[215] Slowaken (Slawaken), ein slawischer Volksstamm in Mähren, im nördlichen Ungarn u. im österreichisch-slavonischen Militärgrenzland, gegen 4 Millionen an Zahl, wovon 1 Mill. zur Evangelischen u. 3 Mill. zur Katholischen Kirche sich bekennen. Sie theilen sich in mehre Stämme, z.B. Podhoraken, Blatniaken, Hanaken etc. u. waren einst das herrschende Volk in Mähren. Hinsichtlich ihrer Sitten u. ihres Charakters sind sie dem altslawischen Urtyp am treusten verblieben. Sie sind von Mittelgröße, untersetzter Statur, flachen, groben Gesichtszügen, blauen Augen, schwarzem langem Haar, hellgelber, oft brauner Hautfarbe, von rührigem Wesen, wortreicher Sprache u. lebhafter Gesticulation. Sie durchziehen Deutschland häufig als Händler mit Draht- u. Blechwaaren, zuweilen auch mit Leinenwaaren u. dgl. Die Geschichte der S. reicht nicht über das 9. Jahrh. hinaus. Zu jener Zeit stießen die Magyaren, als sie die Karpatischen Gebirge überstiegen, zwischen der Theiß u. Donau auf ein Slowakisches Reich unter dem Könige Zalan, welchem aber keineswegs alle S. gehorchten, da die Berglande der Sohler u. Neograder Gespanschaft zum Großmährischen Reiche gehörten u. die Flußthäler der Gran, Waag, Neutra etc. zwischen Mähren u. Deutschen getheilt waren. Zalan ergab sich dem Magyarenfürsten Arpad u. genoß dafür seine besondere Auszeichnung. Gleichwohl büßte die Slowakei von jetzt ab, nachdem ihr Name kaum in der Geschichte aufgetaucht war, ihre Selbständigkeit ein, u. die Magyaren nahmen als Sieger die fruchtbarsten Theile des Slowakenlandes in Besitz u. verdrängten die Besiegten in die nördlicheren, rauheren Gegenden, wo man sie noch heutigen Tages angesiedelt findet. Als das Polnische Reich später zu seiner Machtentfaltung gelangte, riß dasselbe einen Theil des früheren Slowakischen Landes an sich, namentlich kamen 1412 die sogenannten 16 Zipfer Städte an Polen u. verblieben diesem Staate bis zur ersten Theilung Polens 1772, wo sie an Ungarn zurückfielen, mit Vorrechten, welche sie in Bezug auf ihre politische u. administrative Stellung der ungarischen Hofkammer u. Statthalterei gegenüber behielten.
Die Slowakische Sprache, ein Zweig der westslawischen Sprachen, zerfällt in viele von einander abweichende Localdialekte, die sich aber fast sämmtlich durch Flüssigkeit u. Weichheit des Idioms auszeichnen u. dadurch wieder in Übereinstimmung stehen. Das Slowakische bildet den Übergang vom Böhmischen (Czechischen), dem es unterallen slawischen Dialekten am nächsten steht, zur Windisch-Kroatischen Mundart u. ist früher sehr verwahrlost worden, indem es lange währte, bis es sich zur Schriftsprache erhob. Bibel, Gesang- u. Gebetbücher, welche das Volk schon seit alter Zeit besitzt, sind nämlich in der Czechischen Sprache abgefaßt u. wurden durch Mährische Brüder nach Ungarn verpflanzt. Auch wird in Czechischer Sprache gepredigt u. katechisirt, wie denn die Vornehmeren unter den S. das ausgebildetere Czechische reden. Erst in neuerer Zeit hat man sich in Folge der panslawistischen Zeitrichtung bemüht die Slowakische Volkssprache auszubauen u. zur Schriftsprache zu erheben, u. es hat sich bereits eine nicht unbedeutende Literatur slowakischer Sprachwerke gebildet. Bes. wichtig sind die von Kollar (Ofen 1834, in 2 Bdn.) gesammelten slowakischen Volkslieder. Auch die slowakischen Sprüchwörter u. Märchen sind bereits gesammelt. Nachdem sich Bel, Lefzka, Bernolak, Palkowicz, Placzy, Tablitsch u. And. viel Verdienst um die Ausbildung dieser Mundart erworben, erhielt die Slowakische Schriftsprache in neuester Zeit einen bedeutsamen Aufschwung durch Kolly, Hollar u. Ludewit Stur, welcher die erste politische Zeitung in Slowakischer Sprache begründete. Vgl. außer den unter Slawischen Sprachen angeführten allgemeinen Schriften noch Versuch einer Geschichte der böhmisch-slawischen Sprache in Ungarn, in den Wiener Anzeigen (1773, III. S. 164171); Bernolak, Dissertatio de literis Slavorum, Posen 1767; Dolezal, Grammatica slavo-bohemica, Posen 1746: Bernolak, Grammatica slavica, ebd. 1796 (deutsch von Andr. Brestyansky, Ofen 1817); Derselbe, Etymologia vocum slavicarum, Tyrnau 1791; Botschke, Krátká mluvnice slovenská (Kurze slowakische Grammatik), Presb. 1842; Kaspar Dianißka, Grammatik der slowakischen Sprache für Deutsche, Wien 1850; Leop. Botschek, Krátká mluvniceslovenská a navedeník pisemnostem, Skalitz 1851; Derselbe, Krátká mluvnice nemecká etc., Wien 1852; Mart. Hattala, Lautlehre des Alt- u. Neuböhmischen u. Slowakischen, Prag 1854; u.a.m. Lexika verfaßten: Palkowicz, Böhmisch-deutsch-lateinisches Wörterbuch, mit Beifügung der den Slowaken u. Mähren eigenen Ausdrücke u. Redensarten, Prag u. Presburg[215] 1821, 2 Thle.; Bernolak, Lexicon slavicum bohemico-lat.-germ.-ungaricum, Ofen 18251827, 6 Bde.; Stef. Jankovitsch, Slovensko-madaroki a madarsko-slovenski slovnik, Sarvas 1848, 2 Thle.; Derselbe, Neues Magyarisch-slowakisches u. Slowakisch-magyarisches Wörterbuch, Pesth 1854, 2 Thle., etc. Einen slowakischen Volkskalender unter dem Titel Domovná pokladnice (Der Hausschatz) veröffentlichte Dan. Lichard seit 1847, der zu Skalitz erscheint u. bereits eine Menge Wiederholungen erlebt hat; ebenderselbe gibt auch seit 1851 die Slovenské novinij (Slowakische Zeitung) mit Joh. Zaborsky heraus, welche zu Wien in der Mechitaristenbuchhandlung gedruckt wird u. dreimal wöchentlich in Folio erscheint. Eine wissenschaftliche Zeitschrift gibt heraus M. I. Hurban unter dem Titel Slovenskje pohladi na vedi, umenja a literaturu in Monatheften zu Skalitz. Derselbe edirt auch die Widmungsschrift für die slowakischen Landsleute (Nitra) zu Skalitz seit 1848. Die S. besitzen bereits Dichter (I. Trokan, Myjava, Gedicht in vier Gesängen, Skalitz 1852) u. Maler (unter denen vor allen Dunajsky nennenswerth ist), bes. dessen Gemälde, Der Erlöser vor der Kreuzigung. Eine Sammlung slowakischer Gedichte stellte zusammen A. H. Schkultety in Recnovanka pre slovenskje skoly, Bistritz 1850; eine Bilderbibel in Versen edirte Grynäus (Pesth 1854). Auch für die Wissenschaften geschieht neuerlich Vieles, so erschien eine slowakische Naturgeschichte (Tornau 1851), eine Allgemeine Erdbeschreibung (Tyrnau 1851), eine Allgemeine Weltgeschichte etc.; Nikolaus Dohnany (st. 1852 in Tyrnau), schrieb eine Geschichte der slowakischen Erhebung (Tyrnau 1848); Tschekanovitsch-Intibus schr. Stav a deje narodu na zemi üherské by dilících (Zustand u. Geschichte der in Ungarn wohnenden Nationen), Prag 1851 ff. Wie allgemein der Nationalgeist in der Slowakei erwacht ist, erhellt auch aus dem Umstand, daß schon an mehren Orten (zuerst in Radkow in Ungarn 1852) Nationalbühnen erstanden sind, auf denen nur Stücke in Slowakischer Sprache gespielt werden.