[339] Libertiner, 1) eine Partei in Jerusalem (Apostelgesch. 6, 9), welche Gegner des Stephanus waren; sie stammten nicht aus der Stadt od. der Gegend Libertum in Africa propria, sondern von Juden, welche unter Pompejus in römische Kriegsgefangenschaft gerathen u. nachher frei gelassen, wieder in ihr Vaterland zurückgekehrt waren. 2) (Spirituale), eine pantheistisch-antimonistische Secte im 16. Jahrh., welche ihren Anfang durch Coppin von Lille in Flandern um 1529 nahm, aber bes. in Frankreich durch Quintin u. Pocquet seit 1534 ausgebildet wurde. Ihr System knüpften sie an die Bibel, erklärten dieselbe aber allegorisch. Nach ihnen gibt es nur Einen Geist, der in allen Creaturen lebt u. ist, der Geist Gottes; Welt, Fleisch, Seele, Alles ist ein bloßer Wahn, auch die Sünde ist blos Wahn, u. dieser Wahn ist das einzige Böse, was es gibt; daher die Erlösung von der Sünde auch blos in der Befreinung von dem Wahne u. in der Erhebung von der Vorstellung zum absoluten Wissen von Gott besteht. Dies Wissen aber befindet sich blos bei den L. u. wird nicht durch die Lehre Christi, sondern durch dessen Tod vermittelt, da in Christo der Wahn am Kreuze starb u. somit in dem Menschen, da er mit Christo Eins ist. In praktischer Hinsicht ging die Tendenz der L. auf die Emancipation des Fleisches, die Aufhebung des Eigenthums, die Weibergemeinschaft u. dgl. Auch in Genf fand der Libertinismus an Ami Perrin, Benoite Ameaux, Franz Favre u. A. Anhänger, u. Calvins schriftlicher Kampf gegen die Secte nöthigte sie Frankreich zu verlassen (um 1545) u. brachte sie 1555 in Genf zum Fall. Calvins zwei Schriften gegen dieselben von 1544 u. 1547, zusammengedruckt 1547.