Titan [2]

[620] Titan, chemisches Zeichen Ti, Atomgewicht 25 (H = 1) od. 312,5 (O = 100), ein ziemlich seltenes Metall, wurde 1791 von einem englischen Geistlichen, Gregor, im Menakan u. 1794 von Klaproth im Rutil entdeckt. Es findet sich niemals frei in der Natur, als Titansäure im Rutil, Brookit u. Anatas, als titansaures Eisenoxydul im Titaneisen, mit Kieselerde u. Kalk verbunden im Titanit, außerdem in einigen seltenen Mineralien. Man erhält das Metall rein durch Reduction von Fluortitankalium mittelst Kalium; die Reduction findet unter Feuererscheinung statt. Das T. erscheint als dunkelgraues, nicht krystallinisches Pulver, welches beim Erhitzen an der Luft mit großem Glanze verbrennt, in Sauerstoffgas mit blendendem blitzähnlichem Feuer; auch mit Kupferoxyd u. Bleioxyd erhitzt, verbrennt es heftig. Bei 100° zerlegt es das Wasser; von Salzsäure wird es unter Wasserstoffentwickelung aufgelöst. Verbindungen des T-s: A) Mit Sauerstoff: a) Titanoxydul, TiO, ist wahrscheinlich die metallähnliche, schwarze, in allen Säuren unlösliche Masse, welche sich bildet, wenn man Titansäure in einem Kohlentiegel einer anhaltenden Weißglühhitze aussetzt. b) Titansesquioxydul, Ti2O3, entsteht, wenn man eine Auflösung von Titansäure in Salzsäure mit metallischem Kupfer bei 40 bis 50° digerirt; die Flüssigkeit färbt sich violett u. scheidet beim Vermischen mit Ammoniak Titansesquioxydulhydrat als schwarzbraunes Pulver ab; dasselbe geht unter Sauerstoffaufnahme schnell in Titansäure über. Wasserfrei erhält man es durch Überleiten von trockenem Wasserstoffgas über Titansäure; es ist schwarz u. geht beim Erhitzen an der Luft in Titansäure über. Das Hydrat löst sich in Säuren mit weinrother Farbe; diese Lösungen entfärben sich jedoch bei Zutritt von Luft unter Aufnahme von Sauerstoff sehr schnell. c) Titansäure, TiO2, findet sich in der Natur (s. oben), entsteht beim Verbrennen von T. an der Luft od. beim Glühen desselben in Wasserdampf, wobei das Wasser mit Lebhaftigkeit zerlegt wird. In den Mineralien Rutil, Brookit u. Anatas tritt sie in drei verschiedenen Krystallformen auf, bietet also ein Beispiel von Trimorphie. Aus dem Titaneisen läßt sich die Titansäure darstellen, indem man das gepulverte Mineral mit kohlensaurem Kali schmilzt, die geschmolzene Masse pulverisirt u. mit heißer verdünnter Flußsäure behandelt; dadurch erhält man das schwer lösliche u. leicht krystallisirbare Fluortitankalium in Lösung, während das meiste Eisenoxyd titanfrei zurückbleibt; aus der siedend heiß filtrirten Flüssigkeit krystallisirt das Fluortitankalium in glänzenden Schuppen aus; man wäscht es mit kaltem Wasser u. reinigt es durch Umkrystallisiren aus siedendem Wasser; aus der heißen wässerigen Lösung fällt nun Ammoniak titansaures Ammoniak, welches beim Glühen reine Titansäure zurückläßt. Aus einer sauren Auflösung der Titansäure fällt Ammoniak weißes Titansäurehydrat, 2TiO2 + HO, aus; dasselbe löst sich in Säuren, wenn es vorher nicht erhitzt wurde, u. geht beim Erhitzen unter Etglühen in wasserfreie, in Säuren unlösliche Titansäure über; letztere ist röthlichbraun, glänzend, unschmelzbar, unlöslich in Wasser u. Säuren, mit Ausnahme der concentrirten Schwefelsäure. Aus sehr verdünnten sauren Auflösungen scheidet sich die Titansäure durch Kochen als ein weißes Pulver aus, welches nun in Säuren unlöslich ist, nur von concentrirter Schwefelsäure aufgelöst wird; erhitzt wird sie gelb, nach dem Erkalten aber wieder weiß. Die Titansäure verbindet sich mit Basen zu Salzen, kann aber auch, wie die Zinnsäure, die Rolle einer Basis spielen. Die titansauren Salze sind noch wenig bekannt; meist in Wasser unlöslich, aus ihren Auflösungen in Säuren fällen ätzende u. kohlensaure Alkalien Titansäurehydrat, Galläpfelaufguß erzeugt in der salzsauren Lösung, wenn wenig freie Salzsäure vorhanden ist, einen orangefarbenen Niederschlag; bringt man in eine salzsaure Lösung der Titansäure metallisches Zinn, so färbt sich die Flüssigkeit unter Entwickelung von Wasserstoffgas allmählig violett, u. es scheidet sich ein violetter Niederschlag ab, welcher nach u. nach weiß wird; verdünnt man die violette Lösung mit Wasser, so geht die Farbe in Rosenroth über. Eine ähnliche Erscheinung zeigt sich bei Anwendung von metallischem Kupfer statt des Zinns. Sehr charakteristisch ist das Verhalten der Titansäure vor dem Löthrohr. Mit Borax u. Phosphorsalz gibt sie in der Oxydationsflamme ein farbloses Glas, in der Reductionsflamme eine violette od. blaue Farbe, bei Gegenwart von Eisenoxyd wird die Phosphorsalzperle blutroth. Demoly hat neuerdings neben der gewöhnlichen Titansäure eine andere[620] Modification unterschieden, die Metatitansäure, Ti3O6, welche sich in kleinen glänzenden Blättchen bilden soll, wenn wasserfreies Chlortitan mit kohlensaurem Baryt gesättigt u. dann auf einmal eine große Menge Wasser hinzu gesetzt wird. Schwefelsaure Titansäure, TiO2 + 2SO3, durch Auflösen von Titansäure in Schwefelsäure erhalten, ist in einer geringen Menge warmen Wassers löslich, eine größere Menge zersetzt es. Setzt man zu einer gesättigten Lösung der Titansäure Schwefelsäure, so wird ein Salz von der Zusammensetzung 10TiO2 + SO3 + 10HO gefällt. B) Mit Chlor: a) Titanchlorid, TiCl2, ist eine wasserhelle, schwere, rauchende Flüssigkeit von stechendem scharfem Geruche, welche bei 135° siedet u. erhalten wird, indem man über ein gelind erhitztes Gemenge von Titansäure u. Kohle Chlorgas leitet; vom Wasser wird es unter starker Erhitzung aufgenommen, durch erhitztes Kalium od. Natrium unter Feuererscheinung zerlegt; an der Luft zieht es Feuchtigkeit an u. erstarrt zu wasserhaltigem Chlorid, TiCl2 + 2HO. Trockenes Ammoniakgas wird von Titanchlorid begierig verschluckt; es entsteht Titanchloridammoniak (Chlortitanammoniak), TiCl2 + 2NH3; dasselbe ist in Wasser größtentheils ohne Zersetzung löslich u. hinterläßt, bei Abschluß der Luft erhitzt, metallisches T. Vermischt man Titanchlorid mit Chlorschwefel in der Kälte, so scheiden sich große gelbe Krystalle von Chlortitanchlorschwefel, 3TiCl2, SCl3, ab, welche an der. Luft zerfließen, in Wasser u. Säuren löslich sind. Äther bildet mit Titanchlorid Ätherchlortitan, TiCl2 + C4H5O, eine krystallinische Verbindung, welche in überschüssigem Äther leicht löslich ist u. sich durch Wasser zersetzt. Wenn gasförmiges Chlorcyan zu Titanchlorid geleitet wird, so entsteht eine gelbe krystallinische Masse von Chlortitancyanchlorid, 2TiCl2 + CyCl, welche schon weit unter 100° sich zu verflüchtigen u. zu klaren citronengelben Krystallen zu sublimiren beginnt; sie raucht an feuchter Luft u. wird dabei milchweiß unter Entwickelung des Geruches nach Cyanchlorid. Chlortitancyanwasserstoff, TiCl2 + CyH, entsteht durch Vermischen von Cyanwasserstoffsäure mit Titanchlorid; glänzende, citronengelbe Krystalle, welche sich bei schneller Sublimation zu einer zusammenhängenden Masse vereinigen. b) Titansesquichlorür, Ti2Cl3, wird erhalten, wenn Dämpfe von Titanchlorid mit Wasserstoffgas durch eine glühende Röhre geleitet werden; es setzt sich an den Wandungen der Röhre in Form dunkelvioletter glänzender Schuppen ab, welche an der Luft Feuchtigkeit anziehen u. in Titansäure übergehen; Wasser löst es mit violetter Farbe auf, aus der Lösung scheidet sich Titansäure aus; es wirkt stark reducirend. C) Mit Schwefel: Schwefeltitan, TiS2, gelbe, metallglänzende Schuppen, welche sich bilden, wenn man Schwefelwasserstoff u. Dämpfe von Titanchlorid durch eine glühende Röhre leitet; an feuchter Luft zersetzt es sich, Säuren verändern es nicht, Kalilauge gibt unlösliches saures titansaures Kali; an der Luft erbitzt, verbrennt es zu Titansäure. D) Mit Fluor: Fluortitan, TiFl2, eine wasserhelle, an der Luft rauchende Flüssigkeit, welche durch Erhitzen eines Gemenges von Flußspath u. Titansäure mit Schwefelsäure erhalten wird. Auf Zusatz von viel Wasser zersetzt sie sich in eine weiße unlösliche Verbindung u. in eine saure Flüssigkeit, Titanfluorwasserstoffsäure, TiFl2, FlH, in welcher sich der Wasserstoff durch Metalle ersetzen läßt. E) Mit Stickstoff: a) Stickstofftitan, TiN, entsteht, wenn man Titansäure in einem Strome von trockenem Ammoniakgas erhitzt; dunkelviolettes Pulver mit einem Strich ins Kupferfarbene; b) Ti3N2, durch Erhitzen von Ammoniaktitanchlorid in Ammoniakgas erhalten, indigblaues Pulver, wo es am Glase anliegt, kupferfarbig, entwickelt mit Kalihydrat od. beim Glühen mit Wasserdampf reichlich Ammoniak; c) Ti5N3, entsteht durch heftiges Glühen von Ti3N2 in getrocknetem Wasserstoffgase; schöne messinggelbe, fast goldfarbene Blättchen; d) Stickstofftitancyanür (Cyantitan-Stickstofftitan), 3Ti3N + TiC2N; aus dieser Verbindung bestehen die bekannten kupferrothen Titanwürfel, welche sich zuweilen in Hochöfen beim Verschmelzen titanhaltiger Eisenerze bilden u. bis in die neueste Zeit für metallisches T. gehalten worden sind.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 17. Altenburg 1863, S. 620-621.
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620 | 621
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