Enquête

[770] Enquête (fr., spr. Angkeht), 1) die gerichtliche Untersuchung in Civilsachen; 2) das, zumeist von einer, aus Mitgliedern der gesetzgeberischen Körperschaften bestehenden Commission geleitete, öffentliche Untersuchungsverfahren zur Aufklärung u. Auskunftseinziehung über bestimmte, durch die Gesetzgebung zu regelnde Fragen u. Verhältnisse. In England steht dasselbe dem Parlamente seit Jahrhunderten zu. Das Verfahren hierzu ist folgendes: Wenn in einem der beiden Häuser des Parlaments ein Mitglied einen Gesetzes vorschlag machen will, od. sich über einen Verwaltungszweig zu beklagen hat, so verlangt es die Aufstellung einer Commission (Committee of inquiry). Diese wird von dem Präsidenten des Hauses aus den geeigneten Mitgliedern ernannt, hält Sitzungen an bestimmten Tagen u. ruft zur Vernehmung vor sich, wen sie will u. von wem sie Aufschluß erwartet. Überdies kann die Commission von allen Behörden Notizen, Tabellen a. statistische Angaben verlangen. Bei Untersuchungen von großer Wichtigkeit werden die Verhandlungen oft mehrere Jahre hindurch geführt. So dauerte die E. über die Ostindische Compagnie von 1830–32. Von besonderem Vortheil sind solche E-n bei handelspolitischen Fragen. In Frankreich hat die Regierung seit 1827 wiederholt, die Kammer nur in einzelnen Fällen, namentlich über das Tabaksmonopol, solche Untersuchungen veranstaltet. Gewöhnlich wirb hier von, der Regierung eine Commission gebildet, welche den betreffenden Minister zum Vorsitzenden u. einige hohe Beamte, sowie in Handelssachen eine Anzahl Beisitzer der Handelsräthe, zu Mitgliedern hat. Bisweilen stellen einzelne Handelskammern ihre eigenen E-n in aller Form an, wie z.B. die zu Mühlhausen über die Zulassung der Baumwollenwaaren. In Deutschland waren E-n nach englischem Muster bis in die neueste Zeit unbekannt; namentlich stand nirgends der Volksvertretung das Recht der E. zu, wenn auch die Regierungen für einzelne Fälle Untersuchungscommissionen zusammenriefen, die jedoch ihrer Mehrzahl nach aus Beamten bestanden. Auf anderem Wege suchte man dasselbe Ziel zu erreichen, indem man beabsichtigte Gesetze im Entwurfe der Öffentlichkeit übergab u. es nun der Wissenschaft u. Sachverständigen überließ, ihr Urtheil darüber abzugeben. Erst in einzelnen neueren Verfassungen, z.B. in der preußischen vom 31. Jan. 1850, ist der Volksvertretung das Recht der E. ausdrücklich zugestanden.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 5. Altenburg 1858, S. 770.
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