der Teil des Vorderdarms, der Mund und Magen verbindet. Bei den Fischen ist sie sehr weit und geht allmählich in den Magen über; ähnliches gilt von manchen Amphibien und Reptilien; bei den Vögeln ist gewöhnlich ein Teil von ihr zum Kropf erweitert; dagegen ist sie bei den Säugetieren scharf vom Magen geschieden.[705] Beim Menschen (s. Tafel »Eingeweide II«, Fig. 3 u. 4) ist sie ein häutiger, etwa fingerdicker, aber stark ausdehnbarer Kanal, dessen Wände platt auseinander liegen, wenn nicht gerade ein Bissen hindurchgeht. Zwischen Luftröhre und Wirbelsäule tritt sie in den Brustraum ein, läuft neben der Brustaorta bis zum Zwerchfell und gelangt durch einen Spalt des letztern in die Bauchhöhle (s. Tafel »Eingeweide I«, Fig. 2), wo sie sich zum Magen erweitert. Die S. besteht aus einer Schleimhaut und einer diese umgebenden Muskelhaut. Von einer S. spricht man auch bei vielen niedern Tieren; sie ist im allgemeinen röhrenförmig, kann aber, wie bei manchen Insekten, zu einem kropfartigen Sack ausgetrieben sein und dient dann zur vorläufigen Aufbewahrung und Vorverdauung der aufgenommenen Nahrung. Krankheiten der S. sind selten, meist mit Schlingbeschwerden und Schmerzen im Rücken verbunden. Leichtere Entzündungen kommen vor als Fortsetzungen entzündlicher Mund- und Rachenkrankheiten, z. B. der Schwämmchen. Schwere Entzündungen der Schleimhaut treten ein bei Vergiftungen mit Ätzkali, Schwefelsäure etc. und beim Genuß sehr heißer Speisen. Die wichtigste Krankheit der S. ist der Krebs, der stets primär als Kankroid auftritt. Er zerstört die Schlingmuskulatur, macht die S. starr und erweiterungsunfähig, verlegt die S. durch die wuchernden Geschwulstmassen und verursacht dadurch bald Schluckbeschwerden, auch schwere Ernährungsstörungen, sogar den Hungertod. Durch Verschwärung und Zerfall der Krebsgeschwulst kann vorübergehend die S. wieder wegsamer werden. Die Zerstörung greift aber durch neue Wucherung und geschwürigen Zerfall unaufhaltsam um sich, wobei leicht Durchbruch in die Nachbarorgane, z. B. den Brustfellraum (mit tödlicher Brustfellentzündung) oder in die Luftröhre (mit tödlicher Lungenentzündung) oder die Aorta (Verblutungstod), die Folge sein kann. Eine Heilung des Krebses der S. kommt nicht vor. Bei Verengerung der S. durch Krebs oder durch Narbenschrumpfung nach Ätzung besteht die Behandlung in vorsichtiger Erweiterung der Striktur durch Bougies und in Ernährung durch die Schlundsonde oder Dauerkanülen. In die S. gelangte fremde Körper sucht man mit geeigneten Instrumenten, »Münzenfänger« etc., herauszuholen oder sie in den Magen hinabzustoßen. Sind nach Schwefelsäure- oder Laugevergiftungen oder im Gefolge krebsiger Zerstörungen solche Veren gerungen der S. entstanden, daß nicht einmal flüssige Nahrung in den Magen gelangt und der Tod durch Verhungern droht, so öffnet man die S. durch den Speiseröhrenschnitt (Ösophagotomie). Macht der Sitz des Krebses eine Operation an der S. unmöglich, so kann man, um das Leben noch eine Weile zu erhalten, eine Magenfistel anlegen, mittels welcher der Kranke die gekauten Speisen durch ein Rohr in den Magen bringt. Auch Nährklistiere kommen in Frage. Zur Erkennung von Krankheiten der S. verwendet man außer der Sondenuntersuchung auch die Ösophagoskopie, die Betrachtung der S. durch eingeführte Rohre bei elektrischer Beleuchtung. Vgl. Zenker und v. Ziemssen, Krankheiten des Oesophagus, in Ziemssens »Handbuch der speziellen Pathologie und Therapie« (Bd. 7, 2. Aufl., Leipz. 1878); Gottstein, Technik und Klinik der Ösophagoskopie (Jena 1901); Merkel in Penzoldt-Stintzings »Handbuch der Therapie innerer Krankheiten« (3. Aufl., das. 1903); Kraus, Erkrankungen der Mundhöhle und S., in Nothnagels »Spezieller Pathologie und Therapie« (Wien 1902).