[343] Orestes, 1) Sohn des Agamemnon u. der Klytämnestra. Nach der Ermordung des Agamemnon durch Klytämnestra u. Ägisthos ließ ihn seine Schwester Elektra zu Strophios, König in Phokis, welcher mit ihrer Tante Anaxibia vermählt war, in Sicherheit bringen. Hier lebte O. acht Jahre, wo er mit Pylades, dem Sohn des Strophios, die innigste Freundschaft schloß, u. ging dann, auf Eingabe des Apollo, mit Pylades nach Mykenä zurück u. ermordete die Klytämnestra nebst Ägisthos, um Agamemnon zu rächen. Aber nun verfiel O. als Muttermörder den Erinnyen, u. diese quälten ihn unablässig, bis er endlich auf den Rath des Apollo zur Sühne nach Athen ging. Hier setzte Athene auf dem Areopag ein Gericht über ihn nieder u. warf bei der Abstimmung einen weißen Stein in die Stimmurne, wodurch die Zahl der verdammenden u. lossprechenden Stimmen gleich u. Oso freigesprochen wurde. Nach And. lebte O. in der Zeit zwischen dem Tode u. der Rache seines Vaters zu Parrhasion in Arkadien, wo noch später ein Heiligthum der Erinnyen war, welche ihn in Raserei versetzt hatten, daß er sich einen Finger abbiß, u. ebenso der Ort seiner Heilung gezeigt wurde; auch zeigte man bei Gythion in Lakonika einen Stein (Leys Kappotas od. Las Katapantes), auf welchen sich O. zum Ausruhen setzte u. beim Aufstehen geheilt war. Nach And. erhielt er von Apollo den Auftrag, daß er zur Sühne das Bild der Artemis aus Tauris in Skythien nach Griechenland bringe. Dort war seine andere Schwester Iphigenia Priesterin u. sollte ihn als Fremden, der Landessitte gemäß, opfern; sie erkannte aber den Bruder, entwendete das Bild durch List u. entfloh glücklich damit nach Griechenland. Andere lassen ihn unmittelbar nach dem Muttermorde nach Delphi gehen u. dort sogleich von Apollo gesühnt werden. O. wurde nun König von Mykenä u. Argos u. herrschte bis in sein 90. Jahr. In Arkadien bewohnte er die Stadt seines Namens Orestia (Oresteia, Oresteion) u. starb daselbst an dem Biß einer Schlange; nach Einigen führte er eine Colonie nach Lesbos u. starb da; nach And. war er zu Tegea in Arkadien begraben; von da wurden einem Orakel zu Folge seine Gebeine nach Sparta gebracht u. bei dem Tempel der Mören ihm ein Grabmal errichtet. Seine Gemahlin war Hermione (s.d. 2); sein Sohn von Erigone hieß Penthilos. Die Grundzüge zum Orestes-Mythos kommen schon in der Homerischen Odyssee vor; später wurde O. einer der Helden der griechischen Tragödie u. als solcher namentlich von Äschylos (s.d.) in der Trilogie Agamemnon, Choëphoren u. Eumeniden behandelt (vgl. Franz, Des Äschylos Oresteia), von Sophokles in der Elektra u. von Euripides im Orestes u. in der Iphigenia in Tauris. 2) O., 398 v. Chr. kurze Zeit König von Macedonien. 3) Cajus Aurelius O., Römer, war 126 v. Chr. Consul, bekriegte die Sarden u. triumphirte 122 über dieselben. 4) O, vornehmer Pannonier, wurde 447 n. Chr. Geheimschreiber Attilas, Königs der Hunnen, u. dessen Gesandter an den Kaiser Theodosius den Jüngeren, dann in römischen Diensten, in denen er unter Kaiser Nepos Patricier u. Oberbefehlshaber der Truppen wurde. Nach Nepos' Abdankung wies er den ihm von den Soldaten angetragenen Purpur zurück, mit dem diese nun seinen Sohn Rommus Augustulus (s.d.) schmückten. Vor Odoaker warf er sich nach Pavia u. wurde, als diese Stadt erobert worden war, 476 hingerichtet. 5) O., Feldherr des griechischen Kaisers Basilius, welcher 1027 vergebens Sicilien wieder zu erobern versuchte.